Die Griechen gefallen sich an der Euro 2012 in der Rolle des Aussenseiters, wie 2004. Ihre Stärken liegen in der Defensive, wie 2004. Aber werden sie deswegen auch gleich wieder Europameister wie 2004? Die Chancen stehen schlecht, erste Antworten liefert das Startspiel gegen Polen.
Wenn es einen EM-Teilnehmer gibt, der weiss, wie angenehm die Rolle des Aussenseiters sein kann, dann sind es die Griechen. Beim Kontinentalturnier von 2004 rechneten die Experten vor jeder Partie aufs Neue mit einer Niederlage der Südeuropäer, doch am Ende gewann die Mannschaft tatsächlich den Titel.
Es ist also kein Wunder, dass sich das Team auch in diesem Jahr vor dem Eröffnungsspiel gegen die Polen bequem in der Rolle des Underdogs eingerichtet hat. «Die Polen spielen in ihrer Heimat, die haben das ganze Stadion hinter sich», sagt Kyriakos Papadopoulos, der Defensivspezialist des FC Schalke 04. Und weil es keinen Griechen gibt, der für eine europäische Spitzenmannschaft spielt, wird den Griechen wieder einmal nicht zugetraut, die Viertelfinals zu erreichen.
Dabei haben sie Beachtliches geleistet, seit Fernando Santos 2010 das Traineramt von Otto Rehhagel übernommen hat. Die Griechen qualifizierten sich als Gruppenerster für die EM, in der Weltrangliste stehen sie derzeit auf Platz 15 (während Polen 62. ist), und das letzte Pflichtspiel verlor diese Mannschaft bei der missratenen WM 2010 in Südafrika.
Der Trainer lobt den Geist der Mannschaft
Auch wenn die Griechen keine Fussballspektakel aufführen, ist es unglaublich schwer sie zu besiegen. «Unsere Stärke ist der Geist der Mannschaft», sagt Santos, der von der «grossartigen Leidenschaft» seiner Spieler schwärmt. Und die Teilnahme am Eröffnungsspiel ist schon 2004 der Auftakt zum Erfolgsturnier gewesen, damals gelang ein erstaunlicher 2:1-Sieg gegen Portugal. Mit Torhüter Konstantinos Chalkias, Georgios Karagounis und Konstantinos Katsouranis sind sogar noch drei Spieler von damals mit dabei im polnischen Trainingslager, das die Griechen im Legionowo vor den Toren Warschaus aufgeschlagen haben.
Der Papadopoulos war hingegen noch ein Kind in jenen wundersamen Wochen vor acht Jahren. «Wir waren damals blau-weiss angemalt und sind nach dem Sieg im Endspiel wie die Irren auf die Strasse gerannt, um zu feiern», erinnert er sich an den Finalabend. Und er erkennt neben der Teilnahme am Eröffnungsspiel noch weitere Parallelen zu 2004. «Am besten sind wir in der Defensive», sagt der 20-jährige Innenverteidiger, der zum letzten Testsiel gegen Armenien in der vorigen Woche den 1:0-Siegtreffer beisteuerte.
Es wird ein wenig mehr Fussball gespielt – mit Betonung auf «ein wenig»
Ein klein wenig modifiziert wurde das Spiel des Teams aber trotzdem während der vergangenen beiden Jahre. «Wir versuchen ein bisschen mehr Fussball zu spielen als unter Rehhagel», sagt Papadopoulos. Ausserdem werde etwas offensiver verteidigt, die Elemente Zusammenhalt und Defensive bleiben aber stilbildend.
Wirklich neu ist hingegen, dass die Krise in der Heimat «ein zusätzlicher Faktor für uns ist», wie Captain Karagounis sagt. «Wir möchten den Leuten Freude bereiten.» Und Nikolaos Lymperopoulos nimmt sogar die Wut von den Strassen Athens mit nach Warschau. «Wir sind alle eine geballte Faust», sagt er. Was allerdings nichts daran ändert, dass die Offensive das grosse Problem dieser Mannschaft bleibt.
Die Problemzone bleibt der Angriff
Das schnelle Umschalten des modernen Fussballs gehört nicht zu den Qualitäten dieser Griechen. Theofanis Gekas hat in dieser Saison bei Samsunspor in der Türkei den dritten Abstieg mit dem dritten Team in Serie erlebt, zuvor hatte er den Klassenerhalt mit Hertha Berlin und Eintracht Frankfurt verpasst. Und weil der 32-Jährige erst noch mit einer Bänderverletzung ins Trainingslager gereist ist, gilt Georgios Samaras von Celtic Glasgow als gefährlichster Stürmer. Der 27-Jährige ist allerdings ein eher hölzerner Typ, wirkt oft schwerfällig und braucht zu viele Chancen.
«Wir sind nicht Deutschland und haben nicht die Individualisten, um einem Spiel 20 oder 30 Torchancen zu haben», sagt Papadopoulos. Dafür haben sie aber den 20-Jährigen Schalker, der eine enorme Kopfballstärke mitbringt. Und Kopfbälle nach Standardsituationen waren schon 2004 ein Schüssel zum Erfolg.