Xhaka scheitert aus elf Metern – die Schweiz scheidet aus

Am Ende bleibt der verschossene Elfmeter von Granit Xhaka in Erinnerung. Für die Schweiz ist nach gutem Auftritt der Achtelfinal das Ende der Europameisterschaft – Polen steht in der Runde der letzten Acht.

Football Soccer - Switzerland v Poland - EURO 2016 - Round of 16 - Stade Geoffroy-Guichard, Saint-�tienne, France - 25/6/16 Switzerland's Granit Xhaka misses during the penalty shootout REUTERS/Jason Cairnduff Livepic

(Bild: Reuters)

Am Ende bleibt der verschossene Elfmeter von Granit Xhaka in Erinnerung. Für die Schweiz ist nach gutem Auftritt der Achtelfinal das Ende der Europameisterschaft – Polen steht in der Runde der letzten Acht.

Während zwei Dritteln der Partie hatten die Schweizer dominiert, serienweise Corner getreten. Aber trotz einer Flut von guten Szenen war das 1:1 nach 120 Minuten und ein ungemütlicher Schlussakt nicht abzuwenden. Dass dann ausgerechnet Xhaka im Elfmeterschiessen den Ball neben den Pfosten setzte, ist aus Sicht der Niedergeschlagenen doppelt bitter. Der defensive Regisseur hatte bis zum einzigen «Blackout» ein grossartiges Turnier gespielt.

Die gut bis formidabel verlaufene Vorrunde liess nicht nur die Brust der Schweizer anschwellen. Auch das Umfeld rechnete sich wohl mehr denn je aus. Der in Frankreich vorwiegend stilsicheren und überzeugenden Equipe attestierten die Beobachter die Qualität, in eine neue Dimension vorzustossen. 

Nicht wenige waren im Vorfeld gedanklich an die WM 2006 zurückgeschweift, als die ebenso vielversprechende Generation um Johann Vogel im Achtelfinal gegen die Ukraine gescheitert war. Die Konstellation schien vergleichbar, das bittere Ende war gar nahezu deckungsgleich – ein Déjà-vu der schmerzhaften Art.

Einmal mehr gescheitert an einer Ostauswahl

Wieder war ein Kontrahent aus dem Osten unüberwindbar, der in den letzten Dekaden lange im internationalen Mittelmass festklebte. Wieder entglitt eine erhebliche Chance, endlich jene Geschichte zu schreiben, die zu einer Gruppe mit Talent und hohen Ansprüchen passen würde.

Doch der seit 1938 anhaltende Fluch ist offenbar partout nicht mehr zu beseitigen. Es wäre falsch zu behaupten, die SFV-Auswahl sei am Druck zerbrochen, erstmals seit den Dreissigerjahren eine K.o.-Runde zu überstehen. Es fehlten Details, ein paar Glücksmomente mehr, in der atemberaubenden Schlussphase trennten sie Zentimeter von der Runde der besten Acht.

Vor Xherdan Shaqiris wunderbarem Ausgleich hatte Haris Seferovic den Ball an die Latte gesetzt, kurz vor Ende der Zusatzschicht vergab Joker Eren Derdiyok freistehend per Kopf den Matchball. Die Polen taumelten, die Schweizer stürmten – bis Xhaka im Penaltyschiessen der eine Fehlschuss zu viel unterlief.

Shaqiris Kunstschuss

Als Polen sich mehr und mehr auf die kollektive Verteidigung von Jakub Blaszczykowskis Führungstor (39.) fokussierte, gab es für die Schweizer nur noch eine Losung: Angriff total.

Auf den unfreundlichen Zwischenstand hatten sie zunächst nur zögerlich reagiert, dann aber mit einer imposanten Vehemenz. Das Signal zum kompromisslosen Vorwärtsdrang setzte Vladimir Petkovic. Er coachte die Mannschaft regelrecht in die Offensive: Breel Embolo kam in das Spiel, ab der 70. lehnte sich die Schweiz mit Derdiyok und einem dritten Stürmer gegen das drohende Out auf.

