Er ist eigentlich Spielerberater, aber Jorge Mendes hat mehr Macht als mancher Sportdirektor. Heute Abend treffen in den Champions-League-Playoffs mit dem Valencia CF und AS Monaco zwei Mannschaften aufeinander, die eine Gemeinsamkeit haben: Sie sind Protegés von Mendes. Ihm kann der Ausgang aber egal sein.
Anfang des Monats erbat Jorge Mendes für seine langjährige Ehe den kirchlichen Segen. Die Party bei Porto brachte es zu einem der Topevents des Sommers, jedenfalls in der Regenbogenpresse: über 350 geladene Gäste, darunter höchste Fussball-Prominenz von Chelsea-Oligarch Roman Abramowitsch über Trainerlegende Alex Ferguson bis zu Real Madrids Präsident und Bauriese Florentino Pérez.
Weiträumig abgesperrte Strassen wie bei einer Königstrauung. Und eine griechische Insel als Hochzeitsgeschenk vom Trauzeugen, einem gewissen Cristiano Ronaldo. So opulent war die Veranstaltung, dass in Portugal gescherzt wurde, mit der Rezession sei es nun ja wohl endgültig vorbei.
Auch Jose Mourinho gehört zu den treuen Weggefährten von Spielerberater Jorge Mendes, das zeigt auch ein Blick in den Kader des FC Chelsea. (Bild: John Marshall)
Mendes ist der heimliche König des Fussballs. Die Macht des Spieleragenten reicht weit hinaus über das Karrieremanagement von Ronaldo, José Mourinho und weiteren Kassenschlagern wie Ángel Di María (der allein in den letzten beiden Sommern 138 Millionen Euro an Transfergeldern bewegte). Im iberischen, südamerikanischen und zunehmend auch englischen und französischen Fussball geht kaum ein grosser Deal über die Bühne, bei dem er nicht zumindest als Vermittler auftreten würde.
Ausserdem steuert der 49-jährige Portugiese die Laufbahnen etlicher Profis, an deren Transferrechten er oder von ihm beratene Investmentfonds beteiligt sind. Oft schiebt er sie quasi zwischen «seinen Klubs» hin- und her: denn auch immer mehr Spitzenvereine unterliegen mehr oder weniger offenkundig seinem Einfluss.
Der unangenehmste Termin für Mendes: Valencia vs. Monaco
Zwei dieser Protegés treffen am Mittwochabend (20.45 Uhr) aufeinander, der Valencia CF und die AS Monaco. Für Mendes ist es wenige Wochen nach den Festivitäten der wohl unangenehmste Termin des Sommers. Einer von beiden Vereinen wird die Champions League verpassen. Vor allem aber veranschaulicht die Paarung in unerwünscht deutlichem Masse den Schatten, den Mendes‘ Macht auf die Integrität des Wettbewerbs wirft: die Möglichkeit von Interessenskonflikten und, mindestens, ein gehöriges Transparenzproblem.
Mendes hat bei keinem der Duellanten ein formales Amt inne; doch bei beiden gilt er als heimlicher Sportdirektor. In Valencia geniesst er diese Position, seit sein langjähriger Freund und Investmentpartner Peter Lim den Verein im Sommer 2014 übernahm. In Monaco verhalf er dem russischen Düngeroligarchen Dimitri Rybolowlew mit seinem Know-how und Portfolio dazu, den Fussball mit Erfolg kennenzulernen.
Über ein Dutzend seiner Spieler platzierte er in den letzten Jahren in beiden Mannschaften, wie auch die beiden Trainer, seine Landsleute Nuno Espirito Santo (Valencia) und Leonardo Jardim (Monaco). In der Regel fahren die Vereine nicht schlecht mit seiner Beratung, denn Mendes hat ein gutes Auge für Talent und ein immenses Netz von Angestellten und assoziierten Beratern in aller Welt.
Mendes hat bei keinem der Duellanten ein formales Amt inne; doch bei beiden gilt er als heimlicher Sportdirektor.
