Mit seinen Millionen-Engagements macht sich der russische Energiekonzern Gazprom im Fussball-Business beliebt. Die kritischen Stimmen zu dieser politisch zwiespältigen Partnerschaft werden kaum noch wahrgenommen.
Franz Beckenbauer ist in der vorigen Woche lieber nicht in den Weltsaal des Auswärtigen Amtes nach Berlin gekommen. Das Deutsch-Russische Forum hatte den Titel zur Veranstaltung «Faszination Fussball: Noch einmal – Zu Gast bei Freunden» für seine Jahreskonferenz gewählt, auf der Wolfgang Niersbach, der Präsident des Deutschen Fussball-Bundes und sein russischer Amtskollege Nikolaj Tolstych eine engere Zusammenarbeit für die kommenden Jahre vereinbart haben. Es gab Vorträge bedeutender Funktionäre, und natürlich waren auch ein paar Führungskräfte des im Fussball massiv engagierten Staatskonzerns Gazprom vor Ort. Eigentlich liebt Beckenbauer solche Anlässe.
Der Deutschlandfunk mutmasst über die Absage des Fussballkaisers: «Ziemlich sicher hätte sein Auftritt für Medienwirbel gesorgt. Aber den kann Russland augenblicklich nicht gebrauchen.» Die Russen haben mittlerweile nämlich ganz gut gelernt, in welchen Momenten sie sich der kritischen westeuropäischen Öffentlichkeit präsentieren und wann sie ihre Geschäfte lieber ohne allzu grosse Aufmerksamkeit vorantreiben. Russlands eng mit dem Regime von Wladimir Putin verflochtener Fussball ist gerade eifrig dabei, Brücken nach Westeuropa zu schlagen, und immer wieder ist es Gazprom, der wichtigste Sponsor von Schalke 04, der hier eine zentrale Rolle spielt.
Auch die Königsklasse lässt sich Gazprom etwas kosten
Seit dieser Saison gehört der Staatskonzern zum illustren Kreis der Premium-Sponsoren, die in der Champions League werben, was angeblich 40 Millionen Euro jährlich in die Kasse der Uefa kostet. Beckenbauer lässt sich gut dafür bezahlen, dass er die Russische Gasgesellschaft (RGO), deren wichtigstes Mitglied Gazprom ist, mit seiner Popularität unterstützt. Und nicht zuletzt hilft Schalke 04 dabei, russische Interessen in Deutschland zu vertreten. Auch am Mittwochabend beim Gastspiel in London beim FC Arsenal werden die Königsblauen ihre Trikots mit der kleinen weissen Flamme tragen, und damit indirekt für ein höchst zweifelhaftes Regime werben.
Das sagt jedenfalls Jürgen Roth. Der Journalist hat im Frühjahr eine imposante Recherche über die dunklen Seiten des Gazprom-Konzerns («Das unheimliche Universum») publiziert und sagt: «Gazprom ist ein bedeutendes Machtinstrument zur Stabilisierung des Systems Putin und das ist ein undemokratisches System.»
Der Vorwurf der Unglaubwürdigkeit
Natürlich kennt Roth die finanzielle Zwangslage, in der der FC Schalke sich befand, als der Deal mit Gazprom 2007 zustande kam, das hält ihn aber nicht von einem klaren Urteil über die Kooperation des Bundesligisten mit den Russen ab: «In dem Moment, wo man sich für ein undemokratisches System hergibt, Propaganda macht, dann macht man sich als Person und als Unternehmen vollkommen unglaubwürdig.» Aber selbst das ZDF, seit dieser Saison Livesender aus der Königsklasse, kommt nicht umhin, an jedem Champions-League-Spieltag das allgegenwärtige Gazprom-Logo in die deutschen Wohnzimmer zu übertragen.
Die Schalker reagieren auf solche Vorwürfe mit dem Reflex, der immer kommt, wenn Sportorganisationen moralisch angreifbare Verbindungen zu Staaten oder Konzernen rechtfertigen müssen. «Natürlich sind wir uns bewusst, dass Gazprom auch politisch ein enormes Gewicht in Russland hat», sagt Alexander Jobst, der Marketingchef des Bundesligisten, betont aber im nächsten Satz, «dass wir uns als Verein, aus politischen Interessensgelagen bewusst heraushalten.»
Nur noch wenige Schalke stört der Deal
Die Schalker sind ihrem freizügigen Sponsor zu grossem Dank verpflichtet. Erst im Mai wurde die lukrative Zusammenarbeit – die Rede ist von 15 Millionen Euro jährlich – um weitere fünf Jahre bis 2017 verlängert. und für die meisten Fans, deren Herz am FC Schalke hängt, ist das ein ziemlich beruhigendes Gefühl.
Dass der Schalker Anhang sich selbst und seinen Kindern das Trikot mit der Flamme inzwischen ohne jedes Unbehagen überstreift, findet Susanne Franke, die Vorsitzenden der Schalker Fan-Initiative, allerdings befremdlich. «Die Leute haben sich mehr echauffiert bei Trikots in falschen Farben», sagt sie in Anspielung auf die lila Auswärtstrikots der Vorsaison, «das hat die Gemüter mehr erregt als die Flamme.» Mit einigen wenigen Mitstreitern weigert sie sich beharrlich, Gazprom-Fanartikel zu benutzen.
In den ersten Monaten nach Bekanntwerden Deals mit dem Konzern, dessen Gewinne 20 Prozent des russischen Staatshaushaltes ausmachen, gab es noch eine Debatte über die moralische Seite der Kooperation mit dem Gasunternehmen, an der sich viele Schalker beteiligten. Dass jetzt nur noch dieses kleine Grüppchen der aktiven Skeptiker übrig ist, dürfte die Russen sehr freuen. Denn der Gewöhnungsprozess auf Schalke zeigt, dass Fussball ein perfektes Terrain ist, um Ressentiments aus der Welt zu schaffen. Zumindest, wenn es gelingt, keine negativen Schlagzeilen zu produzieren.