In der Saison 2014/15 hat der FC Basel erstmals an einer Verletzungsstudie der Uefa teilgenommen. Die Resultate ergeben, dass sich die Spieler des Schweizer Meisters im Vergleich zu europäischen Spitzenclubs selten schwer, dafür häufiger verletzen – ein Blick in das Bulletin.
Das Leben kehrt zurück auf das Übungsgelände des FC Basel, nachdem in den letzten Wochen gerade mal noch eine Handvoll Akteure der ersten Mannschaft anwesend waren. 15 Nationalspieler fehlten, auf den Trainingsplätzen herrschte die Ruhe, an die sich die Basler während der Länderspielpausen inzwischen gewöhnt haben.
Für einen Angestellten sind Nationalmannschaftstermine jedoch keine ruhigen Tage: Markus Rothweiler verfolgt die Nationalspieler jeweils auf Schritt und Tritt. Nicht physisch, sondern virtuell. Der Clubarzt zeichnet auf, welcher Spieler bei welcher Landesauswahl wie oft und wie lange zum Einsatz kommt – und vor allem: ob er sich dabei verletzt. Dafür hat sich Rothweiler eine Liste von Internetseiten angelegt, die ihm die Erhebungsarbeit erleichtert.
Der FCB verfolgt ein Ziel: Er will eine Datenlage schaffen, die es ihm erlaubt, die medizinische Betreuung des Kaders zu überprüfen – und wo nötig zu verbessern. Die lange Verletztenliste zu Beginn der laufenden Saison unterstreicht die Wichtigkeit dieser Bemühungen.
Zum ersten Mal dabei in der Studie, die seit 14 Jahren läuft
Die Basler erfassen jedes Training, jede Wettbewerbspartie, jeden Spieler. Sie gehen diesen Weg im Rahmen der Verletzungsstudie des europäischen Fussballverbandes Uefa, der diese seit 14 Jahren für die Topvereine realisiert.
Die Studie gibt dem Schweizer Meister Auskunft darüber, wo er in medizinischen Belangen im europäischen Vergleich steht. 2014/15, in der Spielzeit unter Paulo Sousa also, hat der FCB erstmals während einer ganzen Saison Daten erfasst und an der Studie teilgenommen.
Die Resultate in der Zusammenfassung
Der FCB hat der TagesWoche Einsicht in einen Teil der Resultate gewährt. Darin ersichtlich sind jeweils die Werte der Basler, diejenigen der anderen Teams sind anonymisiert. Für die Saison 2014/15 ergeben sich für den FC Basel im Vergleich zu den 22 europäischen Vereinen, allesamt Champions-League-Teilnehmer, zusammengefasst folgende Resultate:
- Wenige Spieler verletzten sich schwer.
- Viele Spieler verletzten sich.
- Die Verletzten kehrten rasch wieder auf den Platz zurück.
- Die Rückfallquote in alte Verletzungen lag im Durchschnitt.
- Verletzungen entstanden eher im Training als im Spiel.
- Die Belastung der Spieler entsprach dem europäischen Durchschnitt.
Die Aussagekraft der Studie ist allerdings beschränkt: Einerseits kann der Zufall eine Rolle spielen, andererseits darf man «den europäischen Quervergleich nicht überbewerten, da die Mannschaften ganz verschiedene Programme haben», wie Rothweiler sagt.
Deswegen müssen die Resultate genauer betrachtet werden:
1. Die FCB-Spieler verletzen sich selten schwer
In der Studie laboriert ein Spieler an einer schweren Verletzung, wenn er mehr als 28 Tage ausfällt. Beim FCB traf das auf Ivan Ivanov und Marco Streller zu. Diese zwei Fälle sind 3,2 Prozent der total 63 Verletzungen. Bei den europäischen Vergleichsclubs liegt der Wert bei 15,9 Prozent.
Am häufigsten waren die Basler «minimal» verletzt (1–3 Tage Absenz). Die europäischen Vereine beklagen am meisten «mittelschwere» Verletzungen (8–28 Tage).
