Beim FC Basel mag sich noch so vieles verändert haben im Sommer, auf etwas kann man sich so sicher verlassen wie auf den Regen in Manchester: Besteigt der Schweizer Meister das Flugzeug, dann sitzt Marco Streller im Cockpit. Früher als Spieler, inzwischen als Sportchef, der selbst jede Menge Steuerungsmöglichkeiten hat. Im Sommer war der FCB unter ihm im Vergleich zu den Vorjahren aussergewöhnlich inaktiv, gerade mal Ricky van Wolfswinkel und Dimitri Oberlin sind von anderen Vereinen zur Offensive gestossen. Doch ebendiese ist die grösste Baustelle in der noch jungen Saison.
Momentan trifft nur Ricky van Wolfswinkel. Sollte er sich verletzen, ist die Auswahl an Alternativen noch magerer als die Basler Punkteausbeute nach sieben Ligaspielen. Für den Champions-League-Auftakt gegen Manchester United ist der Holländer fit, Sorgen braucht sich Trainer Raphael Wicky in dieser Hinsicht also keine zu machen. Und wer an der Kofferausgabe am Flughafen die Ohren spitzte, musste hellhörig werden. Denn Streller sagte bezüglich der Besetzung in der Offensive: «Vielleicht geht da ja noch etwas.»
«Vor einem Jahr kam der FCB mit breiter Brust aus der Meisterschaft. Und dieses Selbstvertrauen konnten wir bisher nicht holen.»
Das internationale Transferfenster ist seit Ende August zu, und welcher Spieler in der Schweiz interessant sein könnte, wollte Streller freilich nicht preisgeben. Sicher ist aber: Ein weiterer Akteur mit etwas mehr Erfahrung als die rund 20-Jährigen aus dem eigenen Nachwuchs täten dieser Mannschaft gut. Und wenn dieser auch noch eine starke Physis mitbringt, wäre dem FCB auch gedient. Denn auch Streller bestätigt, dass das aktuelle Team physisch nicht zu den stärksten Basler Mannschaften der letzten Jahre gehört.
Strellers Satz, den er mit einer Vorahnung nie gesagt hätte
Deswegen darf man vor dem Champions-League-Auftakt am Dienstag auch Strellers Worte relativieren, wenn er sagt: «Wir sind eher gegen Teams stark, die über die Physis ins Spiel kommen. Und Manchester ist so ein Team.» Streller will damit die Hoffnung aufleben lassen, dass die Auftritte in der Königsklasse besser sein werden als vergangene Saison unter Urs Fischer. Denn Fischers erster Gegner Arsenal (0:2) «kam mehr über das spielerische Element in die Partie als über das physische», sagt Streller. «Gegen Manchester sind die Vorzeichen deswegen vielleicht etwas besser. Allerdings kam der FCB vor einem Jahr mit breiter Brust aus der Meisterschaft. Und dieses Selbstvertrauen konnten wir bisher nicht holen».
Viel lieber als mit letzter Saison vergleicht Streller den FC Basel aber mit der Situation vor sechs Jahren, als er als Spieler gegen Manchester United gewonnen hatte. Auch damals habe man einen schwierigen Saisonstart erlebt, auch damals habe keiner dem FC Basel etwas zugetraut. Ob er die Geschichten von damals am Dienstag vor der Partie in der Kabine zum Besten geben wird, ist noch in Absprache mit Raphael Wicky. Aber wenn der Sportchef zur Mannschaft spricht, wird er mit Sicherheit von den positiven Emotionen von damals erzählen.
Einen Sieg verlangt Streller von seiner Mannschaft nicht. Und dass im «Sonntagsblick», einen Tag nach der Niederlage gegen Lausanne also, ein Zitat von ihm stand, dass er mit dem FCB in den Achtelfinal einziehen wolle, ist einfach schlechtes Timing. Hätte Streller den Misserfolg gegen den sieglosen Tabellenletzten auch nur erahnt, er hätte diesen Satz nicht gesagt. Trotzdem wolle er mit seinem FCB jetzt im Old Trafford «nicht einfach in Schönheit sterben», vielmehr traut er seinem Team einen Exploit zu.
Streller ist beeindruckt von Manchesters Variabilität
«Wenn wir aber eine gute Partie machen und am Ende trotzdem nichts dabei herausschaut, dann würde das wohl auch akzeptiert werden», sagt Streller. Es komme einfach auf die Art und Weise an, wie sich die Mannschaft präsentiert. Doch genau da haperte es beim FCB in den letzten Spielen in der Meisterschaft. Das Team präsentierte sich offensiv wenig kreativ, und wenn es zu Chancen kam, war es nicht effektiv. Zudem ist diese Basler Mannschaft in der Defensive ungewöhnlich anfällig – und das gegen Teams, die nicht zu den Überfliegern der Liga gehören.
Am Dienstag trifft der FCB auf eine Übermannschaft, auf José Mourinhos Manchester, das in vier Premier-League-Spielen drei Siege und ein Unentschieden ins Trockene gebracht hat. Streller sagt, dieses Manchester sei stärker als noch zu seiner Zeit als Spieler. «Sie sind unglaublich variabel», schlussfolgert der Sportchef aufgrund der Bilder, die er von Manchesters Spiel gegen Stoke City gesehen hat. «Sie können gegen uns ohne Weiteres ein komplett anderes System spielen als gegen Stoke. Und wenn Manchester einen Konter fährt, dann sind die unglaublich schnell und bringen viel Masse ins Spiel.»
Ein Spiel als Türöffnung
Das Duell gegen einen scheinbar übermächtigen Gegner ist für Streller eine Chance. «Und wir, die wir in der Verantwortung stehen, müssen diese Haltung vorleben. Denn natürlich ist uns allen bewusst, dass der Samstag (die Niederlage gegen Lausanne, Anm. d. Red) wahrscheinlich der Tiefpunkt dieser Saison war», sagt Streller. Der Sportchef glaubt, dass ein guter Auftritt in Manchester eine Türöffnung für die Entwicklung der Saison sein könnte, und wieder macht er diesen Glauben an der Vergangenheit fest. «Unter Thorsten Fink gab es dieses eine Spiel gegen die AS Rom. Danach lief plötzlich alles einfacher.»
Entweder fährt der FCB am kommenden Wochenende also mit einem guten Gefühl nach Chiasso zur zweiten Cuprunde. Oder er steht bereits vor einer Aufgabe, nach der sich das Publikum eine Generaleinschätzung des bisher Gezeigten erlauben wird. Sicher ist nur, dass Streller nicht gleich wieder in einen Flieger steigen wird, das nächste Auswärtsspiel in der Champions League steht erst am 18. Oktober an. Dann trifft der FCB in Moskau auf ZSKA, in einem Spiel, das allenfalls schon richtungsweisend sein wird, ob die Basler eine Chance auf europäisches Überwintern haben werden.