Es hat sich abgezeichnet und war am Ende unvermeidlich: Der Bundesligist 1.FC Köln trennt sich von Sportdirektor Volker Finke (64), dem langjährigen Trainer des SC Freiburg.
Es herrschte eine Atmosphäre der Zuversicht am Geissbockheim am Sonntagmorgen. Stale Solbakken und seine Spieler federten leichtfüssig über den Trainingsplatz, und die Spaziergänger am Übungsrasen scherzten vergnügt. Alle waren beflügelt vom intensiven 1:0-Sieg gegen Hertha BSC Berlin, das schier die ganze Stadt mitgerissen hatte.
Und wahrscheinlich empfand der eine oder andere eine stille Freude darüber, dass Werner Wolf, der Chef des Verwaltungsrates, oben im Vereinslokal vor die Journalisten trat, um das am Samstagabend beschlossene Ende von Sportgeschäftsführer Volker Finke zu erklären. Es war eine kurze Veranstaltung, Nachfragen waren nicht erlaubt, und man musste schon genau hinhören, um die Wahrheit von den PR-Phrasen zu unterscheiden, mit denen die Herren vom 1. FC Köln hantierten.
Finke macht die drei Affen
«Einvernehmlich» teilte Wolf zur Trennung mit, aber natürlich ist Finke nicht freiwillig gegangen. Der langjährige Trainer des SC Freiburg ist nach 13 Monaten entlassen worden, und Momente der Einvernehmlichkeit hatte es in dieser Zeit immer seltener gegeben in der sportlichen Leitung des Vereins.
Trotzdem sass auch Finke am Sonntag auf dem Podium, und wer sich mit japanischen Sprichwörtern auskennt oder ein Nachschlagewerk zu Rate zog, der erfuhr, dass der 64-Jährige die Trennung keineswegs als harmonisch empfand. «Respektieren Sie bitte, dass ich – wie die drei Affen – nichts sehe, nichts höre und nichts sagen werde», sprach er in Rätseln.
In Japan werden die drei Affen immer dann erwähnt, wenn jemand weise über Schlechtes hinwegsieht. Und es gab reichlich Missstände in Köln während der vergangenen Wochen und Monate. Dinge, die Finke widerfahren sind, aber auch solche, an denen er nicht unbeteiligt war.
Ende einer Männerfeindschaft
Denn der Grund für die Trennung sind weniger die «unterschiedlichen Meinungen über die fussballerische Ausrichtung» des 1. FC Köln, wie es im offiziellen Bulletin heisst. Viel mehr war die ausgewachsene Männerfeindschaft zwischen Finke und Trainer Stale Solbakken nicht mehr zu ertragen.
Einer musste gehen, entweder der Trainer, der trotz mässiger sportlicher Erfolge allseits beliebt ist, oder Finke, der sich mehr und mehr in der Rolle des Bad Guy gesehen hat. In einem Verein wie dem 1. FC Köln, der wie kaum ein anderer Bundesligist von den Zeitungen der Stadt getrieben wird, war völlig klar, wen es treffen würde.
Zumal der Klassenerhalt trotz des furiosen 1:0-Erfolges gegen Hertha BSC Berlin längst nicht als gesichert gelten darf und oberste Priorität hat. Ein Trainerwechsel wäre ziemlich fahrlässig gewesen in dieser Situation. «Wir glauben, dass wir uns durch diese Entscheidung wieder auf den Fussball konzentrieren können», sagt Wolf.
Club präsentiert sich als Trümmerhaufen
Wenn nicht gerade wieder ein Spieler betrunken Auto fährt, Lukas Podolski seine Wechselpläne ändert, gewaltbereite FC-Anhänger gegnerische Fans von der Autobahn drängen, Fussballer in Schlägereien oder Verkehrsunfälle verwickelt werden, wenn dann irgendwann ein neuer Präsident und ein neuer Sportdirektor gefunden sind, dann gerät das Spiel wirklich in den Mittelpunkt. Irgendwann vielleicht. In nicht absehbarer Zeit.
Doch zunächst steht der Club vor einem Trümmerhaufen. Es gibt keinen Präsidenten, keinen sportlich Verantwortlichen, dafür lauter Funktionäre, die praktisch keine sportliche Kompetenz mitbringen. «Das ist keine Wunschlösung, in der wir uns befinden», räumt Geschäftsführer Claus Horstmann ein, «wir hatten gehofft, mit Stale Stolbakken und Volker Finke eine Lösung für die Zukunft gefunden zu haben».
Doch Finke hat zu viele Fehler gemacht. Vor allem hat er seine kritische Meinung über Solbakkens Fussball in die Mannschaft hinein getragen und damit eine Opposition gegen den Trainer geschaffen – ein Tabubruch für einen Sportdirektor.
Kandidaten Beiersdorf und Rettig
Ausserdem war Finke in einigen Momenten, in denen er besser geschwiegen hätte, viel zu redselig, und er hatte nicht nur Konflikte mit dem Trainer und Superstar Lukas Podolski sondern auch mit anderen Mitarbeitern des Clubs. Seine starke Facharbeit und die vielen gelungenen Transfers – zu denen ironischerweise Solbakken gehört, der beim norwegischen Verband im Wort stand und für eine halbe Million Euro losgeeist wurde – konnten das Problem der zwischenmenschlichen Spannungen schon länger nicht mehr aufwiegen.
Das grosse Projekt, den FC in einem ruhigen Verein zu verwandeln, der nicht mehr total dominiert wird von einem Stadtheiligen wie Podolski, einem Überpräsidenten wie Wolfgang Overath, oder einem gottgleichen Trainer wie Christoph Daum, das wird nun jemand anders fortsetzen müssen. Dietmar Beiersdorfer (es HSV und Red Bull Salzburg) ist ein Kandidat oder Andreas Rettig, der beim FC Augsburg aufhört.