Nicht nur, dass Roger Federer vor dem Davis-Cup-Final mit dem «Rücken der Nation» für ein kollektives Mitzittern sorgt – seine Gattin Mirka soll beim Halbfinal des ATP-Finals in London Landsmann Stan Wawrinka auf die Palme gebracht haben.
Ungefähr in jenem Augenblick, da Boris Becker sich am Sonntagabend in den Katakomben der O2-Arena als Weltmeister-Trainer feiern liess und später mit Djokovic und dem ganzen Team den Pott in die Höhe reckte, verliess Roger Federer durch einen Seitenausgang den Hallenpalast von London. Es war das Ende von einem der frustrierendsten Tage in seiner Karriere mit 1221 Matches. Nur drei Mal konnte Federer verletzungsbedingt nicht antreten – und nun ausgerechnet im ATP-Finale wegen Rückenprobleme.
«Ich hoffe, alles wird ein bisschen besser sein in ein paar Tagen», sagte Federer noch vor dem Abgang. Wie viel Hoffnung in seinen Worten steckte, rechtzeitig für das Davis-Cup-Endspiel gegen Frankreich in Lille fit zu werden, war schwer abzuschätzen. Es herrscht in der Tennis-Schweiz so etwas wie ein kollektives Zittern um den «Rücken der Nation».
Nicht nur Djokovic gewinnt – auch Frankreich
Eins jedenfalls stand fest nach dem denkwürdigen Londoner Wochenende, an dem eine Weltmeisterschaft ohne Match entschieden wurde: Sieger war nicht nur Nummer-1-Mann Novak Djokovic, sondern auch der Schweizer Davis-Cup-Gegner Frankreich. Während die Tennis-Musketiere nach einer konzentrierten Trainingswoche in Bordeaux in die engere Vorbereitung am Endspielort eintraten, sind die Schweizer schon vor den ersten Ballwechseln in ein Verletzungs- und Stimmungstief gerutscht.
Dass Federer sich am Abend seines Verletzungsrückzugs nicht mehr zu einem regulären Pressegespräch stellte, hatte offenbar auch mit den verschiedenen Kalamitäten im eidgenössischen Lager zu tun – denn dann hätte der 33-Jährige sicher Fragen zu einem kolportierten Krach zwischen ihm und Stan Wawrinka beantworten müssen.
Wawrinka und Mirka Federers Zwischenrufe
Während des Schweizer Halbfinalduells am Samstagabend jedenfalls hatte sich Wawrinka, das berichteten Augen- und Ohrenzeugen am Centre Court, über andauernde Zwischenrufe von Federer-Gattin Mirka beschwert. Wörtlich soll Wawrinka gesagt haben: «Das hat sie auch schon in Wimbledon so gemacht.»
TV-Kommentator John McEnroe gab später zu Protokoll, es habe nach ihm zugetragenen Informationen in der Kabine ein «längeres, stressreiches Gespräch» zwischen den beiden Davis-Cup-Kollegen gegeben. Tatsächlich erschien Federer erst um ein Uhr morgens zu seiner Halbfinal-Pressekonferenz, obwohl er eigentlich jede freie Minute Ruhe- und Entspannungszeit vor dem Endspiel hätte gebrauchen können.
Federers extrem hohe Matchfrequenz
Dass Federer nun ausgerechnet vor dem finalen Davis-Cup-Wochenende wegen der alten, neuen Rückenbeschwerden um sein Mitwirken bangen musste, kam allerdings auch nicht wie ein Schicksalsschlag aus dem Nichts.
Denn der älteste Spieler in der Elitegruppe des Welttennis hatte sich in dieser Saison ein ungewöhnlich hartes Arbeitsprogramm aufgehalst, mit den vier WM-Partien von London kam er nun auf 83 Matches. Zum Vergleich: Der sechs Jahre jüngere Djokovic bestritt nur 69 Spiele, Landsmann Wawrinka gar bloss 55 Spiele.
Besonders Berater Stefan Edberg hatte die hohe Matchfrequenz empfohlen, die sei im Zweifelsfall immer noch besser als längere Trainingsperioden. Davis-Cup-Coach Lüthi erklärte, Teamarzt Roland Biedert werde sich jetzt gemeinsam mit Physiotherapeut Daniel Troxler intensiv um Federer kümmern: «Wir hoffen, dass Roger bis Freitag wieder fit ist. Das werden die nächsten Tage zeigen.»
Auch Wawrinka nicht taufrisch
Auch Wawrinka wirkte im Halbfinal-Krimi gegen Federer, bei dem er vier Matchbälle vergeben hatte, nicht gerade taufrisch. In der Endphase des Spiels plagten ihn mehrfach Krämpfe. Zudem hatte er in der ganzen Turnierwoche von London bereits im linken Bein Beschwerden gehabt und deshalb sogar einmal das Training abbrechen müssen.
Und nun wartet auf sie alle, auf Federer, Wawrinka und Co., der Gang auf den Sandplatz von Lille, mit zermürbenden, stundenlangen Duellen gegen sehr ausgeruhte Franzosen.