Trotz neuer Regeln: Die WM-Vergabe funktioniert nach altem Muster

Am Mittwoch wird entschieden, wo die WM 2026 ausgetragen wird. Im Rennen sind Marokko und ein Verbund aus USA, Kanada und Mexiko. Wer sportlich gesehen der geeignetste Bewerber wäre, ist einmal mehr zweitrangig.

Wer bekommt die WM? Demokratie nach Art der Fifa bleibt auch unter Gianni Infantino fragwürdig.

Die Sache klang ziemlich gut. Vor fünf Jahren konnten sich die Funktionäre des Weltfussballverbands Fifa zu einer kleinen Revolution durchringen. Es ging um nichts Geringeres als um die Bekämpfung der erschreckenden Anfälligkeit für Korruption. Wenn der Gastgeber für eine Weltmeisterschaft gewählt wird, sollen nicht mehr die 22 Angehörigen des Exekutivkomitees abstimmen, sondern der Kongress mit seinen 211 Mitgliedern. Nur die jeweiligen Bewerber haben keine Stimme.

Mit diesem Beschluss, hoffte man, würden die Turniere nicht länger in dem Land mit der aufwendigsten Bestechungsstrategie stattfinden, sondern dort, wo so eine WM besonders friedlich, fröhlich, bunt und sportlich hochklassig werden würde.

Trump macht Druck

Am Mittwoch entscheiden nun die 207 stimmberechtigten Kongress-Mitglieder, ob die WM 2026 an Marokko vergeben wird. Oder an eine Trias aus den USA, Kanada und Mexiko, die unter dem Namen «United Bid» firmiert. Und wieder spielt die Qualität der Bewerbungen allenfalls eine Nebenrolle. Es geht um Geld, um Politik, um gekränkten Stolz, um wirtschaftliche Interessen verschiedener Regierungen, ja sogar um Religion. Und mittendrin: Donald Trump.

Spätestens seit der unberechenbare US-Präsident ärmeren Ländern vor allem aus Afrika, Asien, Süd- und Mittelamerika das Label «Dreckloch-Staat» angeheftet hat, würden viele Vertreter gerne ein Zeichen setzen. «Wenn man einen Kongress anschaut mit seinen 211 Verbänden, dann muss man sagen, Marokko hat sehr gute Chancen – unabhängig von den technischen Möglichkeiten und den Voraussetzungen», hat der Weltverbands-Insider Guido Tognoni neulich dem WDR-Format «Sport Inside» erzählt.

Obwohl Trump versprochen hat, sein Einreiseverbot für Staatsbürger verschiedener islamischer Länder während solch eines Turniers aufzuheben, gibt es keine grossen Sympathien für die USA im Nahen und Mittleren Osten. Und in Europa regt sich ebenfalls Widerstand.

Wer wäre nun am besten geeignet, ein grosses Fussballfest auszurichten? Spielt mal wieder eine untergeordnete Rolle.

Zum Stimmungsbild unter Europäern meinte zwar der Präsident des grössten Sportverbands der Welt, Reinhard Grindel vom Deutschen Fussball-Bund (DFB), er könne «offen gesagt nichts sagen». Aber Frankreich und Belgien bekennen sich offen zu Marokko. Und der wichtige europäische TV-Markt hat entsprechende Interessen wegen der günstigen Übertragungszeiten, die ein Turnier in Nordafrika mit sich brächte.

Also hat Trump kurzerhand gedroht, dass Nationen, die gegen «United Bid» votieren, politische und wirtschaftliche Konsequenzen zu fürchten hätten. Regierungsvertreter aus Südafrika, Namibia, Liberia und Simbabwe, deren Fifa-Vertreter wie die meisten Afrikaner eigentlich zu Marokko neigen, haben bereits angewiesen, das US-Projekt zu unterstützen.

Einen Ausweg aus dem Erpressungsszenario gibt es allerdings. Eigentlich sind politische Eingriffe in die Aktivitäten von Sportverbänden ein Tabu. Immer wieder werden einzelne Nationen innerhalb der Fifa vorübergehend suspendiert, wenn Staatschefs allzu viel Einfluss auf die jeweilige Fussballadministration nehmen. Die Drohung Trumps und ihre Folgen wären ein perfekter «guter Grund» für eine geheime Wahl, um die politische Intervention zu unterbinden.

Infantino braucht volle Kassen

Eine solche geheime Wahl würde die Chancen Marokkos deutlich erhöhen. Das wiederum passt überhaupt nicht zu den Interessen von Fifa-Chef Gianni Infantino. Dieser soll schon versucht haben, die Bewerbung der Marokkaner gar nicht erst zuzulassen. Nach offiziellen (aber keinesfalls transparenten) Rechnungen würde eine WM in den USA dem Verband etwa 14 Milliarden Dollar einbringen, eine WM in Marokko hingegen nur rund die Hälfte. Und die Fifa leidet unter akuter Geldnot.

Das Sponsoringgeschäft rund um die WM in Russland war ein Misserfolg. Zuletzt versuchte Infantino sogar, neue Wettbewerbe zu erfinden, in die ein dubioses Investorenkonsortium unter saudi-arabischer Führung angeblich 25 Milliarden Dollar investieren würde. Doch der Widerstand ist gross. Und Infantino, der im kommenden Jahr in seinem Amt bestätigt werden möchte, braucht dringend volle Kassen. Immerhin ist er vor drei Jahren vor allem aufgrund eines Versprechens gewählt worden: allen 211 Verbänden ohne irgendeine Gegenleistung fünf Millionen Dollar pro Vierjahreszyklus zu spendieren. Unter Vorgänger Sepp Blatter gab es nur 1,6 Millionen.

Ohne Aussicht auf frisches Geld würden die Chancen des Schweizers auf weitere Amtsjahre deutlich sinken. Aber wollen die Mitgliedsnationen Infantino überhaupt noch? Fürchten sie um den warmen Geldregen? Und welche Rolle spielt das zerrüttete Verhältnis Trumps zu Kanada und Mexiko?

Der Dschungel der Pros und Contras ist derart dicht, dass kaum fundierte Vorhersagen möglich sind. Klar ist nur eines: Die Frage, welcher Bewerber nun am besten geeignet ist, ein grosses Fussballfest auszurichten, spielt mal wieder eine untergeordnete Rolle. In der technischen Beurteilung liegt «United Bid» weit vorne, erhielt 4 von 5 möglichen Punkten, während Marokko nur mit 2,7 bewertet wurde.

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