Sportlich läuft es Neuchâtel Xamax nach schwachem Start inzwischen gut, das hat auch das 1:1 gegen den FC Basel bewiesen. Aber sonst stehen die Zeichen am auf der Maladière auf Sturm. Die Frage bleibt: Darf Xamax die Rückrunde spielen?
Manchmal sind es die kleinen Wörter ganz am Ende einer Aussage, die mehr sagen, als die ganzen Sätze zuvor. «Wir haben alles für das neue Jahr geplant. Das ist normal», sagt Victor Munoz am Sonntag Abend im Pressezentrum der Maladière. Und dann fügt der Trainer von Neuchâtel Xamax an: «Oder?» Marco Streller steht ein paar Meter entfernt im Gang vor den Kabinen und stellt fest: «Die machen einen guten Job hier.» Pause. «Sportlich.»
Um Victor Munoz zu antworten: Nein, normal ist bei Neuchâtel Xamax eigentlich gar nichts mehr, seit der Tschetschene Bulat Tschagajew mit 52 Prozent der Aktien das Sagen übernommen hat. Und wenn der Verein zwei Wochen Trainingslager in Spanien und zwei in Dubai gebucht hat, dann fragt sich der Beobachter bang, ob sich das Reisebüro die Flüge und Hotels wenigstens im Voraus hat bezahlen lassen.
Die Zahlungsmoral ist nämlich gerade nicht so gut bei Xamax. Gegen 70 Gläubiger warten in Neuenburg auf rund vier Millionen Franken, der spanische Club Almeria auf knapp eine Million für Stürmer Kalu Uche und die Spieler auf ihre Novemberlöhne.
Die Spieler wollen Klarheit
Am Montag verlangen die Spieler endlich Auskunft von ihrem Präsidenten, wie er sich die Zukunft so vorstellt. Denn eines ist klar: Die Profis wollen nicht andauernd auf ihre Löhne warten. Und sie haben keine Lust darauf, stets mit der Angst zu leben, dass dem Verein vielleicht plötzlich die Lizenz entzogen wird.
Das könnte in der Winterpause durchaus passieren, wenn Tschagajew der Swiss Football League nicht endlich beweist, dass er all das Geld tatsächlich besitzt, das er bei Xamax ausgeben will. Hat die Liga nicht die Gewissheit, dass Xamax bis am Ende der Saison durchhält, könnte sie den Stecker im Winter ziehen. Nach dem Motto: Lieber ein Ende mit Schrecken, als ein Schrecken ohne Ende.
Xamax-Spieler Sébastien Wüthrich formuliert es am Sonntag nach dem Spiel gegen den FCB so: «Ich hoffe, dass wir vor den Ferien alles regeln können. Denn wenn das nicht der Fall ist, wird es im Winter einige Änderungen im Team geben.» Das spricht dafür, dass die Spieler im Team ganz offen über die Möglichkeit sprechen, den Verein zu verlassen, wenn nicht baldige Besserung eintritt.
Wüthrich selbst dürfte zusammen mit Stürmer Uche einer der heissesten Wechselkandidaten sein. Auch für den Fall, dass Xamax plötzlich versuchen sollte, durch Transfers noch zu Geld zu kommen. Wüthrich und Uche könnten eine interessante Ablösesumme bringen.
Tschagajew baut weiter an seinem Luftschloss
Vorerst aber scheint Tschagajew an seinem Luftschloss weiter zu bauen. Allen unbezahlten Rechnungen zum Trotz will er das Kader im Winter weiter verstärken. «Das ist zumindest das, was mir der Präsident gesagt hat», sagt Munoz. Und gibt im nächsten Atemzug zu: «Ich habe im Fussball schon Vieles erlebt. Aber diese Situation ist sogar für mich neu. Es ist sehr schwierig. Ich versuche einfach, auch daraus etwas zu lernen.» Wie erpicht andere Clubs darauf sind, mit Xamax zu geschäften, das offenbar noch nicht einmal alle Sommertransfers bezahlt hat, ist sowieso fraglich.
Für Gilbert Facchinetti muss die ganze Situation ein einziger Albtraum sein. Der Ehrenpräsident leidet mit dem Club mit, der unter seiner Ägide einst rauschende Europacup-Nächte feierte. Jetzt muss er miterleben, dass im Spiel gegen Basel der Donatoren-Raum leer bleibt, weil sich die tschetschenische Clubführung mit den lokalen Geldgebern verkracht hat.
Gilbert Facchinetti gibt die Hoffnung nicht auf
Wenigstens die Hoffnung hat Facchinetti nicht aufgegeben. Der 75-Jährige glaubt fest daran, dass es Menschen mit genügend Geld gibt, um Xamax zu retten. «Aber dazu muss Tschagajew erst seine Aktien verkaufen wollen», klagt Facchinetti, «hoffentlich macht er das, bevor Xamax Konkurs gegangen ist.»
Ob wirklich genug Geld vorhanden wäre? Walter Gagg, Fifa-Direktor und selbst ernannter Xamax-Retter, hat im «Blick» jedenfalls zugegeben, was in Neuenburg schon seit längerem gemunkelt wird: Er und seine Gruppe von Unternehmern haben nicht genügend Geld, um das momentane Kader zu bezahlen.