«Verschwindende weibliche Anmut»

Frauen spielen in der Schweiz länger Fussball, als sie abstimmen dürfen. Sie rennen noch immer gegen Klischees an.

Am Ball: Madeleine Boll 1975 beim Spiel Schweiz–England in Basel. (Bild: Keystone)

Der Frauenfussball hatte es von Anfang an nicht einfach. Immerhin wurde der erste Frauenfussballclub der Schweiz noch vor der Einführung des Frauenstimmrechts gegründet. Doch noch immer werden die Fussball spielenden Frauen nicht für voll genommen.

«Im Kampf um den Ball verschwindet die weibliche Anmut, Körper und Seele erleiden unweigerlich Schaden und das Zurschaustellen des Körpers verletzt Schicklichkeit und Anstand.» Der Frauenfussball hatte seit Anbeginn einen schweren Stand. Das zeigen diese Zeilen, die der Deutsche Fussball-Bund am 30. Juli 1955 verfasste.

Der Dachverband verbot in der Folge den ihm angeschlossenen Vereinen den Frauenfussball. «Dass die Mädchen da mit einem wackeligen Busen übers Feld liefen und dann auch noch gegen den Ball traten oder sich gegenseitig foulten», missfiel beispielsweise Hubert Claessen, der als einer der Väter der Bundesliga gilt und 2005 verstorben ist. In den 1960er-Jahren wurde das Verbot gelockert und in den 1970er-Jahren aufgehoben. 1982 bestritt zum ersten Mal ein deutsches Frauennationalteam ein Länderspiel und gewann dieses mit 5:1 gegen die Schweiz, wie die NZZ weiss.

Die Unterlegenen trugen bereits zehn Jahre zuvor ihr erstes Länderspiel aus (2:2 gegen Frankreich). Aber auch hierzulande kämpfte der Frauenfussball mit Hindernissen: In den 1960er-Jahren waren die ersten Frauen an den Verband gelangt mit der Bitte, offizielle Spiele durchführen zu dürfen. Der Verband lehnte ab, bot den Bittstellerinnen aber an, sie sollten doch Schiedsrichterinnen werden.

Beine und Waschmaschinen

Trotzdem erhielt Mitte des besagten Jahrzehnts die erste Frau eine Lizenz. Madeleine Bolls Spielerpass wurde allerdings fälschlicherweise ausgestellt und ihr im Handumdrehen wieder entzogen. Der erste Schweizer Frauenverein, der DFC Zürich, wurde 1968 gegründet. 1970 startete die erste Meisterschaft in der Nationalliga A – ein Jahr vor der Einführung des Frauenstimmrechts.

In der Region Nordwestschweiz hatte der FC Therwil eine Vorreiterrolle inne; dieser stellte 1972 ein erstes Frauenteam. 1975 wählte der DFC Therwil seinen ersten Vorstand, heute heisst der Club FFC Therwil, stellt eine 1.-Liga-Mannschaft und eine Juniorinnenabteilung.

Die höchste Frauenliga des Landes dominierte zuletzt der FC Zürich Frauen mit fünf Meisterschaften in den vergangenen sechs Saisons. Die Frauen des FC Basel sind noch nie Meister geworden, gewannen 2014 unter Trainer Beat Naldi aber erstmals eine Trophäe: den Schweizer Cup.

Inzwischen ist Frauenfussball ein anerkannter Sport. Die Weltmeisterschaft 2011 in Deutschland hat das Ansehen massgeblich erhöht, darin sind sich viele Beobachter des Frauenfussballs einig. Allerdings gibt es weiterhin Anzeichen dafür, dass der Blick auf die Fussball spielenden Frauen noch immer alten Klischees folgt. So bewarb das ZDF die Übertragungen der Europameisterschaft 2013 mit einem Video, das folgende Szene zeigt: Eine Spielerin kickt einen dreckigen Fussball in die Waschmaschine und setzt sich anschliessend auf ebendiese drauf. Das Video schliesst mit dem Bild, das die Waschmaschine sowie die Beine der Spielerin zeigt.

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