Wenn Ammann springt, springt ein Stück Basel mit

Simon Ammann hat am Samstag die Chance, zum fünften Mal Olympiagold zu gewinnen. Seine Bindung, vom Basler Medizinaltechnikunternehmen Medartis entwickelt, brachte vor vier Jahren die Österreicher in Rage – die Optimierung für Sotschi scheint jedoch keine Wunderwaffe mehr zu sein.

Switzerland's Simon Ammann makes an attempt in training for the men's normal hill ski jumping at the 2014 Winter Olympics, Thursday, Feb. 6, 2014, in Krasnaya Polyana, Russia. (AP Photo/Matthias Schrader) (Bild: Keystone/MATTHIAS SCHRADER)

Simon Ammann hat am Samstag die Chance, zum fünften Mal Olympiagold zu gewinnen. Seine Bindung, vom Basler Medizinaltechnikunternehmen Medartis entwickelt, brachte vor vier Jahren die Österreicher in Rage – die Optimierung für Sotschi scheint jedoch keine Wunderwaffe mehr zu sein.

Es war einer der grossen Aufreger an den Olympischen Winterspielen in Vancouver vor vier Jahren: Simon Ammann sprang auf der Normalschanze zu seinem dritten Olympiagold, die Österreicher drohten, Protest gegen die damals revolutionäre Bindung des Schweizers einzulegen, liessen schliesslich davon ab – und sahen Tage später Ammanns Sprung zu dessen vierter Goldmedaille.

Die Österreicher fühlten sich betrogen, und der Schweizer Sportminister Ueli Maurer konterte vor den Kameras des Schweizer Fernsehens: «Ich betrachte das als peinlich und hoffe, die Österreicher besinnen sich auf besseres Springen.»


Quelle: Schweizer Fernsehen, Tagesschau vom 19. Februar 2010

An der Misere der Österreicher mitschuldig war das Basler Medizinaltechnikunternehmen Medartis, welches Ammanns Skibindung entwickelte. Das Neuartige daran: Der Zapfen, welcher die Ferse des Springers mit dem Ski verbindet, war leicht gekrümmt und nicht gerade wie bei anderen Athleten. Das brachte Ammann mehr Auftriebsfläche und somit eine bessere Flugposition. Inzwischen wird das gebogene Hinterteil der Bindung längst auch von anderen Nationen gesprungen.

Seit Generationen dem Skispringen verbunden

Wenn der erfolgreichste Schweizer Winterolympionike am Samstag auf der Grossschanze in Sotschi sein fünftes Olympiagold anstrebt, fliegt auch Medartis wieder mit.

Thomas Straumann, Besitzer des Grand Hotel Les Trois Rois und Mäzen des CSI Basel, gründete das Unternehmen 1997 und steht ihm als Verwaltungsratspräsident vor. Bereits sein Vater und Grossvater fühlten sich dem Skispringen verbunden und leisteten gemäss Medartis Sponsoringbeiträge in der Sportart, die vor Simon Ammanns Erfolgen in der Schweiz eher ein Nischendasein fristete.

Hinsichtlich der Spiele in Sotschi war das Unternehmen nach Vancouver zum zweiten Mal an der Entwicklung von Ammanns Bindung beteiligt. Dabei «handelt es sich nicht um eine neue Bindung, sondern lediglich um eine Optimierung», sagt Christian Stahl, Medienverantwortlicher für die Nordischen bei Swiss Ski. Was genau optimiert wurde, ist jedoch nicht bekannt. Medartis-CEO Willi Miesch lässt ausrichten, dass zu Fragen bezüglich der Bindung «keine Auskünfte erteilt» werden.

Ammann flog mit optimierter Bindung auf Rang 17

Nach dem Wettkampf auf der Normalschanze scheint inzwischen aber klar, dass es sich nicht wie in Vancouver erneut um eine Wunderbindung handelt: Amman beendete die Konkurrenz auf dem 17. Rang.

Schon besser sah es allerdings am Donnerstag im zweiten Training auf der Grossschanze aus: Ammann flog beim ersten Sprung auf den zweiten Platz, ehe er beim zweiten stürzte (Platz 17). Der dritte Sprung war ebenfalls eher mässig – Platz 37.

Die Absage an den Garagentüftler

Weiter als er flogen auf der Normalschanze unter anderem Mikhail Maksimochkin, der mit 104 Metern den zweiweitesten Flug aller Springer zeigte. Zwar war der Russe in der Endabrechnung hinter Ammann klassiert, zeigte mit dieser Weite aber, dass er aus seinem Bindungsmaterial einiges herauszuholen vermochte.

Die Bindung des Russen entwickelte gemäss eigener Aussage Ilkka Tuomikoski. Der finnische Garagentüftler und ehemalige Springer ist der Vater der Bindung, die Ammann bei seinen ersten zwei Goldmedaillen bei den Spielen 2002 in Salt Lake City einsetzte. Den Unterschied machte damals der gerade Zapfen, der Ferse und Ski verband, während bei anderen Springern eine Schnur diese Funktion übernahm.

Er, Tuomokoski, habe dem Team um Simon Ammann vor den Spielen in Sotschi eine Weiterentwicklung derjenigen Bindung angeboten, mit welcher Maksimochkin auf der Normalschanze besagte Weite erreichte. Ammann und sein Team haben laut dem Finnen aber kein Interesse gehabt.

Die konservativen, neidischen und stolzen Leute im Skispringen

Swiss Ski hat dazu keine Stellung genommen – und Tuomikoski spekuliert seinerseits über die Gründe: «Die Leute im Skispringen sind zu konservativ und neidisch, um anderer Leute Ideen zu testen. Und viele Trainer sind zu stolz, Hilfe aus dem Ausland anzunehmen.»

Bei Bernie Schödler, dem Disziplinenchef der Skispringer, sei er allerdings immer auf offene Ohren gestossen. Dass Tuomikoskis Bindung von Ammann in Sotschi nicht gesprungen wird, dürfte also vor allem an der engen Zusammenarbeit mit Medartis liegen, aus der sich der Springer und sein Team viel erhoffen.

Nächster Artikel