Der Laufener Rolf Klopfenstein erlebte die Entwicklung des Fussballs in der Region Basel von Grund auf. Schon als Teenager verfasste er handschriftliche Chroniken von der WM 1954 im Fussballstadion St. Jakob. Er war eng verbunden mit dem FC Basel, dem FC Laufen und dem Fussballverband Nordwestschweiz. Als «Tapcaillou» im Sommer 2010 verstarb, hinterliess er eine grosse Lücke: menschlich ebenso wie mit seinem enormen Fussballwissen.
Vom Fussball fasziniert war Rolf Klopfenstein schon als Jugendlicher. Sein erstes Nationalliga-A-Spiel sah er auf der Bieler Gurzelen 1947. Als 15-jähriger Gymnasiast erlebte er am 25. April 1954 das Eröffnungsspiel des neu gebauten Fussballstadions St. Jakob. Die Schweiz verlor gegen den späteren Weltmeister Deutschland mit 3:5.
Zum 75. Geburtstag des Fussballverbandes Nordwestschweiz kommt es zu einer Kooperation mit der TagesWoche. Das Ziel: Online entsteht eine interaktive Geschichte des Fussballs in der Region, auf der die wichtigsten Ereignisse des regionalen Fussballs, Anekdoten und Erinnerungen auf einer Zeitleiste dargestellt werden.
Doch das Fussballfieber hatte die Region längst gepackt. 1953 war der FC Basel erstmals Schweizer Meister geworden und Klopfenstein, der in Laufen an der Röschenzstrasse wohnte, aber in Biel die Schule besuchte, erlebte an der WM 1954 die ersten ganz grossen Spiele, das 4:1 der Schweizer im Entscheidungsspiel um den Viertelfinaleinzug gegen Italien, das 8:3 von Ungarn gegen Deutschland im Gruppenspiel und den Halbfinal zwischen Deutschland und Österreich im strömenden Regen (6:1).
Schon damals entdeckte Rolf Klopfenstein sein Talent, die erlebten Dinge zu Papier zu bringen. «Ich schwor mir, irgendeinmal selbst über solche Spiele berichten zu dürfen.» Von den Ereignissen der WM 1954 verfasste er in sechs Schulheften eine eindrückliche Chronik. Handgeschrieben, mit vielen Statistiken und originalen Zeitungsausschnitten schuf er ein Zeitdokument, das heute, 60 Jahre später, noch immer nützliche Informationen und zahlreiche Überraschungen bereithält.
Das Fazit des 15-Jährigen: «Bekenntnis zum Angriffsfussball»
Sogar zu einem Fazit liess sich der damals 15-jährige Jungschreiberling in seinem Nachwort bewegen: «Der grosse Gewinn der WM 1954 war das Bekenntnis der erstklassigen Mannschaften zum Angriffsfussball. Das Spiel mit dem runden Leder, von angriffigen Stürmern betrieben, ist immer ein Genuss.» Auch ein Autogrammheft der WM 1954 mit den Köpfen aller teilnehmenden Spieler gehört zu Klopfensteins Raritätensammlung.
Schon wenige Jahre nach diesem Turnier hat der Laufener Wort gehalten. Er arbeitete als Lehrer, berichtete aber ab 1966 regelmässig über den FC Basel und dessen glorreiche Jahre unter Helmut Benthaus. Es waren grosse Zeiten, in denen die Kritikfähigkeit der Clubverantwortlichen nicht immer gleich gross war. Nach einem Artikel «Blättler passt nicht zum FCB» wurden Klopfenstein und Urs Hobi von den «Basler Nachrichten» von Präsident Felix Musfeld offiziell von der bevorstehenden Meisterfeier ausgeladen.
Ein Jahr später, der FCB wurde abermals Schweizer Meister, folgte dann aber ebenso offiziell wieder eine Einladung. Klopfenstein erlebte viele Hundert Spiele der Rotblauen, aber er war stets auch auf den regionalen Fussballplätzen ein aufmerksamer Beobachter, vor allem natürlich bei «seinem» FC Laufen.
Zeuge der Heysel-Katastrophe
Dort erlebte er ab 1971 ebenso aufregende wie erfolgreiche Jahre in der 1. Liga – und 1982 den erstmaligen Aufstieg des FC Laufen in die Nationalliga B unter Spielertrainer Urs Siegenthaler und mit dem einmaligen Brasilianer Marcio de Almeida. Ein Jahr später schrieb Klopfenstein gemeinsam mit Präsident Friedrich Hof, dem Erfolgsgaranten der damaligen Zeit, die 75-Jahr-Chronik des Clubs. Sie bietet noch heute einen Überblick über die Jahre der Laufener, damals noch dem Kanton Bern zugeordnet, im nationalen Fussball.