Vom Instinkt getrieben, teilweise brachial, aber beseelt bis zur letzten Faser und mit dem Mut von Verzweifelten griff Petkovics Elf an – mit Xherdan Shaqiri im perfekten Augenblick im Mittelpunkt der europäischen Fussball-Gemeinde.

«Ich bin ein Spieler, der eine Partie mit einem Pass, mit einem Tor für die Mannschaft entscheiden kann.» Vor ein paar Tagen hielt Shaqiri persönlich fest, was von ihm zu erwarten ist. Dass ausgerechnet er in der Vorrunde für seine Verhältnisse dezent auftrat, ärgerte ihn am meisten.

Mit einer einzigen Aktion zerstreute der Künstler alle Bedenken und kritischen Voten: Sein Traumtor zum 1:1 wird in keinem Jahresrückblick fehlen. Es war ein Fallrückzieher, wie ihn in solchen Drucksituationen nur wenige Ausnahme-Fussballer der internationalen Szene zu bieten haben.

Der Genuss hält sich dennoch in engen Grenzen, das Ausscheiden überschattet alles. Shaqiri tritt als Kunstschütze ab, aber eben auch als einer der Verlierer. Mit der Auszeichnung, der «Mann des Spiels» zu sein, wird er mutmasslich wenig anfangen können.

Der Konter und die Chancen

Die Warnung vor Polens Klasse im Umschaltspiel hatte der Weltmeister-Coach Jogi Löw letzte Woche persönlich abgesetzt: «Polen ist eine der stärksten Kontermannschaften, die ich in den letzten zwei Jahren gesehen habe.»

Zum gleichen Fazit dürften während der Spielvorbereitung auch die Schweizer gelangt sein – und doch gewährten sie den Osteuropäern in der 39. Minute nach einem Corner ein paar Sekunden zu lang zu viel Raum. Jakub Blaszczykowsi, während Jahren in Dortmund ein Garant für Spektakel, liess sich die Chance nicht entgehen und erwischte Yann Sommer zwischen den Beinen.

Ein Zögern, eine kleine Fehleinschätzung, ein verlorenes Luftduell zu viel. Vor dem ersten Gegentor verflüchtigte sich die taktische Ordnung der Schweizer rasend schnell. Kamil Grosicki hatte auf der Aussenbahn zum unwiderstehlichen Sprint angesetzt; Behrami unternahm alles, den Ex-Sion-Professional zu stoppen, Xhaka intervenierte zu spät, Blaszczykowski düpierte Sommer mit seinem Flachschuss.

Frühe Turbulenzen

Aber nur der Auftakt verlief so, als wäre vor allem der eine der beiden Achtelfinalisten von einer gewissen Nervosität befallen: die Schweiz. Johan Djourou leistete sich nach 25 Sekunden einen Rückpass, der sofort gravierende Probleme verursachte. Yann Sommer griff in höchster Not vor dem heranstürmenden polnischen Topskorer Robert Lewandowski ein – Arkadiusz Milik verfehlte in der allgemeinen Hektik das leere Tor.

Den zunächst überraschten und wegen des schweren Fehlers von Djourou vorübergehend irritierten Schweizern gelang es, die polnische Startoffensive etwas einzudämmen und selber vermehrt die Kontrolle an sich zu reissen. Sie hatten zwar einige prekäre Situationen zu überstehen, Sommer verhinderte indes Schlimmeres.

Die Schweiz hat sich angesichts der starken Vorstellung in den letzten 50 Minuten der Partie wenig vorzuwerfen. Nur in der ersten Hälfte gelang es zu selten, dauerhaft Präsenz zu markieren. Zu viele an sich gut vorbereitete Aktionen endeten ergebnislos, zu oft investierte Captain Stephan Lichtsteiner auf der rechten Seite Energie, ohne sich entscheidend absetzen zu können.

Doch dem Juventus-Verteidiger ist hoch anzurechnen, wie er im Finish nahezu jeden Quadratmeter in der eigenen Zone abdeckte und daran mitbeteiligt war, dass der Bayern-Superstar Robert Lewandowski erst vom Elfmeterpunkt aus ein erstes Mal jubeln durfte.

liveticker

fixtures

table

calendar
 

Nächster Artikel