Yakins Lust am taktischen Experiment

Beseelt vom Gedanken an eine Dreierkette in der Abwehr arbeitet Murat Yakin an einem Systemwechsel beim FC Basel. Wenn nicht heute gegen den FC St. Gallen, so ist abzusehen, dass er seiner Lust am Experimentieren früher oder später nachgeben wird.

FC Basel coach Murat Yakin follows his team's training session in Basel September 30, 2013. FC Basel will play against Schalke 04 their Champions League Group E soccer match at St. Jakob-Park stadium in Basel October 1, 2013. REUTERS/Ruben Sprich (SWIT (Bild: Reuters/RUBEN SPRICH)

Beseelt vom Gedanken an eine Dreierkette in der Abwehr arbeitet Murat Yakin an einem Systemwechsel beim FC Basel. Wenn nicht heute gegen den FC St. Gallen, so ist abzusehen, dass er seiner Lust am Experimentieren früher oder später nachgeben wird.

Vielleicht hat er schlicht zuviel Zeit zum Nachdenken gehabt. Er war ja auch nicht viel los in den vergangenen 14 Tagen, da der halbe Profikader des FC Basel irgendwo auf dieser Welt auf Nationalmannschaften verstreut war.

Jedenfalls ist Murat Yakin die Idee mit der Dreierabwehrkette in den Sinn gekommen. Wieder, darf man festhalten, denn er hat damit schon mehrfach experimentiert und das nicht mit überzeugenden Ergebnissen.

Es ist fast auf den Tag genau ein Jahr her, als Yakin in Luzern sein Debüt als FCB-Trainer gab und zur allgemeinen Überraschung eine Dreierabwehr aus Feld schickte. Nach nur wenigen Trainingseinheiten mit seiner neuen Mannschaft und, notabene, einer Länderspielpause ging dieser Versuch in die Hose.

Es folgte ein zweiter Anlauf kurz vor Weihnachten beim mit Ach und Krach gewonnenen Cup-Spiel in Locarno, und ein dritter in der Endphase der Wintervorbereitung. Nach einem konfusen Testspiel gegen den FC Biel mit Dreierkette und einem Durcheinander an der Seitenlinie, als der FCB nach einigen gleichzeitigen Wechseln minutenlang in Unterzahl spielte, wurde die Dreierkette stillschweigend begraben.

Der Implus aus Italien

Zehn Monate später kommt Yakin auf die Systemumstellung zurück. Zum einen, weil er fasziniert ist von dieser Dreierkette in der Abwehr, die seit zwei, drei Jahren salonfähig geworden ist, nachdem grosse Teams wie der FC Barcelona phasenweise damit operiert haben und der Impuls vor allem von Italien aus kommt.

Juventus Turin dominierte die Serie A mit einer Dreierkette, bei der extrem offensiv eingestellte Aussenverteidiger die Abwehr im Verteidigungsfall zu einer Fünferkette verdichten. Der Schweizer Nationalspieler Stephan Lichtsteiner hat sich in dieser Systematik als Dauerläufer auf dem linken Flügel einen Namen gemacht.

Grundsätzlich wird die Dreierkette von Mannschaften gespielt, die eher offensiv ausgerichtet sind. Weil viele Trainer nur noch mit einer klaren Sturmspitze spielen, schafft man mit einem Mann mehr im Mittelfeld Überzahl.

Noch zögert der FCB-Trainer

Noch hat Yakin beim FC Basel nicht den generellen Systemwechsel ausgerufen. Während diverser Spiele stellte er seine Abwehr aber mit der Einwechslung eines dritten Innenverteidigers (Ajeti, Sauro) auf eine Dreierkette oder de facto Fünferkette um. Meistens in der Schlussphase zur Sicherung eines Vorsprungs.

Ob Murat Yakin heute gegen den FC St. Gallen tatsächlich einen neuen Versuch von Anfang an unternimmt, liess er am Tag vor dem Spiel offen. Möglicherweise wollte er bei seinem Kollegen Jeff Saibene auch nur ein bisschen Verwirrung stiften.

