Grössenwahn und Filz kennzeichnen die jüngere Ära des Valencia CF. Im altehrwürdigen Stadion Mestalla geht es für den FC Basel am Donnerstag um den Einzug in den Halbfinal der Europa League. Das Nou Mestalla ist die in Beton gegossene Misswirtschaft in der drittgrössten spanischen Stadt.
China, Singapur, Russland, Costa Rica, Saudi-Arabien und zweimal USA: Das klingt nach grosser, weiter Welt und, noch wichtiger, nach viel Geld. So wie sie sich das vorstellen in Valencia, wo zum Monatsbeginn der Bieterprozess für den Kauf des Fussballclubs endete und sieben Angebote erwähnter Herkunft eingingen. Diese werden nun sondiert, in ein paar Wochen wird man wissen, wem der Europa-League-Gegner des FC Basel künftig gehört.
Fest steht schon jetzt, dass es mit fremdem Input nur besser werden kann. Denn der lokalen Mischung aus Grössenwahn und Filz hat der Verein die aktuelle Situation zu verdanken. Der Valencia Club de Futbol steckt nur deshalb nicht im formellen Insolvenzverfahren, weil die Gläubigerbank ihre Forderungen so lange gestundet hat, bis ein neuer Besitzer gefunden ist.
Der muss erstens einen 90-Millionen-Euro-Kredit der Vereinsstiftung «Fundació Valencia CF» tilgen, die sie überhaupt nur bekam, weil die Regionalregierung dafür bürgte. Das ist wiederum Teil eines EU-Verfahrens wegen illegaler Beihilfen für spanische Fussballclubs. Ferner muss der neue Besitzer die 220 Millionen Euro Schulden des Clubs zumindest refinanzieren, und er muss einen Plan vorlegen, wie endlich das neue Stadion fertig gestellt werden soll.
Im Nou Mestalla ruhen die Arbeiten seit fünf Jahren
Dort, im Nou Mestalla, sollte eigentlich längst gespielt werden, doch seit über fünf Jahren ruhen die Baumaschinen. Für die Fertigstellung fehlt das Geld. Für den Verkauf des alten Stadions fehlen die Interessenten. Wenn man so will, erzählt die Geschichte dieses Fussballstadions damit die Geschichte der ganzen spanischen Krise.
Das nicht fertiggestellte Nou Mestalla (Pfeil im Vordergrund) und die alte, 1923 eröffnete Arena (oben). (Bild: RMB/info-stades.fr)
Deren Gründe lassen sich wohl in keiner Region so gut nachvollziehen wie in der Comunidad Valenciana. Nirgendwo hat man in den guten Jahren so abenteuerliche Visionen einer goldenen Zukunft entworfen und vor allem: in Beton gegossen. Berühmt ist etwa der «Flughafen ohne Flugzeuge» im 70 Kilometer entfernten Castellón, ein für 150 Millionen Euro fertig gestellter Airport, der immer noch keinen einzigen Passagier abgewickelt hat. Demgegenüber ist die «Stadt der Wissenschaften und Künste» in Valencia zwar in Betrieb und imposant anzuschauen – aber letztlich auch ziemlich aus dem Ruder gelaufen.
Valencia, Calatrava und die Luftschlösser
Für rund 1,3 Milliarden Euro, rund das Vierfache der ursprünglichen Planung, hat der weltberühmte Architekt Santiago Calatrava in seiner Heimatstadt zwischen Zentrum und Meer ein Denkmal aus futuristischen Palästen und Wasserspielen erschaffen. Laut der Opposition soll er dafür allein 94 Millionen Euro an Honoraren kassiert haben.
Insbesondere das von der Regierungspartei PP protegierte Opernhaus weist allerdings so viele Baumängel auf, dass es schon einmal vom Regen überflutet wurde und immense Folgenkosten nach sich zog. Natürlich ist das Areal eine Touristenattraktion, aber ob es die Ausgaben jemals «um ein Vielfaches» wieder einspielen wird, wie sich Calatrava verteidigt, ist doch sehr fraglich.