Schweregrad der Verletzungen | ||||||
---|---|---|---|---|---|---|
Training | Spiel | Total | ||||
Schwere der Verletzung | FCB | Europa | FCB | Europa | FCB | Europa |
% | % | % | % | % | % | |
gering (0 Ausfalltage) | 5,4 | 0,8 | 3,8 | 0,4 | 4,8 | 0,6 |
minimal (1-3) | 45,9 | 21,7 | 46,2 | 16,6 | 46,0 | 18,8 |
leicht (4-7) | 27,0 | 24,0 | 23,1 | 24,2 | 25,4 | 24,1 |
mittelschwer (8-28) | 18,9 | 38,5 | 23,1 | 42,3 | 20,6 | 40,7 |
schwer (> 28) | 2,7 | 15,1 | 3,8 | 16,6 | 3,2 | 15,9 |
Total | 100 | 100 | 100 | 100 | 100 | 100 |
2. Der FCB hat viele Verletzte
Zwar waren die meisten Verletzungen beim FCB «minimale» und «milde», mit einer Ausfallzeit von einem bis sieben Tagen. Die Gesamtzahl der Verletzungen ist mit 63 allerdings überdurchschnittlich hoch. Der europäische Durchschnitt liegt bei 41.
Rothweiler relativiert diese Zahlen: «Wir dokumentieren jegliche Abwesenheit eines Spielers, auch wenn es sich nur um eine kurze Pause beispielsweise wegen einer Muskelverhärtung handelt. Im engeren Sinne handelt es sich dabei nicht um eine Verletzung. Ob die anderen Clubs solche Abwesenheiten ebenfalls erfassen, kann ich nicht beurteilen.»
Leicht über dem Durchschnitt liegt der FCB zudem bei der Verletzungsrate; bei dem Wert also, der die Anzahl der Verletzten mit der Belastung in Relation setzt. Sie liegt bei den Baslern bei knapp sieben. Das bedeutet, dass nach tausend Stunden Belastung für die ganze Mannschaft in Trainings und Spielen sieben Verletzungen auftreten.
3. Die FCB-Spieler kehren rasch auf den Platz zurück
Eng mit den genannten Zahlen verbunden ist die Aussage über die Zeitdauer, die ein Spieler braucht, um wieder trainieren und spielen zu können. Kein Verein brachte seine Akteure schneller wieder auf den Platz als der FC Basel.
Durchschnittlich brauchte es auf der Brüglinger Ebene dafür sieben Tage, bei den europäischen Vergleichsvereinen durchschnittlich 18.
4. Die FCB-Spieler erleiden durchschnittlich oft dieselbe Verletzung
Die Dauer der Ausfallzeit kann nicht losgelöst von den Rückfällen betrachtet werden. Von der Frage also, ob ein Spieler nach seiner Rückkehr die gleiche Verletzung wieder erleidet.
Sechs Mal erlitt ein Spieler des FCB eine Verletzung, nachdem er von ebendieser genesen war: drei bei Knorpel-, Sehnen- und Meniskusproblemen, drei bei Muskelproblemen. Das entspricht zehn Prozent aller Verletzungen und liegt im europäischen Durchschnitt (neun Prozent).
Rothweiler sagt zu diesen Zahlen, dass fünf der sechs Rückfälle auf Verletzungen zurückzuführen sind, die zu «einem chronischen Verlauf neigen». Dazu gehören beispielsweise Verletzungen an den Adduktoren oder an der Patellasehne. Die Rückfälle müssten vor diesem Hintergrund betrachtet werden.
5. Die FCB-Spieler sind ähnlich belastet wie die Akteure europäischer Spitzenvereine
In der Saison 2014/15 haben die Spieler des FC Basel in Meisterschaft, Cup, Champions League und mit der Nationalmannschaft 5,6 Partien pro Monat absolviert. Die Zahl liegt im europäischen Durchschnitt (5,7). Die Resultate der Studie basieren also auf der Tatsache, dass die FCB-Spieler weder eine höhere noch eine geringere Belastung hatten als die Akteure der europäischen Vergleichsclubs.
Gleiches gilt für die Verfügbarkeit: Der FCB hatte über die ganze Saison gesehen 90 Prozent der Spieler zur Verfügung, was leicht über dem Durchschnitt liegt. In diesen Zahlen erfasst sind nicht nur Verletzungen, sondern alle Abwesenheiten, also auch das Fehlen der Nationalspieler.
