Zürich mischt den Meister auf und will künftig auch dem FCB Paroli bieten

Der FC Zürich gewinnt zum zehnten Mal den Schweizer Cup und YB beendet doch wieder eine Saison als Zweiter. Nach dem 2:1-Sieg im Stade de Suisse gegen die Young Boys schaut Zürichs Trainer Ludovic Magnin in die Zukunft, für die er grosse Pläne hat.

Ein wenig macht es den Anschein, als hätte das Stade de Suisse genug Emotionen für eine Saison erlebt. Ende April haben die Young Boys den ersten Meistertitel seit 32 Jahren geholt und diesen Erfolg seither gefühlt ununterbrochen gefeiert. Jetzt, nach dem letzten Spiel der Saison 2017/18, bleibt es fast schon gespenstig ruhig in den Katakomben des Berner Stadions.

Christian Fassnacht, der von Bundesligisten umworbene YB-Flügel, sagt nach dem verlorenen Cupfinal gefasst: «Der Schock sitzt tief. Aber wir haben das wichtigste Ziel der Saison, den Meistertitel, erreicht.» Und Loris Benito, ein weiterer Berner Meisterspieler, schildert, wie in der Kabine jeder Gelbschwarze in diesem Moment alleine sei, «aber wir werden morgen aufstehen und trotzdem ein kleines Lächeln im Gesicht haben».

Der Konflikt hinter Freys Torjubel

Die Berner sind nach der Cupfinalniederlage, der achten in der Vereinsgeschichte, zurück auf dem Boden der Realität. Ein Berner allerdings ist trotzdem ein Sieger: Michael Frey, der Münsinger, der als 15-Jähriger vom FC Thun zum Stadtverein nach Bern gewechselt war, dort seinen Weg zum Profifussballer gemacht hat und seit dieser Saison beim FC Zürich unter Vertrag steht.

Frey war es, der in der elften Minute die Weichen in Richtung des zehntens Zürcher Cupsiegs gestellt hatte, mit seinem Tor zum 1:0, das beim 23-Jährigen eine Menge Emotionen zutage förderte. Er sprintete in Richtung FCZ-Bank, schrie im Vorbeilaufen an der Berner Bank seinem ehemaligen Trainer Adi Hütter ins Gesicht und sagt dazu hinterher: «In den Jahren bei YB ist ziemlich viel Wut zusammengekommen.» Hütter kommentiert die Szene so: «Man hätte sich beim Torjubel auch etwas anderes einfallen lassen.»

Den Meister auf Normalmass reduziert

Hütters YB des Cupfinals war nicht das YB auf dem souveränen Weg zum ersten Meistertitel seit 32 Jahren. Der Meister wurde auf Normalmass reduziert von einem FC Zürich, der als Aussenseiter mit offenem Visier und ohne Anlaufzeit seine Chance suchte – und der seit 2014 bereits den dritten Cupsieg holt.

Erstaunlich war, dass die Zürcher die höhere Aggressivität an den Tag legten, zupackender in den Zweikämpfen waren und zur Pause ein klares Chancenplus aufwiesen – alles Attribute, die den Young Boys auf ihrem souveränen Meisterweg zugute gehalten wurden. «Vieles hat gegen uns gesprochen», sagt FCZ-Stürmer Adrian Winter, «der Heimvorteil für YB, der Kunstrasen – und die Wut darüber haben wir rausgelassen.»

In die gleiche Kerbe schlägt Ludovic Magnin, der sich in seiner Coaching-Zone wie Rumpelstilzchen aufgeführt hatte: «Vieles war gegen uns.» Der 39-jährige FCZ-Trainer hatte im im Februar nur eine Woche vor dem Cup-Halbfinale den Job des entlassenen Uli Forte übernommen. Seine Bilanz in der Meisterschaft (4 Siege, 5 Unentschieden in 14 Spielen) ist durchwachsen, seinen Ruf als Motivator und Einpeitscher festigte er jedoch mit diesem Cuperfolg, der dem FCZ einen sowohl sportlich wie wirtschaftlich wertvollen Direktplatz in der Europa League beschert.

Ludovic Magnin: «Wenn es Verlängerung gibt, sind wir tot.»

Nach dem Schlusspfiff des guten Basler Schiedsrichters Adrien Jaccottet ist Magnin der erste, der mit wehendem Sakko vor die Kurve der FCZ-Fans stürmt. Danach fällt er Präsident Ancillo Canepa um den Hals und sagt ins Fernsehmikrofon: «Es ist unglaublich, was die Mannschaft an Mentalität gezeigt hat.»

Erster Titel bei den Profis: FCZ-Trainer Ludovic Magnin tanzt über den Kunstrasen des Stade de Suisse.

Sie steckte es weg, dass sie nach der Gelb-Roten Karte für den eingewechselten Sangoné Sarr ab der 67. Minute in Unterzahl war, sie praktizierte unbeirrt ihren kräftezehrenden Aufwand gegen den Ball – und sie schaltete immer wieder überfallartig um. Wie in der 74. Minute, erneut lanciert von Pa Modou und vollendet mit einem prächten Solo von Antonio Marchesano gegen die willfährigen Innenverteidiger Kassim Nuhu und Steve von Bergen.

Magnin räumt freimütig ein, was er nach dem Anschlusstreffer der Young Boys in der 80. Minute seinem Assistenten René van Eck zugeraunt hat: «Wenn es Verlängerung gibt, sind wir tot.» Soweit liessen es die Zürcher nicht kommen. Respektive: YB fand zu keiner klaren Ausgleichchance mehr und wirkte entzaubert.

Als die Zürcher Feiergemeinde schon auf den Heimweg ist, kommt Adi Hütter in den Innenraum des sich leerenden Stade de Suisse zurück und verneigt sich an seinem letzten Arbeitstag in Bern noch einmal vor den Fans. «Mit einem 4:0-Sieg hat es vor drei Jahren angefangen, und es ist schade, dass es mit einer Niederlage zu Ende geht», sagt Hütter, «ich verlasse Bern mit viel Wehmut.»

Hütter hinterlässt ein Denkmal

Hütter hinterlässt mit dem Meistertitel ein Denkmal, auch wenn er das erste Berner Double seit 1958 nicht geschafft hat. Und während der Österreicher in die Bundesliga zu Eintracht Frankfurt weiterzieht, wird Magnin am Donnerstag die Prüfung zum höchsten Trainerdiplom als frisch gebackener Cupsieger ablegen.

Im Überschwang seiner Emotionen setzt er zu einer ersten Kampfansage für die nächste Saison an: «Die Gruppenphase in der Europa League bringt uns andere finanzielle Mittel. Wir haben die Möglichkeit, den einen oder anderen Spieler zu verpflichten.»

Die Gedanken des Jungtrainers und des Präsidentenpaares Canepa gehen soweit, dass man wieder an der Spitze des Schweizer Clubfussballs mitmischen möchte. Magnin sagt dazu: «Diese Gedanken haben wir uns unabhängig von diesem Cupfinal gemacht», schildert Magnin, «der Präsident und ich haben klare Vorstellungen: Wir wollen den zwei grossen Vereinen, die momentan besser sind als wir, Paroli bieten.»

Das aktuelle Cup-Monster ist der FC Zürich schon mal.

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