Seit 1910 gibt es in Basel nicht nur die Fasnacht, die anders ist als alle anderen Fasnachten der Welt, sondern auch ein Fasnachts-Comité. Nicht selten weht ihm ein rauer Wind entgegen. Oder, wie es ein ehemaliger Comité-Obmann formuliert: «Das Comité ist so etwas wie eine Pissoir-Wand.» Will heissen: Sorgen der aktiven Fasnächtler, ob gross oder klein, werden grundsätzlich und schnell einmal den Organisatoren des Cortège angelastet.
Wer die Aufgaben des Comités studiert, mag sich fragen, warum die Wogen zuweilen derart hoch gehen. Die derzeit 13 Mitglieder organisieren den Cortège, also den offiziellen Umzug am Montag- und Mittwochnachmittag, sowie die Laternen-, Wagen- und Requisitenausstellung. Sie geben die Fasnachtsplakette und den Fasnachtsführer heraus, organisieren das «Drummeli» und das offizielle Preistrommeln und -pfeifen. Das Comité verteilt die Subventionen unter den Teilnehmern. Und: Es pflegt den Kontakt mit der Basler Regierung.
«Wir sagen hier Danke für die Fasnacht»
Montagnachmittag, Wettsteinbrücke. Es ist 14.15 Uhr, zwei Grad Celsius, 70 Prozent Luftfeuchtigkeit, ein rauer Wind bläst, als die vier Comité-Mitglieder exakt in der Mitte der Brücke hin- und hereilen.
Hochbetrieb. Vom Wettsteinplatz her kommt Clique um Clique, vom Kunstmuseum her ebenfalls. Die vier Comité-Mitglieder haben viel zu tun: Rheinauf- und rheinabwärts lupfen sie ihre Hüte, verneigen sich vor den vorbeiziehenden Trommlern, Pfeifern, Laternenträgern, Guggen, Waggis-Wägen, Chaisen – schlicht vor allem und jedem, was da vorbeikommt.
Und dazu lächeln sie. Sammeln Zeedel ein. Plaudern mit aufdringlichen Waggissen. Nehmen Blumen entgegen. Oder Schnaps. Oder Blumen und Schnaps. Bewundern Laternen. Und lupfen den Hut gleich noch einmal. «Wir sagen hier Danke für die Fasnacht», fasst André Schaad, seit 2007 im Comité, zusammen.
Ein Riesenaufwand
Schaad, selbst Pfyffer bei der Seibi-Clique, dreht sich um, das lange Haar im Wind, und hebt den Hut für einen Waggis-Wagen. «Es ist eine Ehrerbietung», sagt er. Und fügt an: «Für mich ist es die letzte Fasnacht im Comité.»
Maximal 20 Jahre lang darf man im Comité sein. Schaad hört früher auf. Ohne Groll. Doch er sagt, er freue sich darauf, wieder exklusiv mit seiner Clique unterwegs zu sein. Und je nach Aufgabe gibt das Amt durchaus viel zu tun. Schaad war für die Organisation des «Drummeli» verantwortlich. «Eine Riesenkiste. Sicher 1000 Arbeitsstunden gehen allein dafür drauf», sagt er. «Das muss man machen wollen.»
Schmerzt das manchmal, wenn die Arbeit des Comités von Aktiven hart kritisiert wird? Schaad schmunzelt: «Gewisse Sachen kommen halt aus einer anderen Zeit. Und sie passen nicht mehr unbedingt – wie etwa die Geheimhaltung in finanziellen Dingen», sagt er. «Aber im Allgemeinen sind die Angriffe nicht so ernst gemeint. Wie bei Basel gegen Zürich ist das bei Fasnacht gegen Comité», so Schaad. Der diesjährige Aufstand der Olympia-Clique? «Ach, die haben ja weniger das Comité als die Medien an der Nase herumgeführt», ist er sicher.
André Schaad schenkt sich und seinen Kollegen ein Cüpli ein, doch bevor sie den ersten Schluck trinken können, sind sie von neuen Formationen umringt. Lassen ihre Cüpli stehen, lüpfen den Hut, verneigen sich.
«Keine Zeit für Notizen»
«Ich mache das seit dem Jahr 2000», sagt Pia Inderbitzin. Eine neue Clique ist im Anmarsch, Inderbitzin winkt, verneigt sich, strahlt über das ganze Gesicht. Was Sie an ihrem Amt am meisten schätzt? «Es ist jedes Jahr einfach nur toll, wie die ganze Fasnacht hier zu einem kommt, das ist das Schönste», sagt sie, und man spürt: Sie meint jedes Wort ernst.
Inderbitzin, selbst Pfyfferin bei Déjà Vü, verneigt sich vor einer jungen Garde einer Clique. Wenn die Fasnacht vorbei ist, wird sie die Clique mit den anderen bewerten müssen. Dann geht es auch um die Verteilung der Subventionen. Wie macht man diese Arbeit?
«Für Notizen haben wir hier während des Cortège keine Zeit», sagt sie, und man versteht warum: Links und rechts wird gegrüsst, gesprochen, werden die grossen Plaketten vom Comité («am Mittwoch gibt es Blumen») verteilt. Doch die «Eindrücke, die bleiben natürlich», sagt Pia Inderbitzin. «Und wir lesen jeden Zeedel, damit wir das Sujet wirklich verstehen. Und von jeder Clique wird ein Foto gemacht. So ist dann eine echte Bewertung im Nachhinein möglich», sagt sie.
Sportlicher Umgang mit Kritik
Die bisweilen gehässigen Voten gegenüber dem Comité nimmt sie sportlich: «Irgendjemanden muss man ja als Reibungsfläche haben», sagt sie, und fügt an: «Wir nehmen Kritik auch ernst. An gewissen Dingen muss man arbeiten und es besser machen.» Dass sich eine Fasnacht gegen etwas, das wie eine «Obrigkeit» wirke, auflehne, das sei nichts weiter als normal.
Aber Pia Inderbitzin betont: Der Einfluss des Comités sei auch beim Finanziellen beschränkt. «Nur 25 Prozent der Subventionen sind von unseren Bewertungen abhängig, 75 Prozent gibt es einfach so pro Kopf», betont sie. Und weiter: «Man vergisst auch gerne die Direktsubventionen über die Plaketten: 30 Prozent des Verkaufspreises gehen direkt an die Cliquen, die sie verkaufen.»
Es ist bald 16 Uhr. Die Damen und Herren vom Comité strahlen, grüssen, verneigen sich. Die Gegrüssten verneigen sich ebenfalls, zeigen sich von ihrer besten Seite. Die Basler Fasnacht ist in vollem Gange. Am Abend werden auch die Comité-Mitglieder mit ihren Cliquen unterwegs sein. Dann machen auch sie nicht mehr #anderschtfasnacht, sondern einfach mit.