Als freier Journalist BR erlebte Klopfenstein auch zahlreiche Highlights im Europacup, an Europa- und Fussball-Weltmeisterschaften, von denen er ab 1974 keine mehr verpasste. Die Erinnerungen an 1954 waren zu gross und emotional, um diesen Grossanlässen später fernbleiben zu können. Hautnah erlebte er 1985 die Katastrophe im Heysel-Stadion von Brüssel. Noch vor der Partie war er von Liverpool-«Fans» ausgeraubt worden, später ereignete sich beim Meistercupfinal gegen Juventus Turin das grosse Drama mit 39 toten Besuchern.
Rolf Klopfenstein in jungen Jahren.
Seine zweite Leidenschaft gehörte dem Eishockey, jedes Jahr war er am Spengler-Cup anzutreffen. Auch der Radsport hatte es ihm angetan. Ab 1999 erlebte Rolf Klopfenstein, der als Offizier im Militär in seiner Wahlheimat Laufen auch das Amt des Sektionschefs ausübte, eine zweite grosse Ära beim FC Basel, jene unter Christian Gross. Er war es, der unter den zunehmend jüngeren Journalistenkollegen den Monsieur und Wegbereiter gab.
Und obwohl er mit der distanzierten Art von Gross im Innersten wenig anfangen konnte, liess er es sich nicht nehmen, jeweils im Namen aller Medienschaffenden einige Dankesworte an den Trainer zu richten – verbunden mit Süssigkeiten aus seiner Stadtbäckerei Niederberger in Laufen. Die Leckereien landeten auch regelmässig auf den Redaktionen, für die er arbeitete. Und das waren nicht wenige. Eine Fax-Liste mit 25 Nummern zeigt auf, dass Klopfenstein seine Texte und Erkenntnisse in der ganzen Schweiz unter die Leute brachte.
Freude über die Elefantenrunde
Klopfenstein war einer jener Journalisten, die nicht bloss kritisierten, sondern die auch mithalfen, wenn es irgendwo etwas anzupacken gab – und er schrieb objektiv, manchmal kritisch, aber nie verletzend oder unter der Gürtellinie. Nicht zuletzt deswegen wurde er für seine Verdienste vom Fussballverband Nordwestschweiz 1999 als einer der ganz wenigen Vertreter seiner Gilde – nur Hans Sutter und Roger Quinche hatten das vorher geschafft – zum Ehrenmitglied bestimmt.
Auf diese Auszeichnung war er ebenso stolz wie auf die Teilnahme an einer «Elefantenrunde» von drei erfahrenen Sportjournalisten, die die «Basler Zeitung» im Jahr 2001 einberief. Klopfenstein äusserte sich kurz vor Weihnachten 2004 gemeinsam mit Radiolegende Sepp Renggli und dem langjährigen «Sport»-Chefredaktor Walter Lutz zur Entwicklung des Schweizer Sports und des Sportjournalismus. Die Doppelseite hängt noch heute in der Küche seines Hauses in Laufen.
Und dann ratterte die «Hermes Baby»
Für Sportjournalisten eher ungewöhnlich war Klopfenstein ein Frühaufsteher. Jeden Morgen deckte er sich am Kiosk mit Fachlektüre ein, seine geliebte «Equipe» aus Frankreich liess er sich extra nach Laufen kommen. Und danach liess er seine «Hermes Baby» klappern und faxte die Berichte nach einem exakt aufgeschlüsselten System zu den Redaktionen. Der Mann hatte ein enormes Gedächtnis, vielfach wurde er als «wandelndes Fussball-Lexikon» bezeichnet, das sich an die kleinsten Details von längst vergangenen Spielen erinnern konnte. Mit seinem Tod am 26. Juli 2010 ging mit einem Schlag nicht nur viel Wissen verloren, Rolf Klopfenstein hinterliess auch menschlich eine grosse Lücke.
Seine Lebenspartnerin Brigitte Schneider wahrt im gemeinsamen Haus in Laufen das Andenken an Rolf Klopfenstein. Sie ermöglichte den Zugang zu den wertvollen Dokumenten, die diesem Artikel zugrunde liegen. «Er war ein einzigartiger Mensch, den ich noch heute verehre», sagt sie.