Wie Wawrinka an sich selbst scheiterte

Zu viel lastete auf Stanislas Wawrinkas Schultern: Der als «Favoritenkiller» gehandelte Waadtländer spielte am French Open ohne Plan, ohne System, ohne Ordnung – und schied am ersten Arbeitsstag in Paris aus.

Nach dem ersten Match war schon Schluss: Stanislas «Stan» Wawrinka unterlag am French Open dem Spanier Guillermo Garcia-Lopez. (Bild: MICHEL EULER)

Zu viel lastete auf Stanislas Wawrinkas Schultern: Der als «Favoritenkiller» gehandelte Waadtländer spielte am French Open ohne Plan, ohne System, ohne Ordnung – und schied am ersten Arbeitsstag in Paris aus.

Auf den leisen Spott musste der Geschlagene nicht lange warten. Kaum war der stolze Australian-Open-König Stanislas Wawrinka in der ersten Grand-Slam-Runde von Paris ausgerutscht, ziemlich heftig sogar beim 4:6, 7:5, 2:6 und 0:6 gegen den Spanier Guillermo Garcia-Lopez, da hielt man im Internet auch schon einen Vorschlag für den geknickten Schweizer bereit: Er solle einfach seine kürzlich von der Spielergewerkschaft ATP verfügte Namensänderung von Stanislas zu Stan wieder rückgängig machen. Schliesslich habe er als Stanislas Wawrinka all seine bemerkenswerten Triumphe errungen, ob zu Saisonbeginn in Melbourne gegen Rafael Nadal oder im Frühling beim Masters-Turnier in Monte Carlo gegen Roger Federer.

Die schwere Last, ein Champion zu sein

Wenn es nur so einfach wäre für den spätberufenen Eidgenossen, der seit seinem Aufstieg in die engere Weltspitze schwer an der Last trägt, ein Champion zu sein. Hochgehandelt war er nach Paris gereist, als der ernsthafteste Herausforderer für Nadal, Djokovic oder auch Federer – doch am Ende scheiterte er nicht an einem der Branchenriesen spät im Turnier, sondern an sich selbst – auf den allerersten Metern im roten Sand.

«Am Ende war nur noch eine grosse Leere.»


Stanislas Wawrinka

Der Favoritenkiller der letzten Monate, der unter dem eingängigeren Künstlernamen Stan noch mehr Strahlkraft entwickeln sollte, spielte ohne Plan, ohne System, ohne Ordnung. Und ohne diese verzehrende Leidenschaft, die ihn ausgezeichnet hatte bei seinen stürmischen, siegreichen Einsätzen rund um die Welt. «Am Ende war nur noch eine grosse Leere», sagte der mental blockierte Wawrinka nach dem bitteren Scheitern auf dem Center Court, bei dem er 62 leichte Fehler in den vier Akten des Niederlagen-Dramas angehäuft hatte.

So selbstbewusst sich Wawrinka, die Nummer 3 der Welt, noch am Samstag als Mitbewerber um die Roland-Garros-Krone vor den Journalisten präsentiert hatte, so kleinlaut gab er sich in der Stunde der Niederlage: «Ich bin kein Nadal, kein Djokovic und kein Federer. Die haben mit Anfang 20 ihre ersten Grand Slams gewonnen, ich mit fast 30», sagte Wawrinka. «Es macht keinen Sinn, mich auf diese Stufe zu heben. Seit den Australian Open sei sein Respekt für die langjährigen Spitzenkräfte «noch viel grösser», so Wawrinka, «denn jetzt sehe ich, was es bedeutet, da ganz vorne zu stehen. Das ist eine unglaubliche Leistung.»

Zu viele Zweifel und Unsicherheiten

Von der Selbstverständlichkeit und Routine, mit der seine stärksten Kollegen an der Spitze arbeiten, ist Wawrinka weit entfernt. Zu viele Zweifel und Unsicherheiten begleiten ihn, wenn er dieser Tage auf einen Spielplatz marschiert. «Im Training spiele ich Weltklasse. Wenn es dann in einem Match nicht gleich läuft, ärgere ich mich sofort – und habe Riesenprobleme», sagt der 28-Jährige, «dann fällt alles auseinander.»

So wie auch in der Partie gegen Garcia-Lopez, in der Wawrinka in den letzten beiden Sätzen nur noch zwei Spiele gewann und mit hängendem Kopf und hängenden Schultern über den Platz trottete – nur noch ein müdes Abbild des Fighters, den sie in Melbourne «Stanimal» nannten.

Er, Stan oder Stanislas Wawrinka, braucht einfach wieder Freude am Spiel.

Oft schaute Wawrinka in seiner Not hinauf zur Ehrentribüne, zu seinem Coach Magnus Norman, zum Schweizer Davis Cup-Kapitän Severin Lüthi, zum Rest seiner Entourage. Einmal schrie er: «Wie soll ich da noch herauskommen?»

Die Antwort wird er sich, über den Tag des Scheiterns hinaus, aber selbst geben müssen. Und vielleicht liegt die Antwort auch darin, all das Branchengerede von einem Umsturz der Tennis-Hackordnung zu vergessen, diese Szenarien, in denen er, Wawrinka, schon als der gehandelt wurde, der das Establishment der Tour richtig durcheinanderwirbeln kann.

«Ich muss mich ganz auf mich konzentrieren. Darauf, das Puzzle wieder zusammenzusetzen», sagte Wawrinka am späten Montagabend, als sein erster und einziger Arbeitstag an den French Open 2014 vorüber war. Er hätte es auch noch klarer und unmissverständlicher ausdrücken können: Er, Stan oder Stanislas Wawrinka, braucht einfach wieder Freude am Spiel.

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