Die Verletzung, die Marco Streller beim 2:1-Sieg gegen Lausanne erlitt, ist weniger gravierend als angenommen. Der FCB-Captain fällt für unbestimmte Zeit aus, aber Spordirektor Georg Heitz ist zuversichtlich. Und Trainer Murat Yakin denkt darüber nach, dass es auch mal ohne nominellen Stürmer geht.
«Er war sehr erschrocken», schildert Georg Heitz die Situtation, als der Sportdirektor am Sonntag Marco Streller in der Kabine des FCB im Stade Olympique de la Pontaise antraf. In der 70. Minute hatte sich der FCB-Captain ohne gegnerische Einwirkung das Knie überdehnt, und das Geräusch, dass er dabei vernahm, bereitete ihm tiefe Sorge.
Am Montag ergab in Basel eine eingehende ärztliche Untersuchungen, dass sich Streller eine starke Zerrung am vorderen Kreuzband des erst kürzlich am Meniskus operierten rechten Knies zugezogen hat sowie eine Knochenprellung. Die Verletzung wird konservativ behandelt, eine Operation ist nicht nötig.
Das Video zur Verletzungsszene
Streller ist darüber sehr erleichtert: «Ich bin froh, dass es keine schlimmere Diagnose ergab und ich der Mannschaft im Titelkampf bald wieder helfen kann. Wann das genau ist, können wir noch nicht sagen», wird der 31-jährige Toptorschütze dieser Saison auf der Website des Clubs zitiert, «sicher sind nur zwei Dinge: Ich möchte so rasch wie möglich wieder mittun können und gleichzeitig so lange wie nötig pausieren, um keine zusätzlichen gesundheitlichen Risiken einzugehen.»
Die Zuversicht des Sportdirektors
Wie lange der Stürmer tatsächlich nicht zur Verfügung stehen wird, hängt vom Heilungsverlauf ab. Von «wenigen Wochen» ist beim FCB die Rede. «Natürlich trifft uns der Ausfall», sagt Georg Heitz, der aber dennoch Zuversicht verbreitet: «Ich hoffe, er wird nicht so lange ausfallen, wie vielleicht im ersten Moment befürchtet wurde.» Selbst eine rasche Genesung hält der Sportdirektor des FCB für nicht ausgeschlossen: «Ich habe schon alles erlebt.»
Sicher ist, dass Streller für das Europa-League-Rückspiel gegen Dnjepr Dnjepropetrowsk am Donnerstag (Hinspiel: 2:0) genauso ausfällt wie für den Spitzenkampf in der Super League am Sonntag gegen die Grasshoppers (16.00 Uhr, St. Jakob-Park).
Der beste Skorer des FC Basel
Mit 24 Skorerpunkten aus 31 Spielen ist der 31-jährige Streller der offensiv gefährlichste und produktivste Spieler des FCB in dieser Saison, gefolgt von Valentin Stocker (19/29). 16 Tore hat Streller in den drei Wettbewerben erzielt, dazu acht Vorlagen gegeben. Während Alex Frei nach zwei Grippeerkrankungen noch nicht wieder bei 100 Prozent Wettkampffitness angelangt ist und im System von Trainer Murat Yakin einen Typ Streller nicht eins-zu-eins ersetzen kann, bleibt Jacques Zoua derzeit der einzige verfügbare Stossstürmer, der auf die Rolle zugeschnitten ist.
Raul Bobadilla, im Winter von den Young Boys verpflichtet, ist noch zwei Pflichtspiele gesperrt, und ausserdem kuriert der Argentinier derzeit ebenfalls eine Knieverletzung aus, die er sich im Testspiel gegen Vaduz zugezogen hatte.
Heitz: «Nicht von Einzelnen abhängig»
Sonderlich beunruhigt von der plötzlich angespannten Personallage im Offensivbereich ist Heitz nicht. «Wir sind immer so aufgestellt, dass wir nicht von Einzelnen abhängig sind und solche Situationen kompensieren können.» Dass zwei kapitale Spiele anstehen, sorgt den Sportchef des FCB auch nicht: «Im Saisonfinal 2010 standen uns weder Streller noch Alex Frei zur Verfügung, da haben in Bern Scott Chipperfield und Jacques Zoua im Sturm gespielt und Xherdan Shaqiri linker Verteidiger.» Das Ergebnis ist bekannt: Mit einem souveränen 2:0 im Stade de Suisse entschied der FCB damals die Finalissima gegen die Young Boys zu seinen Gunsten.
Alex Frei trainiert zwar wieder, ob er aber am Donnerstag oder Sonntag schon wieder bereit ist für die Startelf, ist fraglich. «Vielleicht passt der Trainer das System auch an», mutmasst Heitz.
Yakin: «Mal ohne Stürmer spielen»
Der erinnerte am Montag daran, wie schnell sich die Situation ändern kann: «War nicht von Zündstoff die Rede durch unser grosses Kader? Und plötzlich sind drei Stürmer nicht dabei», sagt Murat Yakin. Marco Streller (Yakin: «Ich traue ihm eine rasche Genesung zu») könne man nicht ersetzen – deshalb müsse die Mannschaft noch näher zusammenrücken, seien die anderen Spieler noch mehr gefordert. Zum Beispiel Jacques Zoua: «Er ist jetzt vier Jahre beim FCB. Warum sollte ich ihm nicht das Vertrauen geben?»
Sich selbst nimmt der Cheftrainer auch in die Pflicht: «In solchen Situationen muss man kreativ sein.» Es komme dabei auf die Auslegung der eigenen Spielanlage an, seine Überlegungen seien auch abhängig vom Gegner. Und Yakin macht einen unkonventionellen Vorschlag: «Man kann ja auch mal ohne Stürmer spielen.»
Also ungefähr so, wie es auch der FC Barcelona schon vorgemacht hat oder Vicente del Bosque auf dem Weg der spanischen Nationalmannschaft zum Europameisterschaftssieg. Das könnte in einer Aufstellung für Donnerstag in Dnipropetrovsk zum Beispiel bedeuten, dass sich Valentin Stocker (Yakin: «Er hat einen grossen Schritt nach vorne gemacht»), Mohamed Salah, Fabian Frei und David Degen die Arbeit – heisst in der Yakinschen Idee von hohem Pressing: mit hoher Laufbereitschaft Druck auf den Gegner ausüben – und die Torgefahr teilen.
Alex Frei ist noch nicht so weit
Dazu braucht es nicht den auf dem Papier als Stürmer ausgewiesenen Spielertyp, sondern den, der ein Maximum an Leistung abrufen kann. Deshalb kann man aus Yakins Worten herauslesen, dass Alex Frei nach einigen wenigen Trainingseinheiten noch nicht so weit ist. «Er hat sicher die Erfahrung, um schnell wieder bereit zu sein. Aber wir wollen das langsam angehen.»
Philipp Degen ging in Lausanne mit muskulären Problemen vorzeitig vom Platz, ist am Donnerstag gelb-gesperrt und sollte nach Yakins Einschätzung am Sonntag zur Verfügung stehen. Im Training zurückerwartet wird am Dienstag Joo Ho Park, der am Donnerstag in der Ukraine wieder als linker Verteidiger gebraucht wird, womit Markus Steinhöfer auf rechts Philipp Degen ersetzen könnte.