Vom Krückstock zum Sparschwein – die Geschichte der Holding AG des FCB

Am Freitag geht es um die Zukunft des FC Basel. Eine ausserordentliche Mitgliederversammlung soll darüber entscheiden, ob die Aktienmehrheit an der Holding AG den Besitzer wechseln soll. Wie die Holding zum zentralen Machtelement beim FCB wurde, zeichnet dieser Beitrag nach.

16.Jan.2012; Basel; Fussball Super League - FC Basel ausserordentliche Generalversammlung; Gigi Oeri ueberreicht Bernhard Heusler ein Zepter (Andy Mueller/freshfocus)

(Bild: Andy Mueller/freshfocus)

Am Freitag geht es um die Zukunft des FC Basel. Eine ausserordentliche Mitgliederversammlung soll darüber entscheiden, ob die Aktienmehrheit an der Holding AG den Besitzer wechseln soll. Wie die Holding zum zentralen Machtelement beim FCB wurde, zeichnet dieser Beitrag nach.

Die Mitglieder des FC Basel sind am Freitag dazu aufgerufen, an einer ausserordentlichen Generalversammlung darüber zu entscheiden, ob die bisherigen Aktionäre der FC Basel Holding AG mit FCB-Präsident Bernhard Heusler an der Spitze ihre Anteile an Bernhard Burgener verkaufen und somit den Weg frei machen für eine neue Führungscrew. Aus dem Buch «111 Gründe, den FC Basel zu lieben» stammt der folgende Beitrag, der sich mit der Geschichte der FC Basel Marketing AG beschäftigt, aus der die Holding hervorgangenen ist:

Die Idee aus Peter Eptings Schublade

So viel in Bewegung im Basler Fussball wie Ende der 90er-Jahre ist schon lange nicht mehr gewesen. Das neue Joggeli an der Stelle des alten kündigt sich an, und René C. Jäggi ist seit 1996 neuer FCB-Präsident. Ein in der Wirtschaft gestählter Troubleshooter (Adidas), der Typ Macher und ein exzellenter Verkäufer. Unter anderem wird ein Plan in die Tat umgesetzt, der schon unter Jäggis Vorgänger Peter Epting auf dem Vorstandstisch lag: Im März 1997 wird die «FC Basel Marketing AG» gegründet.

Im Oktober segnet die 104. Generalversammlung mit 810 anwesenden, stimmberechtigten Mitgliedern bei 14 Gegenstimmen das Konstrukt ab: Der Verein tritt Transferrechte an Spielern sowie die Marketingrechte ab, die AG garantiert im Gegenzug, ein allfälliges jährliches Defizit des Clubs zu decken.

Und ein solches entsteht beim FCB jener Zeit mit der Zuverlässigkeit von Sonnenauf- und -untergang. Per 30. Juni 1997 beträgt die Bruttoverschuldung des FC Basel 1,9 Millionen Franken, und nur durch eine Finanzspritze der noch jungen Marketing AG in Höhe von 1,2 Millionen Franken bleibt der FCB unter der Grenze von 800’000 Franken Schulden, die die Nationalliga seinerzeit bei der Lizenzvergabe zugesteht. Stephan Werthmüller – damals Finanzchef des FCB und später, von 2010 an in den goldenen Jahren wieder – spricht bei der Generalversammlung von einer «ständigen Gratwanderung».

Die Hoffnung auf das Geld fremder Investoren

Die schöne neue Welt malen sich Präsident Jäggi und sein Vize Mario Cueni ganz anders aus. Sie versprechen sich vom Vehikel Marketing AG und dem Finanzierungskonzept zehn Millionen Schweizer Franken, träumen von einem Börsengang, von der Ausgabe von Publikumsaktien, sie haben den Ausrüster unter juristischem Getöse gewechselt von Adidas zu Nike, sie machen auf der Trikotbrust Standortwerbung («Messe Basel», «Kulturstadt Basel», «Industriestadt Basel») und auf dem Trikotrücken grüsst der Schriftzug «Sali zämme»; ein zweideutiger baseldeutscher Ausdruck, der hallo miteinander heissen kann – oder auch tschüss.

