Der kürzlich veröffentlichte Verkehrsentwicklungsbericht des Astra bestätigte einmal mehr, was Autopendler zu spüren glauben und Radiohörer in den Verkehrsmeldungen mehrmals täglich gesagt bekommen: Der Verkehr auf den Nationalstrassen hat 2016 erneut zugenommen (plus 2,4 Prozent) und damit auch die Anzahl der Staustunden. Diese stiegen um 5,4 Prozent auf insgesamt 24’066 Stunden an.
Auch bei den örtlichen Stauschwerpunkten werden sich die Radiohörer bestätigt fühlen:
- Spitzenreiter ist mit 355 Stautagen pro Jahr die Nordumfahrung Zürich bis Winterthur auf der A1
- Knapp dahinter rangieren auf den Plätzen zwei und drei der Gubristtunnel (354 Stautage) und der Grossraum Baregg bei Baden (346).
- Dann folgen die Abschnitte Bern-Kriegstetten sowie die Umfahrungen von Genf und Lausanne mit jeweils rund 280 Stautagen.
- Die Portale des Gotthardtunnels liegen mit 185 (Süd) und 140 (Nord) Stautagen bereits weit dahinter.
- Auf dem letzten Platz der Top Nine der Stauschwerpunkte liegt der Grossraum Belchentunnel mit 118 Stautagen.
Grossraum Basel ist kein Stauschwerpunkt
Aber was ist mit Basel? Auch wenn zum Beispiel der «Schwarzwaldtunnel» in den Verkehrsmeldungen oft genannt und die Osttangente als nationaler Engpass herumgereicht wird, fand Basel keinen Einzug in die Liste der Stauschwerpunkte.
Gibt es im Grossraum Basel demnach vergleichsweise wenig Stau? Dies würde sich mit den Ergebnissen einer Mobilitätsstudie der Credit Suisse aus dem Jahr 2014 decken. Dort landete Basel im Pendlerstau-Index weit hinter Zürich, Genf, Lausanne und Bern (und kleineren Städten wie Zug) auf Platz zehn.
Am Verkehrsaufkommen kann das aber nicht liegen. Hier liegt der Abschnitt Muttenz-Hard mit durchschnittlich 132’000 Fahrzeugen pro Tag hinter Wallisellen an zweiter Stelle, während es der Abschnitt Gellert Nord mit 102’000 Fahrzeugen immerhin noch auf Platz neun schafft.
Nur zwei bis elf Staustunden pro Monat?
Also fragen wir bei Astra nach. Die Zahlen, die uns das Bundesamt auf einer detaillierten Tabelle liefert, sind verblüffend: Der Messpunkt Basel, Badischer Bahnhof, weist zum Beispiel für das Jahr 2016 zwei bis elf Staustunden aus. Pro Monat wohlgemerkt und nicht etwa täglich. Die Zahlen für die Messpunkte Basel Breite und Basel St. Jakob sind ähnlich tief.
Kann das tatsächlich sein?, fragen wir uns und erneut das Astra. Dort gibt man sich, konfrontiert mit den eigenen Zahlen, ebenfalls verblüfft und verspricht, diese abzuklären.
Weil die Antwort selbst für die Ferienzeit lange auf sich warten lässt, fragen wir noch ein- zweimal nach, bis wir Thomas Rohrbach, stellvertretender Bereichsleiter Information und Kommunikation vom Astra am Draht haben. Die Zahlen seien nicht falsch, erklärt er, sie sagten aber über die tatsächliche Stausituation wenig bis nichts aus. «Es kann sein, dass sich der Verkehr etwa beim Messquerschnitt Badischer Bahnhof zum Beispiel im April 2016 nur zwei Stunden staute, viel aussagekräftiger ist es, wenn man die Anzahl Stautage auf dem ganzen Abschnitt von St. Jakob bis Landesgrenze vor sich hat.»
Wenig verlässliche Zahlen
Wirklich verlässlich sind die Stauzahlen, die das Astra veröffentlicht, nicht. Eine automatisierte Erfassung der Verkehrsbehinderungen auf dem gesamten Autobahnnetz existiert nämlich nicht, sodass das Astra und die nationale Verkehrsinformationszentrale Viasuisse noch immer auch auf mehr oder weniger objektive Beobachtungen und Meldungen der Polizei, der nationalen Verkehrsmanagementzentrale oder von Verkehrsteilnehmern angewiesen ist.
Anders geht der Navigationsdienstleister Tomtom vor. Er analysiert die GPS-Daten seiner Navigationsgeräte. Beim Traffic Index von Tomtom landet Basel in Sachen Stau hinter Genf, Zürich, Lausanne und Lugano, aber noch vor Bern auf Platz fünf.
Das klingt insofern einleuchtend, weil man damit einen Wert erhielte, der sich mit den bereits genannten Stauschwerpunkten vergleichen lässt. Diese Zahlen, gibt sich Rohrbach überzeugt, würden aufzeigen, dass die Stausituation auch in Basel brenzlig sei.
«Mehrere Staustunden pro Woche»
Also warten wir noch einmal auf weitere Zahlen. Nach mehrmaligem Nachfragen folgt ein E-Mail von Astra-Sprecher Rohrbach. Die versprochenen Zahlen finden sich darin nicht. Rohrbach bleibt bei verallgemeinernden Aussagen:
Die A2 in der Region Basel ist ein Engpass der Stufe 3 – der höchsten und gravierensten Stufe. Sie gehört demnach in dieselbe Kategorie wie die A1 in den Regionen Genf und Lausanne, zwischen Luterbach und Härkingen (SO), im Limmattal sowie rund um Zürich bis Winterthur. Stufe 3 heisst, dass bereits heute täglich Kapazitätsprobleme bestehen und mehrere Staustunden pro Woche gezählt werden.
«Mehrere Staustunden pro Woche» reichen aber trotz «Engpass der Stufe 3» offensichtlich nicht aus, um in der Hitparade der Stauschwerpunkte oben mitspielen zu können.
Zumindest auf Stadtgebiet nicht. Erst wenn man den Perimeter viele Kilometer weiter nach Norden erweitert, holt die Region Basel auf. «Heute ist es so, dass praktisch an jedem Werktag mindestens ein Stauereignis zwischen der Verzweigung Augst und den Landesgrenzen zu Deutschland und Frankreich festgestellt wird», schreibt Rohrbach.