Aber die prinzipielle Bereitschaft schlummert im Fussballlehrer Yakin, eine Lust am Experimentieren, am Umgang mit den Zutaten aus der taktischen Hexenküche.

Yakins Hauptmotive für einen Systemwechsel

Dabei hat Yakin verschiedene Motive für eine Umstellung. Er verspricht sich mehr Gleichgewicht zwischen Defensive und Offensive, mehr Stabilität im Abwehrverhalten. Zu oft sei die Mannschaft kraftraubend einem Rückstand hinterher gelaufen. «Mir reicht ein 1:0», sagt Yakin.

Zweitens, und das ist die eigentliche «Hauptidee», wie Yakin sagt und damit wiederum ein offensiver Ansatz, gewinnt er «eine Linie mehr». Ob die Grundformation dann 3-3-3-1 heisst oder 3-4-1-2, ob mit einem Stürmer oder mit zwei – das System wird somit auch auf Matias Delgado zugeschnitten, den Mann hinter der Spitze, den der Trainer als Bindeglied für das Dreiecksspiel sieht.

Das dritte Motiv ist Yakins Mantra von der Flexibilität. Er will einerseits seine Spieler fordern, sie geistig «wach halten» und ihr Bewusstsein schärfen. Andererseits scheint er etwas gegen eingefahrene Mechanismen zu haben: «Das Spiel muss unberechenbar sein, man muss Gegner überraschen.»

Im Frühjahr ad acta gelegt

Mit seiner Dreierkette-Versuchsreihe hat jedoch bisher eher Verwirrung in den eigenen Reihen gestiftet. Nach dem Testspiel im Februar gegen Biel wurde das Experiment auch auf Anraten aus dem Spielerkreis ad acta gelegt. Aber nur vorerst.

Die Dreierkette und ihre Auswirkungen auf das Flügelspiel, das Verhalten im Zentrum und das Gegenpressing, sind taktische Gedankenspiele, die Yakin zwar woanders erfolgreich praktiziert sieht, in der Schweizer Super League hingegen wenig thematisiert.

Der letzte Trainer, der es eisern mit einem 3-4-3 probierte, war Vladimir Petkovic bei den Young Boys. Auf viel Verständnis traf er damit nicht, schon gar nicht, als YB seinerzeit einen 13-Punkte-Vorsprung preisgab und in der Finalissima von 2010 den Titel noch einen FC Basel im 4-4-2 von Thorsten Fink verspielte.

«Wir haben die Spieler, die das können»

Yakin, so viel ist schon abzusehen, wird die Dreierkette wieder bringen. Wenn nicht gegen den FC St. Gallen in der 12. Runde dieser Saison, dann ein anderes Mal. Sein Plädoyer lautet: «Wir haben die Innenverteidiger, die das können, und auch die Mittelfeldspieler.» Yakins Plan hängt vom Profil seiner Spieler ab: «Wir müssen», sagt Yakin, «intelligent spielen.»

Der FCB-Trainer bezeichnet sich als «Fan der Rotation», und damit meint er auch das Wechselspiel zwischen den Systemen: «Eine gewisse Flexibilität muss vorhanden sein. Darauf müssen wir hinarbeiten.» Damit folgt Yakin einem Trend, denn im europäischen Spitzenfussball gibt es kaum noch Mannschaften, die in starren taktischen Korsetts stecken.

Oft genug hat Yakin während seiner zwölfmonatigen Tätigkeit beim FCB überrascht mit Aufstellungen, nun darf man gespannt sein, ob er tatsächlich in einer Phase, in der wieder wenig Gelegenheit zum Einstudieren war, einen neuen Vorstoss wagt. Das Risiko, wie damals in Luzern Schiffbruch zu erleiden, ist ihm bekannt: «Bei einer Niederlage ist der Trainer schuld.» Der Gedanke scheint ihn nicht zu schrecken.

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