Die ganz grosse Hoffnung ruht allerdings auf dem Geld fremder Investoren, für die das Konstrukt mit der Marketing AG das Tor geöffnet hat. Der Brite Joe Lewis steigt mit seinem Unterhaltungskonzern Enic Plc ein und hält 1998, nach einer Erhöhung des Aktienkapitals auf zwei Millionen Franken, 50 Prozent an der Marketing AG.

Sein Geld lässt zwar eine Zeitlang auf sich warten, und als es schliesslich da ist, macht die Europäische Fussballunion Uefa einen Strich durch die Rechnung. 1998 verbietet sie Unternehmen oder Einzelpersonen, gleichzeitig an mehreren Vereinen beteiligt zu sein. Das bestätigt erst der von Lewis und Co. angerufene Internationale Sportgerichtshof CAS in Lausanne, und dann weist 2002 auch die EU-Kommission eine Beschwerde gegen die Uefa ab. Zu jenem Zeitpunkt ist Lewis über die Enic neben dem FC Basel auch an den Glasgow Rangers, Vicenza Calcio, Salvia Prag, AEK Athen und Tottenham Hotspur beteiligt. Geblieben ist er bis ins Jahr 2015 der Eigentümer der Spurs.

1999 erscheint die UBS «wie ein guter Geist»

Der FC Basel aber hat 1999 ein Problem. Das alte Joggeli ist abgerissen, der St.-Jakob-Park entsteht, und der FCB spielt seine Heimpartien im Exil auf der Schützenmatte. Das nicht mal schlecht: Die Saison 1999/2000 beschliesst er unter seinem neuen Trainer Christian Gross sogar an dritter Stelle der Nationalliga A, so gut, wie seit der letzten Meisterschaft 1980 nicht mehr. Wirtschaftlich aber steht der FCB vor dem Kollaps. Und dann erscheint, schreibt die «Basler Zeitung» am 18. September 1999, «wie ein guter Geist» die erst 1998 durch eine Fusion entstandene Grossbank UBS.

Sie ist die Rechtsnachfolgerin des Bankvereins, ein Basler Geldhaus, das es schon immer gut gemeint hat mit dem örtlichen Fussballclub. Dass FCB-Präsident Jäggi und der mächtige UBS-Boss Marcel Ospel Freunde aus gemeinsamen Basler Schultagen sind, ist sicher kein Nachteil, als die Lösung präsentiert wird: Die Bank zeichnet in den kommenden drei Jahren für jeweils 1,5 Millionen Franken zusätzliche Aktien der Marketing AG und erhöht darüber hinaus ihr Sponsoring auf einen jährlich siebenstelligen Betrag.



Rene C. Jaeggi, former president of the soccer club FC Basel, left, and Hanspeter Weisshaupt, EURO 2008 delegate for the host city Basel, right, pose at the official opening of the world watch and jewellery show 'Baselworld' in Basel, Switzerland, Thursday, April 3, 2008. Baselworld opens it's doors from April 3 to 10; over 100'000 business visitors from all over the world are expected in Basel. Totally 2'087 exhibitors from 45 countries will show their latest collections on an exhibition area of 160'000 square meters. (KEYSTONE/Georgios Kefalas)

«Notfallmässiger Stützgriff» – René C. Jäggi, bis 2002 Präsident des FCB, und der mit dem FCB eng verbundene  Banker Hanspeter Weisshaupt (rechts). Hier in einer Aufnahme von 2008 an der Baselworld, als Jäggi seine Tätigkeit beim Bundesligisten 1. FC Kaiserslautern hinter sich hatte und Weisshaupt als lokaler OK-Chef der Euro 2008 fungierte. (Bild: Keystone/Georgios Kefalas)

Der Aargauer Hanspeter Weisshaupt ist Verwaltungsratspräsident der Marketing AG, und – noch viel wichtiger – er ist Regional-Direktor der UBS für die Nordwestschweiz. Er kennt die Nöte des FC Basel, denn er war schon bei der Gruppe «Basler Unternehmen für den FCB» dabei, die 1990 auf Initiative des Bankvereins ins Leben gerufen worden war.

