Wawrinka, der Entspannte

Stanislas Wawrinka zählt in der Schweizer Tennisszene als Nummer zwei hinter Roger Federer. Nach einem erfolgreichen 2013 könnte sich das für den frisch gebackenen «Schweizer des Jahres» nun ändern.

2013 war gross für Wawrinka, doch was kommt nun? (Bild: Rick Rycroft / Keystone)

Stanislas Wawrinka zählt in der Schweizer Tennisszene als Nummer zwei hinter Roger Federer. Nach einem erfolgreichen 2013 könnte sich das für den frisch gebackenen «Schweizer des Jahres» nun ändern.

Stanislas Wawrinka hat seinen Platz in der Welt des großen Tennis schon immer etwas entspannter gesehen. Deutlich entspannter jedenfalls als die, die ihm eine große Depression oder Frustration anhängen wollte, weil er eben nur die Nummer zwei hinter Roger Federer sei, der Schatten-Mann halt.

«Ich hatte nie auch nur das geringste Problem damit, Zweiter hinter Roger zu sein. Und es ging mir in meiner Karriere auch nicht darum, genau ihn, Roger Federer, zu überholen», sagt Wawrinka. Ein wenig sei er es «nur leid, das immer wieder und immer noch vielen erklären zu müssen.»
 
Auch nach seinem bisher stärksten Jahr im Wanderzirkus ist Wawrinka, der Realist, daher am wenigsten dem Irrglauben aufgesessen, er könne Federer als Referenz irgendwie loswerden. Der 28-jährige Romand, gerade zum «Schweizer des Jahres 2013» gekürt, weiss besser, dass er und Federer immer aneinander gemessen werden, solange sie beide noch aktiv sind auf den Courts – wenn auch in nächster Zeit in einer anderen Rollenverteilung.
 
Interessierte sich die Öffentlichkeit in vielen vergangenen Jahren eher dafür, wie es einer wie Wawrinka aushalten kann hinter dem Landsmann und Marktführer Federer, geht es nun darum, ob der Zweite es tatsächlich packen kann, der Erste zu sein. Und Erster zu bleiben. «Das mag eine interessante Story sein», sagt Wawrinka dazu, «aber für mich gilt genau so wie 2013: Ich schaue auf mich, auf meine Leistung, auf mein Vorankommen. Dann bin ich stark.»

Wawrinkas Wahrnehmung

Das klingt auch keineswegs mehr so bemüht, wie es vielleicht in anderen Jahren geklungen hätte. In Jahren, in denen Wawrinka seine Karriere wegen seiner schwachen Nerven nicht so richtig im Griff hatte. 2013, die stärkste Saison mit den wertvollsten Ergebnissen, hat da vieles verändert. Die öffentliche Wahrnehmung von Wawrinka. Die eigene Wahrnehmung Wawrinkas. Und die Wahrnehmung von Wawrinka durch andere in dieser brutal leistungsorientierten Arbeitswelt.

«Stan hat allen Grund und die Berechtigung zu sagen: Was zählt, sind meine Erfolge. Nicht, was ich gegenüber einem Roger Federer erreicht habe», sagt der schwedische Ex-Star Mats Wilander, «er hat sich sozusagen selbst als Marke aufgebaut.» Und deshalb konnte er auch solch schöne Preise erringen wie nun den Titel des «Schweizer des Jahres», eine Auszeichnung, die ihn fernab der Heimat in Melbourne ziemlich stolz machte: «Es ist eine große Ehre für mich. Ich nehme es auch als Ansporn für die Zukunft.»
 
Wawrinka hat sich sportlich von Federer emanzipiert, ohne deswegen schon gleichberechtigt im Status zu sein. Daran würde sich auch nichts ändern, wenn er bald in dieser neuen Saison den 17-maligen Grand Slam-Champion überholen würde in der Weltrangliste. «Roger ist der größte Spieler aller Zeiten. Deshalb gebührt ihm auch diese Aufmerksamkeit», sagt Wawrinka, «wie sollte ich mich daran stören.»
 
Und erst recht, weil einer wie Wawrinka nie vergisst, was passiert, wenn er selbst gut spielt und Titel gewinnt: «Dann ist Roger der Erste, der anruft, um mir zu gratulieren.» Verändern soll sich das auch nicht, jetzt nicht und auch in Zukunft nicht: «Diese Freundschaft mit Roger betrachte ich schon als Privileg.»

Ein wichtiges Jahr

2014 wird ein wichtiges Jahr für Wawrinka, den zweiten Schweizer im Eliterevier der besten zehn Tennisspieler. Denn um seine Position in der Gipfelregion und den festen eigenen Glauben an seine Qualitäten zu stärken, darf sich «Stan, the Man» keinen Schlendrian leisten. Und schon gar nicht einen Rückfall in die tristeren Zeiten als Chancentod, als eines Mannes, der sich bei den Big Points irgendwie klein macht und kleinkriegen lässt.
 
Indizien für einen solchen Absturz gibt es indes keine, im Gegenteil: Die Spielserie hat der 28-jährige trefflich eröffnet mit seinem Erfolgscoup im indischen Chennai und sich damit auch eine Plattform für erfolgreiches Auftreten in Melbourne geschaffen.
 
Wawrinka hat eine etwas günstigere Auslosung als Federer erwischt, aber leicht ist das Leben als nunmehr gejagter Top Ten-Artist nicht mehr. Übersteht der Weltranglisten-Achte das Auftaktmatch gegen den Kasachen Golubew (ATP 86) und die erste Grand Slam-Woche, wird es zwangsläufig brenzliger.
 
Im Achtelfinale könnte der Franzose Richard Gasquet warten, danach käme es dann wohl zum brisanten Revancheduell mit Novak Djokovic, dem Titelverteidiger. Damals, im Januar 2013, hatte Wawrinka bei der Fünf-Satz-Schlacht gegen den Serben erstmals seine neue Wertigkeit im Spitzentennis angedeutet. Nun muss er seine Power und Pokaltauglichkeit auch auf Grand Slam-Niveau bestätigen. Der andere, der neue, der bessere Wawrinka.

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