Die Schweiz spielt in Genf gegen Zypern um ihre Pole Position in der WM-Ausscheidung. Das Thema in den Tagen zuvor: Wie stellt Coach Ottmar Hitzfeld auf, nachdem er einen verstärkten Konkurrenzkampf ausrief?
Die Schweiz geht als Leader ihrer Gruppe in die Rückrunde der WM-Ausscheidung. Aber der letzte Match der Vorrunde, das 0:0 gegen Zypern im März, wirkt noch nach. Es war nach den ersten vier Spielen, die praktisch einem Idealstart gleichkamen, der erste Rückschlag – und die Konsequenzen daraus lässt Nationalcoach Ottmar Hitzfeld die Mannschaft nun spüren. Denn einen zweiten Punktverlust gegen die Zyprioten, an diesem Samstag im Stade de Genève, dürfen sich die Schweizer nicht erlauben. Sonst haben sie ihre Vorteile in der Tabelle eingebüsst.
Also hat Hitzfeld die Leine angezogen – am Beispiel seines Captains Gökhan Inler. Der musste in der vergangenen Woche vernehmen, Hitzfeld habe bei der Bekanntgabe des Aufgebots darauf hingewiesen, dass selbst sein Vormann keine «Stammplatzgarantie» habe. Es war am prominentesten Mann den Hebel angesetzt, um jeder Selbstzufriedenheit zu begegnen.
Hitzfeld zufrieden
Als Hitzfeld dann am Freitagmittag auf dem Mont-Pèlerin ob Vevey, wo seine Mannschaft mit herrlichem Blick über den Genfersee logierte, vor dem Abschlusstraining zur Abschluss-Pressekonferenz erschien, liess er zum einen wissen, dass in den vorangegangenen Tagen «unglaublich intensiv» trainiert worden sei. Vor allem am Dienstag und Mittwoch sei dergestalt gearbeitet worden, dass er den Rhythmus am Donnerstag etwas habe zurücknehmen müssen. Man darf das sehr wohl so interpretieren, dass Hitzfeld zufrieden war mit der Wirkung seines Vorgehens.
Das bestätigte zumindest indirekt auch Diego Benaglio, der Torhüter, der in Zypern gesperrt war und jetzt zurückkehrt: «Es war beeindruckend, wie jeder von Anfang an dabei war.» Das könne durchaus gesehen werden als Konsequenz des Signals, das Inler gegolten habe. «Eine gewisse Spannung, ein gewisser Konkurrenzkampf – das ist nie verkehrt», sagte Benaglio noch. Aus der – allerdings komfortablen – Position der Nummer 1, die seit Jahren nicht mehr um ihre Position bangen muss.
Überdies blieb Hitzfeld auf dem eingeschlagenen – man kann sagen: härteren – Weg, als er selbst am Tag vor dem Match weitgehend offen liess, wie er seine Mannschaft aufstellen will. In aller Regel lässt er ziemlich genau erkennen, mit welcher Elf er startet. Diesmal liess er die Hälfte der Mannschaft offen, als er sagte, die Abwehr sei klar, nämlich unverändert, und in der Offensive spiele Mario Gavranovic. Dazu lieferte er noch Interpretationshilfe, als er sagte: «Die Tendenz geht zu zwei Stürmern» – also hin zu einem 4-4-2 gegen einen Gegner, der defensiv erwartet wird, weg vom 4-2-3-1, das sich zum Standardsystem der Nati entwickelt hatte.
Mittelfeld offen
Aber offen liess er, mit wem er das Mittelfeld besetzen will, wer aus dem Trio der Neapolitaner zum Einsatz komme – ob Valon Behrami seinen Stammplatz halte, Inler tatsächlich gefährdet sei und Blerim Dzemaili seine Chance in der Startelf erhalte. Hitzfelds Bemerkung über Inlers Stammplatzgarantie hatte gleichsam die Schleusen zu diesem Thema geöffnet; Dass Dzemaili in der Endphase der Meisterschaft auf Kosten Inlers zur Stammkraft geworden war und mit mehreren Toren geglänzt hatte, lieferte weitere Argumente für Veränderungen.
Dzemaili liess seine – begreiflichen – Ambitionen aber nicht nur auf dem Platz erkennen. Er formulierte vor einer Fernsehkamera auch diesen Satz: «Wenn nicht jetzt, wann dann?» Da erinnerte er an jenen Dzemaili, der sich schon mal vor zwei Jahren rhetorisch etwas gar fordernd hervorgetan hatte und dafür von Hitzfeld mit einer öffentlichen Verwarnung abgestraft worden war.
«Das Leistungsprinzip gilt auch für den Captain.»
Hitzfeld wiederum sagte noch gestern Nachmittag: «Ich will nicht sagen, wer morgen Captain ist», also ob Inler spielt. Minuten später aber trat Inler – wie auch Diego Benaglio und Johan Djourou – vor die Presse. Er verhielt sich betont zurückhaltend und professionell. Er sagte, dass das Leistungsprinzip für alle, also auch für den Captain gelte. Und er wisse noch nicht, ob er spiele. Er habe mit dem Trainer noch nicht gesprochen. Anderseits gilt als ungeschriebenes Gesetz: Spieler, die für die Abschluss-PK aufgeboten werden, spielen auch.
Also ist davon auszugehen, dass Inler spielt, Behrami und die Flügelmänner Xherdan Shaqiri und Valentin Stocker das Mittelfeld ergänzen und der Nachwuchsmann Josip Drmic neben seinem FCZ-Kollegen Gavranovic stürmt. Es wäre Drmics Debüt in der Startelf. Zu hören ist aber auch Benaglio: «Eigentlich ist egal, wer spielt. Wir haben ein breites Kader, und wir müssen Zypern in jeder Besetzung schlagen.»
Denn es mag die Gegnerschaft im Kampf um den Gruppensieg breiter sein als zu Beginn der Qualifikation vermutet, Zypern aber gehört nicht dazu. Wer gegen die Mittelmeer-Fussballer nicht siegt, muss von einem Punktverlust sprechen – gerade jetzt, da sich die Gruppe als «tückisch» herausstellt, wie es Benaglio formuliert. «Weil jeder jedem Punkte abnehmen kann.»