Sein Geschäftsmodell ist klar: Die Spieler werden in prominenten Schaufenstern wie Valencia oder Monaco ausgestellt, um sich dort zu entwickeln, Wert zuzulegen und für viel Geld zu einem noch prominenteren Verein zu wechseln. Immer verdient Mendes die üblichen Kommissionen, Vermittlergebühren und Gehaltsbeteiligungen.
Seinen Klienten James Rodríguez etwa lotste er 2013 für 45 Millionen Euro von einem seiner heimischen Talentparkplätze, dem FC Porto, nach Monaco und von dort ein Jahr später weiter für 80 Millionen Euro zu Real Madrid. Den Ersatz beschaffte er gleich selbst, Bernardo Silva von Benfica Lissabon, einem anderen portugiesischen Verein aus seinem Einflussbereich. Wo Rybolowlew anfangs in Monaco noch von den ganz grossen Zielen träumte, setzt der Verein unter dem von Mendes installierten Sportdirektor Luis Campos inzwischen klar auf Weiterbildung. Die Zugänge dieser Saison im Gesamtwert von 70 Millionen Euro haben ein Durchschnittsalter von 21 Jahren.
No-Names für Valencia, natürlich mit Bezug zu Mendes
In Valencia hat das Einschlagen einer ähnlichen Strategie diesen Sommer für viel Widerstand gesorgt. Nach prominenten Verstärkungen und einem achtbaren vierten Platz in der schweren spanischen Liga im ersten Jahr unter Lim erwarteten die Fans den nächsten Investitionssprung. Stattdessen wurden nur junge No-Names verpflichtet und Kaufoptionen für bereits im vorigen Sommer nach Valencia beorderte Spieler aus dem Mendes-Lim-Imperium eingelöst, wie Stürmer Rodrigo und Mittelfeldmann André Gomes.
» Sehenswert ist die Liste der Spieler (und Trainer), die Mendes betreut: Eine Übersicht auf transfermarkt.de
Auch erlebten die Anhänger das Ende im monatelangen Kleinkrieg zwischen Trainer Nuno und der alten Klubgarde mit Präsident Amadeo Salvo und Sportdirektor Rufete. Dass Lim zu Nuno neigen würde, als Spieler einst Mendes‘ erster Klient, war allen klar – Salvo und Rufete kamen mit ihren Rücktritten der Kündigung zuvor.
Pfiffe für die undurschaubare Macht von Mendes
Bei der Teampräsentation im Rahmen eines Testspiels gegen den AS Rom wurde der an sich beliebte Nuno von Teilen der Fans plötzlich ausgepfiffen – stellvertretend für die undurchschaubare Macht von Mendes, die bei einem volksnahen Traditionsklub wie Valencia erheblich mehr Missfallen erregt als im beschaulichen Monaco. Das Klima rund ums Stadion Mestalla gilt dieser Tage als explosiv.
Egal wie das Spiel ausgeht, Mendes findet einen Weg für neue Geschäfte.
Vor diesem Hintergrund könnte der Agent einen Sieg von Valencia womöglich besser gebrauchen als einen von Monaco. Dass er konkret Einfluss auf das Ergebnis nehmen könnte, ist trotzdem zu simpel gedacht. Mendes findet hinter jedem Ausgang einen Weg für neue Geschäfte.
BREAKING: Manchester City are close to completing the £28.5million signing of Valencia defender Nicolás Otamendi. (Daily Mail)
— Transfer Centre (@CentreTransfer) 19. August 2015
So wie er in den Stunden vor dem Spiel den Wechsel von Valencias Abwehrchef Nicolas Otamendi für 45 Millionen Euro zu Manchester City auszuhandeln half. Gegen Monaco fehlt jetzt der Abwehrchef, dafür hat der Klub gutes Business gemacht. Statt Otamendi verteidigt heute nun der junge Portugiese Ruben Vezo. Das Schaufenster der Champion League wird dessen Karriere gewiss nicht schaden.
Sein Agent? Jorge Mendes.