Donnerstagnachmittag um 14 Uhr am Birsköpfli, Lufttemperatur: gefühlte 28 Grad. Wassertemperatur: Die Blase häts gern wärmer. Frage an die Tochter: «Musst du mal brünzeln?»
«Mama, in Basel sagt man bieseln.»
«Ich rede, wie mir der Schnabel gewachsen ist. Musst du?»
«Nein, ich muss nicht.»
Zehn Minuten später hopst die Tochter hin und her. «Mama, ich muss bieseln. Komm schnell.» Sprint zur öffentlichen Toilette. Da steht bereits eine Frau, Gesicht gestresst, Beine zusammengeklemmt. «Die Toilette ist geschlossen. Soll ich jetzt etwa hinter den Busch bieseln?»
Keine abwegige Idee. Männer tun das oft. So oft, dass sie sogar eine eigene taxonomische Sonderkategorie erhalten haben. Die Rede ist vom «Wildpinkler». Im Gegensatz zu anderen Stinkern wie etwa der Baumwanze ist dieser Schädling nicht importiert, sondern gezüchtet von Leuten, die nur an kurzfristige Profite denken, an Absatzmengen von Malzsaft und anderen Nektar-Sorten, nicht aber an die langfristigen Auswirkungen aufs Ökosystem Basel (Stichwort Luftqualität). Mit den steigenden Temperaturen am Rheinbord verbreitet sich der Wildpinkler nämlich sprunghaft.
Ein Problem sind vor allem die Männchen. Die TagesWoche weiss zwar von zwei voneinander unabhängigen Quellen: Es gibt Weibchen, die brünzeln in der Nacht auch mal in die Blumenrabatte im Schützenmattpark oder hinter die Autos am Rheinbord. Und in Parks und auf Spielplätzen sieht man immer wieder Kinder, die hinter den Bäumen verschwinden. Aber statistisch sind das wohl Ausnahmen. Denn Daniel Hofer vom Tiefbauamt sagt, es seien vor allem Männer, die wildpinkeln.
Warum ist das so? Ist wohl wie immer: Mann, der seine Hose aufmacht, ist okay. Frau, die Hosen runterlässt, ist daneben.
Die Frauen sollten aber damit anfangen. Denn die Erfahrung der letzten Jahre zeigt: Je mehr Brünzli im Busch, desto mehr Toiletten stellt der Kanton auf.
Auf herkömmliche Eindämmungsmassnahmen gegen Wildpinkler wird verzichtet – es hat ja Einheimische darunter.
So versucht das Tiefbauamt den Wildpinklern seit Jahren Herr zu werden, auch auf Betreiben der Politik, die ein feines Gespür für drückende Themen hat. Auf herkömmliche Eindämmungsmassnahmen wird bei diesem Schädling aber verzichtet – es hat ja Einheimische darunter. Man versucht es mit einem Mittel aus der Ökonomie: dem Anreiz. Seit sechs Jahren stellt das Tiefbauamt im Sommer Gratis-Pissoirs auf, damit die Mannen in die Schüssel statt in den Busch pinkeln.
Man merke wieder: Mann holt sein Ding raus und wird belohnt. Frau geht leer aus – obwohl die viel öfters müsste. Zwar hat der Kanton nebst den Pissoirs vier zusätzliche Container am Rheinbord aufgestellt und die selbstreinigenden Toiletten, die auch Frauen gern benutzen, sind seit letzten Sommer gratis. Ob diese Gratis-Politik wildpinklermässig etwas bringt, will der Kanton noch im Verlauf des Frühlings kommunzieren.
Passt auf, wo Ihr Euer Bier hinstellt
Laut Daniel Hofer vom Tiefbauamt geht es den Baslerinnen und Baslern toilettenmässig nicht so schlecht. Zürich hat 107 öffentliche Toiletten für 424’000 Einwohner – das ergibt eine Toilette pro 4000 Einwohner. Basel-Stadt hat 86 – hier müssen sich nur 2300 Einwohner eine Toilette teilen.
Aber die Bilanz Männlein-Weiblein bleibt ungleich. Deshalb, Schwestern, brünzelt hinter den Busch. Dann bekommt ihr Eure Klos. Das schafft auch Arbeitsplätze, so die Toiletten nicht selbstreinigend sind: Vier Personen sind laut Hofer nämlich mit der Reinigung der öffentlichen Toiletten beschäftigt.
Die Not am Birsköpfli letzten Donnerstag endete schliesslich glimpflich. Die Mutter trank einen Kaffee im «Pelicano», worauf sie den Code fürs Restaurant-WC bekam. Das Kind fand ein Plätzchen in der Natur. Als kurz darauf ein paar Jungs ihr Bier in der Birs kaltstellten, sagte sie: «Nicht dort, dort habe ich doch gerade reingebieselt.» Ganz nach dem Motto: Urinieren statt sich zieren.