Die Oper und Konzerthalle Palau de les arts reina Sofia (Hintergrund) in der «Stadt der Künste und Wissenschaften» von Valencia. (Bild: Keystone) (Bild: Keystone/ALESSANDRO DELLA BELLA)
Momentan muss es mit gut 200 Millionen Euro im Jahr subventioniert werden und machte 2013 dennoch einen Verlust von 52 Millionen. Nach der ursprünglichen Idee sollten die Kosten durch zwei ebenfalls von Calatrava zu entwerfende Wohnungstürme am Rande des Geländes gedeckt werden. Deren Bau wurde allerdings nie begonnen.
Als Vorbild diente: Real Madrid
Womit man wieder beim Fussball ist: Valencia wollte das Nou Mestalla durch die Umdeklarierung des alten Mestalla vom Sportgelände zu Wohnungsbauland sowie einen entsprechend lukrativen Verkauf finanzieren. So glänzend stellte man sich das Geschäft vor, dass damit gleichzeitig die monströsen Verbindlichkeiten des Vereins ausgeglichen werden sollten.
Um fair zu sein: Der damalige Clubpräsident Juan Soler folgte mit diesem «pelotazo» (Befreiungsschlag) nur einem erprobten Patent. Auf ähnliche Weise hatte sich zu Beginn des Jahrtausends bereits Real Madrid mit dem Verkauf seines zentral gelegenen Trainingsgeländes entschuldet, zumindest vorübergehend.
Was die behördliche Seite betraf, war auch in Valencia die Lokalpolitik helfend zur Stelle und erteilte die nötigen Genehmigungen. Als Problem stellte sich etwas anderes heraus: Niemand mehr brauchte noch Wohnungen. Im irrsinnigen Baueifer, der jahrelang Spaniens Boom beförderte, wurde übersehen, dass irgendwann jeder noch so optimistisch kalkulierte Bedarf gedeckt ist; zumal wenn noch eine Wirtschaftskrise dazu kommt.
Der Club steht wirtschaftlich und sportlich noch schlechter da
Jetzt steht das halbfertige Nou Mestalla als Mahnmal für Grössenwahn im Norden der Innenstadt, und ist also solches natürlich ein Störfaktor. Die Bürgermeisterin antichambrierte deshalb vorigen Sommer nur zu gern, um den jungen Unternehmer Amadeo Salvo ins Präsidentenamt des Clubs zu hieven – denn der fabulierte von baldiger Vollendung.
Doch Salvo konnte dieses Versprechen ebenso wenig halten wie viele andere auch, und so steht der aktuelle Tabellenachte der spanischen Liga jetzt nicht nur sportlich noch schlechter da als zuvor. Im Dezember erklärte die Gläubigerbank Bankia, dass nur ein Verkauf den Verein retten werde.
Die Zeiten haben sich eben geändert. Anders als früher gibt es nichts mehr zu verschenken, weder für die verstaatlichte Bankia, als Zusammenschluss diverser Krisenbanken, darunter der valencianischen Landesbank Bancaja, eine Art Epizentrum der spanischen Finanzkrise; noch für die Generalitat, die Regierung der Region Valencia, die die weitere Bürgschaft und Zinsbedienung für den Kredit der Fundaciò verweigerte – der letzte Sargnagel für Salvos verzweifelte Versuche, selbst Herr über das Geschehen zu bleiben.
Ein erster Rettungsring ist bereits zurückgezogen
Bank, Regierung, Stiftung und Verein bilden nun die Kommission, welche die Kaufangebote studiert. Bis zu ihrem Ergebnis bleibt viel Zeit für Spekulationen. Zuletzt wurde am Montag die arabische Offerte zurückgezogen, nachdem Medienrecherchen ergaben, dass es sich bei der eigens für das Bieterverfahren in London gegründeten Firma UP54 um ein Scheingeflecht handelte, das mit falschen Zusagen operierte.
Vermittelt hatten das Angebot zwei lokale Geschäftsmänner aus der Baubranche. Einer von ihnen, Mariano García Montes, wurde einst reich, als seiner gerade erst gegründeten Firma von der Politik überraschend der Auftrag erteilt wurde, in der Stadt der Wissenschaften das Ozeanium zu bauen.
Bekannt für seine extrem steilen Tribünen: Das Mestalla von Valencia.