Neun Jahre später rettet das Engagement der Grossbank, die sich durch die Verbundenheit des Bankvereins mit dem FCB verpflichtet sieht, schlicht das Überleben des Clubs. Mit einem Budget von 8,5 Millionen Franken kalkuliert der Verein damals, fährt jedoch im Geschäftsjahr 1997/98 ein Minus von 2,275 Millionen ein und gibt 1998/99 sogar 2,89 Millionen mehr aus als er einnimmt. Auf über fünf Millionen summiert sich der Verlust, und das UBS-Geld umschreibt die «BaZ» hübsch als «notfallmässigen Stützgriff».

Unter Gigi Oeri entsteht die Holding AG

Weisshaupt, ein umsichtiger Banker mit Herz für den FC Basel, macht klar, dass die UBS keine weitergehenden Garantien übernimmt und sie die Verpflichtung zeitlich mit dem Einzug des FCB ins neue Stadion limitiert sieht. Als Jäggi am 14. Oktober 2002 als Präsident des FCB abtritt (um wenig später Vorstandsvorsitzender beim Bundesligisten 1. FC Kaiserslautern zu werden), hat Vize-Präsidentin Gigi Oeri Ende 2001 bereits die Mehrheitsbeteiligung der UBS an der Marketing AG übernommen, die zu diesem Zeitpunkt ein Aktienkapital von 8,5 Millionen Franken hat.

Jäggi rechnet in der «Sonntagszeitung» vor: «Etwa 70 Prozent besitzt die UBS, die Enic etwa 15 Prozent und für die übrigen sieben Personen bleiben zusammen 15 Prozent.» Das Wirtschaftsmagazin «Bilanz» will drei Jahre später, in der Ausgabe vom 1. September 2004 wissen, dass die UBS rund 10 Millionen Franken in den FCB gesteckt hat, und dass Marcel Ospel froh gewesen sei, ohne noch grössere Verluste aus der Sache herausgekommen zu sein. Er soll Gigi Oeri das Aktienpaket sogar zum Nulltarif weitergereicht haben.

Sie – die Marketing AG oder präziser ausgedrückt: Gigi Oeri – wird dem FCB bei seinem sportlichen wie ökonomischen Aufstieg noch manches Mal unter die Arme greifen, ehe die Marketing AG 2006 im Zuge der Ausgliederung des Profibetriebs in die «FC Basel 1893 AG» zur «FC Basel Holding AG» wird. Als Gigi Oeri im Januar 2012 als Präsidentin abtritt, hält sie 91 Prozent an der Holding – und reicht ihr Aktienpaket an den Nachfolger Bernhard Heusler weiter. Zu einem nicht bekannten, symbolischen Preis.

Ende 2009 steigt die UBS endgültig aus dem Sponsoring des FCB aus. Und die Basler Kantonalbank ein, mit einem 2010 von der «BaZ» geschätzten jährlichen Beitrag von 300’000 Franken, der sich mit der zunehmenden Bedeutung der öffentlich-rechtlichen Bankanstalt als Partner des FCB inzwischen deutlich erhöht haben dürfte.

Unterdessen überweist die FC Basel 1893 AG ihre Jahresüberschüsse aus Transfergeschäften und Champions-League-Teilnahmen umgekehrt an die Holding, die – steuertechnisch begünstigt – dem FCB wie eine Sparbüchse dient. Nach dem exorbitanten Geschäftsjahr 2014, als der FCB die 100-Millionen-Franken-Umsatzgrenze durchstösst, schlummert Eigenkapital in Höhe von 33 Millionen bei der Holding. So ungefähr muss der Plan ausgesehen haben, der Jäggi und Co. Ende der 90er-Jahre vorgeschwebt hatte.

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Dieser Beitrag stammt aus dem Buch «111 Gründe, den FC Basel zu lieben» von Florian Raz und Christoph Kieslich, erschienen 2015 im Verlag Schwarzkopf & Schwarzkopf

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