Kinder, die mit Fussballprofis reden, als seien sie gleichberechtigte Gesprächspartner. Ganz einfache Dinge, die plötzlich kompliziert werden. Und das Gefühl, hohen Erwartungen gerecht werden zu müssen. Vor dem Heimspiel gegen den FC Thun spricht Yoichiro Kakitani über seine ersten Wochen beim Basel.
Ja, dieser FC Basel ist wirklich im internationalen Fussball angekommen. Wem noch eine symbolträchtige Szene gefehlt hatte, um das zu begreifen, dem wurde am Freitagmorgen im Presseraum des Joggeli geholfen.
Oben auf dem Podium sitzen Cheftrainer Paulo Sousa und Offensivspieler Yoichiro Kakitani, flankiert von Pressechefin Andrea Roth und Übersetzer Jonathan Wüst. Kommt von unten eine Frage auf Schweizerdeutsch an Kakitani, übersetzt rechts Wüst japanisch ins Ohr des Japaners und links Roth auf Englisch in jenes des Portugiesen Sousa.
Dann spricht Kakitani. Das Wort «Moto» fällt häufig, was nicht bedeutet, dass der 24-Jährige häufig mit dem Töff unterwegs wäre. «Ursprünglich, am Anfang» kann es heissen, was Sinn macht, als Kakitani viel zu seinem neuen Leben in Basel befragt wird. Der Rest des Saals schweigt andächtig. Schliesslich übersetzt erst Wüst auf Schweizerdeutsch für die Journalisten und dann Roth auf Englisch für den Trainer. Willkommen beim FC Babel 1893.
Einen Turm wollen sie zwar nicht errichten im St.-Jakob-Park. Aber etwas aufgebaut werden soll ja schon; eine Mannschaft nämlich, die international mit- und national unterhält.
Für Sousa ist Kakitani ein «falscher Spielmacher»
Dafür hat der Club unter anderem Yoichiro Kakitani verpflichtet. Ein Spieler, der in seiner Heimat als Offensivmann mit der Fähigkeit eines spektakulären Torjägers gilt.
Zu sehen war das in Basel im ersten Saisonviertel bislang erst in Ansätzen. Noch ist Kakitani keiner, der über ein ganzes Spiel hinweg die Mannschaft tragen kann. Dazu war er auch zu selten und zu kurz auf dem Feld. Bei seinen sieben Einsätzen spielte er im Schnitt ziemlich exakt eine Halbzeit lang.
Er selbst mag nicht davon reden, dass er vor seinem Wechsel mit mehr Einsatzzeit beim FCB gerechnet hätte. Viel lieber kritisiert er sich selbst: «Ich erwarte von mir, dass ich von der Kondition her in der Lage bin, auch wirklich mehrere Spiele hintereinander über 90 Minuten zu spielen.» Die fehlende Sommervorbereitung scheint sich bei Kakitani also bemerkbar zu machen.
Glänzen konnte er bislang vor allem gegen den FC Zürich und die Young Boys. Also in jenen Spielen, in denen er als Einwechselspieler bei einer Führung der eigenen Mannschaft in die unendlichen Räume hinter der aufgerückten gegnerischen Abwehr stossen konnte.
Ist Kakitani also bloss der klassische Konterspieler? Auf keinen Fall, findet Sousa: «Er hat die Fähigkeit, ohne viel Raum etwas zu kreieren.» Der Trainer sieht den Japaner sowohl als bewegliche Sturmspitze oder auch als «falschen Spielmacher» auf der Seite: «Er ist kein klassischer Flügel. Sondern einer, der von aussen her in die Mitte zieht.»
Eigentlich ist Kakitani damit ein idealer Spieler für Sousa, der betont, wie wichtig es sei, «Spieler zu haben, die ihre Position verlassen, um Raum für ihre Mitspieler zu schaffen». Bloss wirkt Kakitani dann, wenn er von Beginn weg auflaufen darf, noch nicht richtig integriert ins Basler Spiel.
Lost In Translation
Vorzuwerfen ist das einem jungen Mann wohl kaum, der eben seine erste Arbeitsstelle fern seiner Heimat in einem unbekannten Kulturkreis angetreten hat. Und das, ohne eine Sprache zu beherrschen, die am neuen Ort gesprochen oder zumindest verstanden wird.
«Lost In Translation» heisst der Film von Sofia Coppola, in dem Scarlett Johansson und Bill Murray reichlich verständnislos durch ein ihnen immer fremder werdendes Tokio irren. Kakitani macht derzeit gerade die umgekehrte Erfahrung.
Zwar ist er überzeugt, in der Schweiz «in einem sehr guten Land» angekommen zu sein. Aber er erfährt eben schon in ganz kleinen Details, dass er in einer für ihn neuen, anderen Welt gelandet ist. Zum Beispiel, wenn er von den jüngsten FCB-Fans umringt wird. «In Japan schauen die Kinder mit glänzenden Augen zu uns Fussballern auf, wir sind ihr grosses Vorbild», sagt Kakitani, «hier sagen sie dir Dinge wie ‹Mach’ weiter so!›, als ob sie dir Ratschläge erteilen könnten.»
Und dann erlebt Kakitani auch, dass die Sprache einen Einfluss auf alles nimmt im Leben. «Ganz einfache Dinge werden plötzlich kompliziert», stellt er fest, «zum Beispiel, wenn du in einem Restaurant Essen bestellen willst. Oder wenn du einkaufen gehst.»
Der Trailer von «Lost In Translation»
Beim FCB steht ihm deswegen Wüst zur Seite. Wobei Kakitani wert darauf legt, dass er nur bei den taktischen Details eine Übersetzung brauche: «Sonst verstehe ich schon sehr viel davon, was der Trainer will.»
Eine Englisch-Stunde pro Woche hat er belegt. Doch weil der FCB zuletzt so häufig gespielt habe, sei es gar nicht einfach, diese Stunde dann auch immer zu besuchen. Immerhin: «Ich merke inzwischen, wenn der Trainer Englisch spricht und verstehe einzelne Wörter.»
Um sich in der Stadt zurecht zu finden, dürfte diese Sprachkenntnis allerdings noch lange nicht reichen. Trotzdem will sich Kakitani vorerst auf eigene Faust durchschlagen Während sein Landsmann Koji Nakata sich während seiner Zeit beim FCB schnell einmal Hilfe der japanischen Diaspora der Region angenommen hatte, sagt Kakitani: «Ich will möglichst vieles alleine versuchen.»
Die Sprachbarriere mag derzeit noch gross sein zwischen Yoichiro Kakitani und seiner neuen Umgebung in Basel. Etwas aber hat er auch ganz ohne Englisch- oder Deutsch-Kenntnisse verstanden: «Ich spüre, dass ich als ausländischer Spieler unter einem grösseren Druck stehe gegenüber der Presse, dem Trainer und den Mitspielern.» Und er folgert: «Ich muss mir mehr Mühe geben, um den an mich gerichteten Ansprüchen zu genügen, die ich sehr stark spüre.»
Gar nicht so einfach, unter diesen Umständen auf dem Platz jene Leichtigkeit auszustrahlen, die es braucht, um das Versprechen jenes Spektakelstürmers einzulösen, als das er in Basel angekündigt worden ist.