Team Kaputt gewinnt gegen Team Nervös

Besonders schön war das nicht anzusehen im Stadion de Tourbillon in Sion. Der FC Basel schleppt sich zu einem letztlich verdienten 1:0 Sieg gegen den FC Sion und bleibt weiter auf Triple-Kurs. Im Cupfinal trifft der FCB am Pfingstmontag auf die Grasshoppers.

Salah, immer wieder Salah. Der Ägypter hätte wohl noch bis Pfingstmontag im Tourbillon aufs Tor schiessen können. Und hätte nicht getroffen. (Bild: Reuters/DENIS BALIBOUSE)

Besonders schön war das nicht anzusehen im Stadion de Tourbillon in Sion. Der FC Basel schleppt sich zu einem letztlich verdienten 1:0 Sieg gegen den FC Sion und bleibt weiter auf Triple-Kurs. Im Cupfinal trifft der FCB am Pfingstmontag auf die Grasshoppers.

Das ist es nun also, das legendäre Raclette-Zelt zu Sion. Die Luft ist so dick an Käse, dass einmal einatmen genügt, um für alle Zeiten genug Raclette gegessen zu haben. Aber weil das nicht zählt und weil das Raclette in der Heimat des Raclettes und des Fendants und der Gegner jeglicher Raumplanung nur unverschämt günstige vier Franken pro Portion kostet (vier Franken! Für dieses Geld gibt es auf der Herbstmesse oder bei Margot nicht mal ein bisschen Raclette-Rinde), nehmen wir natürlich einen Teller voll. Und sind begeistert. Vom Geschmack des Walliser Käses, der ähnlich wie Chipperfields Burger ohne Beilagen auskommt (treue Leser erinnern sich) und von der Aussicht im Zelt. Die Walliser Fans trinken tatsächlich alle Fendant und die Basler Gäste tun es ihnen nach. Unter ihnen: FCB-Präsident Bernhard Heusler, der unverschämt gut aussieht, tief gebräunt, eine Sonnenbrille im Ausschnitt des kecken Pullovers, die totale Lässigkeit. Er ist an eine Stätte des Triumphs zurückgekehrt: In diesem Raclette-Zelt hat Heusler vor nicht allzu langer Zeit den Sittenern ihren Serey Die ausgespannt.

Tourbillon: we like

Wir könnten natürlich jetzt noch ein bisschen mehr vom Walliser an sich erzählen, dem ganzen Trubel vor dem Spiel oder das charmante Stadion beschreiben, das noch Toiletten wie auf unserem Schulhaus-WC in Buckten hat. Tourbillon: we like. Ein tolles Stadion mit einer tollen Stimmung.

Aber darum waren wir ja nicht durch den Lötschberg gefahren. Also: Fussball. Und damit zu einem FC Basel, der einem langsam unheimlich wird. Als geneigter Zuseher fragt man sich: Wie lange kann das noch gut gehen? Wie lange hält dieser Lauf?
Die etwas profane Antwort darauf: Das hat wohl auch sehr viel mit seinen jeweiligen Gegnern zu tun.

Der FC Sion trat an diesem Abend mit all seiner Cup-Vergangenheit an, mit einem optimistischen Captain-Spielertrainer-Weltmeister Gattuso und einem sehnsüchtigen Publikum. Die überhöhten Erwartungen der Fans an ihre Mannschaft und der Mannschaft an sich selber war förmlich zu spüren. Engagiert spielte der FC Sion, engagiert, aber nervös. Ungenau im Zuspiel, zögerlich im Abschluss. Und wenn für einmal weniger gedacht und einfach draufgehalten wurde, dann war Yann Sommer zur Stelle. Wie beim strammen Schuss von Didier Crettenand in der 65. Minute, der besten Chance der Walliser.

