«Alle wollen den schwarzen Mercedes» – das macht das Bling-Bling mit Basel

Uhren, Schmuck und Colin Firth gehen uns am Füdli vorbei. Wir wollen Menschen sehen. Begegnungen im Dunstkreis der Uhren- und Schmuckmesse.

Was der Polizei die Anliegen von Demonstranten und den Uhrenhändlern das dreckige Gold, ist uns das Bling-Bling: Es geht uns am Füdli vorbei. Lieber wollen wir wissen: Was macht das mit unserer Stadt? Also machen wir am Freitagmittag einen kleinen Spaziergang. Erste Station: Les Trois Rois.

«Alle wollen den schwarzen Mercedes»

Diversifizierung ist für Anfänger.

Auf den säuberlich gereihten Pflastersteinen des Trottoirs vor dem «Trois Rois» steht Auto hinter Auto. Ein Gast sagt zum Portier: «Bring me the black Mercedes.» Der schaut konzentriert: «Alle wollen den schwarzen Mercedes. Wir haben 30 Stück davon in der Garage.» Der Portier merkt sich jeden, mit dem passenden Menschen dazu.

Ist wie bei den Hipstern. Die haben zwar keinen Mercedes, dafür alle ein Rennvelo. Alle wollen sie ein Rennvelo. Eigentlich möchte ich jetzt darüber sinnieren, ob das dicke Auto dem einen das gleiche ist wie das dünne Velo dem anderen – Viagra auf Rädern. Aber dafür habe ich einfach zu wenig Ahnung von Fahrzeugen. Und Männern.

Apropos Viagra: Doppelt beuhrt hält besser.

Trämmli-Wartepause gut genutzt.

«Die Leute bedanken sich bei mir für die Blumen»

Am Claraplatz pflanzt eine Stadtgärtnerin neue Vergissmeinnicht. Davor hat sie die Rabatten oben bei der Messe schöngemacht. Für die Gäste der Baselworld. Also nicht extra für die. «Wir müssen ja sowieso jäten. Aber wir haben es so eingeplant, dass die Rabatten rechtzeitig parat sind.» Die Stadtgärtnerei geht nach Prioritäten vor. Priorisieren, das kleine Einmaleins der Effizienz, wer etwas auf sich hält, tut es, das ist bei den Schneeräumern nicht anders. 

Bei den Blumen gilt: Zuerst wird dort gepflanzt, wo viele Leute durchgehen. «Die Autofahrer lehnen sich ja nicht aus dem Fenster, um die Rabatten zu betrachten.» Hoffen wirs. Zu effizient ist aber auch nicht gut: Schwatzen muss auch sein. Viele Leute sagen der Stadtgärtnerin Danke für die Blumen. «Zeitweise stehen die Leute Schlange, um sich zu bedanken.» Da muss die Effizienz auch mal warten. Wir finden das schön.

«Halt emol a do jetzt»

Bei der Hammerstrasse ist fertig Gschpürsch-mi-fühlsch-mi. «Halt emol a do jetzt», brüllt ein Verkehrskadett einem Fussgänger zu, der fast von einem Töff überfahren wird.

Curry geht über Raclette…

Gleich neben dem Ramschladen auf dem Claraboulevard steht eine Gruppe von Asiaten in Anzügen. In der Hand laminierte Papiertaschen der Baselworld, die Köpfe übers Handy gebeugt, einer hält einen Flyer. Was gucken sie auf dem Handy?

 Einer zeigt auf den Flyer: «We want to go to this Indian restaurant.» Es heisst «Spicy» und ist an der Klingentalstrasse. Sind diese Männer nicht selber aus Indien? «Yes.» Warum wollen sie denn in der Schweiz in ein indisches Restaurant? «We are only familiar with Indian food. Only Indian food.» Curry geht über Raclette.

…aber nicht über Schoggi

«Sie können mich alles fragen. Ich weiss alles über Schoggi.»

Im Coop hat Verena Aebi von Lindt ihre Tafeln und Herzli und Büchsen aufgebaut. Die Büchse muht und kuhglöckelt, wenn man sie aufmacht, Aebi führt das begeistert vor. Sie kommt seit 30 Jahren während der Basel World nach Basel. «Sie können mich alles fragen. Ich weiss alles über Schoggi. Alles.» 

Ein Japaner hat seinen Coop-Einkaufswagen bis oben mit Lindorkugeln gefüllt. Eine 101-jährige Baslerin kommt jedes Jahr vorbei, um bei Aebi persönlich Schoggi zu kaufen. «Ich habe ein Schoggileben», seufzt diese seelig.

Ein paar Regale weiter fotografiert ein Mann eine Horde Schoggihasen. Woher kommt er? «Hongkong.» Gibts in Hongkong keine Schoggihasen? «Doch. Es gibt alles überall auf der Welt. Es ist überall auf der Welt gleich.»

Bald ist ausgefurzt

Graf Seismo in seiner ganzen Pracht.

Graf Seismo, den Musiker und Wortverdreher, der nebenher «Grümpel» verkauft, den gibts nur hier am «beschte Platz vode Welt», am Riehenring. Bei ihm stapeln sich Hüte («ich bin gut behütet»), Geigen hängen an der Wand, Kuhglocken, Kristallleuchter, und und und.  

Wie immer dudelt karibische Musik aus illegalen Boxen hinaus auf den Messeplatz. Ein paar adrett frisierte Männer mit auf die Haut geschneiderten Anzügen tanzen auf dem Troittoir. «Die Basler liessen mich verhungern, die Ausländer stopfen meine Löcher», sagt Graf Seismo. 

Eine Frau interessiert sich für einen Sessel. «In den habe ich schon viele Stunden reingefurzt», sagt Graf Seismo. Sie geht wieder. Bald ist ausgefurzt, in 100 Tagen muss Graf Seismo weg sein, bald steht hier der Claraturm. Wo geht der Graf dann hin? Er weiss es noch nicht.

Auf dem Messeplatz paradieren geschniegelte Männer, wie man sie selten sieht. Und viele Frauen mit Glitzerabsätzen, viele, viele Glitzerabsätze. Darf man überhaupt rein in die Messe ohne Glitzer am Schuh? Wir fragen eine Messebesucherin mit schwarzen Absätzen. Sie schaut erschreckt, und geht davon. Fragen wir halt eine andere, die geht ebenfalls davon, wenigstens lächelt sie. 

«Die spinnt, diese Journalistin.» Touristenvertreiben leicht gemacht.

Lächeln, das tun auch die Polizisten, die vor der Messe rumstehen. Und sie sagen: «Grüezi». Schon noch langweilig hier an der Messe, oder? «Ja, langweilig. Aber dafür scheint die Sonne.» Hätten sie wenigstens ein paar Demonstranten, dann wärs interessanter. 

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