6. Die FCB-Spieler verletzten sich überdurchschnittlich oft im Training
Während sich bei den europäischen Vergleichsmannschaften die Mehrheit der Spieler ihre Blessuren im Match zuzogen, verletzten sich die Basler in 58 Prozent der Fälle im Training. Das könne wiederum damit zusammenhängen, dass der FCB auch kleinste Ausfälle erfasst, sagt Rothweiler.
Dies kann auch ein Grund sein, warum die Verletzungsrate im Training des FCB überdurchschnittlich hoch ist: 4,6 Verletzungen kommen in tausend Trainingsstunden zusammen, 2,7 sind es im europäischen Schnitt.
Für den Langzeitvergleich muss sich der FCB einkaufen
Rothweiler und der FCB wünschen sich nicht nur den Vergleich mit Europa. Sie wollen vor allem Daten über mehrere Jahre erfassen. Damit kann die medizinische Abteilung die Entwicklung ihrer Arbeit im Langzeitvergleich beurteilen. Aktuell verfügt der FCB nur über eine Momentaufnahme mit beschränkter Aussagekraft, «die Fallzahl ist momentan noch zu klein», wie Rothweiler sagt.
Das Problem der Basler ist, dass sie aus der Champions League ausgeschieden sind. Als Teilnehmer der Europa League ist der Schweizer Meister nicht automatisch zugelassen für die Studie. Der FCB muss sich einkaufen – und er hat entschieden, den vertraulichen Betrag zu bezahlen.
Der mögliche Zusammenhang zwischen Trainerstab und Verletzungen
Der FCB macht damit einen weiteren Schritt auf dem Weg, der noch vor einigen Jahren steinig war. «Wir haben in den 1990er-Jahren einmal versucht, solche Statistiken zu erheben. Aber die Unfallversicherung, die wir zwecks Daten kontaktierten, hat uns die Informationen aus Datenschutzgründen verweigert», blickt Rothweiler zurück. Die Uefa bietet mit den Berechnungen der Daten nun eine Dienstleistung an, die medizinischen Abteilungen erhalten ein zusätzliches Werkzeug.
Dieses Instrument will der FCB nutzen, denn Erfolg hängt auch von der Gesundheit der Mannschaft ab und Rothweiler glaubt, dass es einen Zusammenhang zwischen Verletzungen und dem Trainerstab geben kann: «Es gibt einen grossen Verein, und da kommen nicht viele infrage, der gewann in den 14 Studienjahren ungefähr 15 Titel. In dieser Phase standen vier Trainer an der Seitenlinie. Zwei von ihnen hatten viele verletzte Spieler, die zwei anderen wenige.»
Seit 14 Jahren realisiert der europäische Fussballverband Uefa mit Spitzenvereinen die Verletzungsstudie. In der Saison 2014/15 nahmen 23 Champions-League-Teams teil, darunter der FC Basel (Liste der Vereine siehe unten). Dazu kommen neun weitere Vereine, die ohne Teilnahme an der Königsklasse in die Studie integriert waren. Der FCB gehört in der Saison 2015/16 als Europa-League-Teilnehmer zu diesen Vereinen, deren Daten in der veröffentlichten Studie nicht integriert sind. Die Uefa anonymisiert die Resultate. Jeder Club erhält lediglich Einsicht in seine eigenen Daten, die Vergleichswerte können den anderen Mannschaften nicht zugeordnet werden.
Der FC Basel hat der TagesWoche eine Auswahl der Resultate zur Verfügung gestellt.
Teilnehmende Mannschaften in der Saison 2014/15 (nur Champions-League-Teams):
AFC Ajax, Arsenal FC, Athletic Club, Bayer 04 Leverkusen, Borussia Dortmund, Chelsea FC, Club Atlético de Madrid, FC Barcelona, FC Basel 1893, FC Bayern München, FC Porto, FC Shakhtar Donetsk, FC Zenit, Galatasaray AŞ, Juventus, Liverpool FC, Manchester City FC, NK Maribor, Paris Saint-Germain, Real Madrid CF, RSC Anderlecht, SL Benfica, Sporting Clube de Portugal.