Kaputt und überspielt

Auch dem FCB sah man seine momentane Verfassung an. Müde, kaputt, überspielt (eines der schönsten Worte im Sportjournalismus übrigens), aber eben auch: konzentriert. In der ersten Hälfte noch ohne zwingende Torchance, erhöhte Basel in der zweiten Halbzeit stetig den Druck. Man müsste vielleicht genauer sagen: Erhöhte Valentin Stocker den Druck. Wo hat dieser Mann bloss seine Energie her? In der 50. Minute schob er den Ball noch knapp neben das Tor, zwanzig Minuten später klappte es. Cabral, der für den verletzt ausgeschiedenen Kay Voser den linken Aussenläufer gab, passte auf Streller, der drehte sich geschickt und flankte passgenau auf den Kopf von Stocker. Tor. Cupfinal.

Sion rannte zwar in der Folge an, vom Tourbillon lautstark unterstützt, aber Sommer – einmal mit einem hübsch eingesprungenen Halb-Salto, das zweite Mal im forciert originellen Nachfassen – war zu stark für die ungenauen Walliser. Der FC Sion durfte sich in der Nachspielzeit bei Mohamed Salah bedanken, dass er im eigenen Stadion nicht so richtig unterging. Man kann es so sagen: Wenn es nicht ein Spitzkick ist (weil es gar nicht mehr anders geht – wie gegen Tottenham) oder ein Torhüter-Abpraller (wie kürzlich gegen den FC Zürich), dann kann man als gegnerischer Torhüter den Salah schön machen lassen. Er wird drüber schiessen (alleine vor dem Tor in der 85. Minute) oder sich verrennen (wie ein paar Minuten später). Streller liess in der Nachspielzeit von Salah inspirieren und haute, wieder nach einer perfekten Stocker-Vorlage, den Ball ebenfalls am Tor vorbei.

Sei es drum. Der FC Basel steht im Cupfinal, ist weiterhin auf Tripple-Kurs und wir, wir hoffen, dass das Raclette-Zelt immer noch geöffnet hat. Irgendwo haben wir sicher noch vier Franken Münz.

Die lange Liste der Verletzten
Mühe hatte der FC Basel schon auf der Hinfahrt. Wegen eines Unfalls auf der Autobahn musste der FCB-Car auf die Landstrasse ausweichen. Rechtzeitig zum Stade de Tourbillon reichte es nur noch dank einer Polizeieskorte. Trotz der knappen Zeit liess es sich Serey Die nicht nehmen, die alten Copains aus seinen Sion-Zeiten ebenso cool wie herzlich zu begrüssen, per Handschlag und kurzer Umarmung. Das Spiel danach sei für ihn schon ein wenig speziell gewesen, sagte er nach dem Schlusspfiff. Aber so sei es nun mal im Profifussball. In Sion seien alle sehr nett, nun habe er aber in Basel eine neue Familie gefunden.

Ganz andere Probleme sprach Goalie Yann Sommer an. Die vielen Spiele, der Stress und – wahrscheinlich als Folge davon: die Verletzungen. Die muskulären Probleme bei Dragovic (der ausgewechselt werden musste) und Park (der gar nicht erst spielen konnte) und die ausgekugelte Schulter von Kay Voser. Dem Verteidiger, der auch in der Vergangenheit schon schwere Zeiten durchgemacht hat, wie Sommer sagte: «Ich hoffe, dass das jetzt gut kommt.» Danach sprach er weiter über den schönen Erfolg (Final im Schweizer Cup) und die weiteren Herausforderungen (Final in der Europa League, Meisterschaft) – und die Breite des Kaders, dank dem alle Wünsche in Erfüllung gehen sollen.

Murat Yakin, der Trainer, erinnerte an der Pressekonferenz nach dem Spiel zudem daran, dass es – trotz der Ausfälle – noch immer einen Verteidiger gebe, der zwar nicht gespielt habe, aber fit sei: Markus Steinhöfer. Sagte es und schaute danach etwas gelangweilt in die Runde der Journalisten. Den Cupfinal zu erreichen, ist für diesen FC Basel offenbar nichts Aussergewöhnliches mehr.

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