Das grosse Unbehagen

Die Verunsicherung nach dem Bahnschwellenbrand im Hafen macht ein altes Problem wieder sichtbar: Wenn es um mögliche Gefahren von Pharmaindustrie und Hafen geht, vertrauen viele Baslerinnen und Basler den Behörden nicht.

Der Rauch hat sich längst verzogen, das schlechte Gefühl ist geblieben: Am 27. Juli brennen im Hafen 2000 Bahnschwellen.

Paul Svoboda hat ein Problem. Man könnte es ein Expertenproblem nennen, die meisten Wissenschaftler kämpfen damit. Es geht um Wissensvorsprung. Und weil Wissen Macht bedeutet, geht es auch um ein Machtgefälle.

In diesem Sinn steht Svoboda als Chemiker, Biologe und Leiter der Abteilung Gewässerschutz im Amt für Umwelt und Energie (AUE) weit oben, während wir Laien von unten heraufschauen im Vertrauen darauf, dass unsereins dann schon Bescheid bekomme, wenn Gefahr aufzieht.

Sagen die uns die Wahrheit?

Von unten betrachtet, wirkt einer, der oben steht, manchmal wie ein Bösewicht. Besonders dann, wenn über der Stadt eine riesige schwarze Rauchsäule aufsteigt, weil in Kleinhüningen tonnenweise mit krebserregenden Stoffen versetzte Bahnschwellen in Flammen aufgehen und es danach in den Strassen noch stundenlang übel riecht.

Da können die zuständigen Ämter und Behörden noch so schnell entwarnen, es habe keine akute Gefahr bestanden. Es bleibt ein Unbehagen. Die Befürchtung, nicht die ganze Wahrheit erfahren zu haben. Und viele Fragen, von denen vor allem eine unter den Nägeln brennt: Weshalb genau soll der Brand dieser Schwellen, die als Sondermüll gelten und deshalb nicht offen verbrannt werden dürfen, ausgerechnet in diesem Fall so harmlos gewesen sein?

Martin Brändle, Velomechaniker und engagierter Klybeck-Bewohner, hat ein untrügbares Gespür für die Befindlichkeiten und Sorgen seines Quartiers. Also setzte er sich nach dem Brand bei der Rhenus AG vom 27. Juli mit Heidi Mück zusammen, ehemalige Grossrätin und Co-Präsidentin der BastA!, und sie schrieben gemeinsam einen offenen Brief.

Über 250 Menschen setzten ihre Unterschrift darunter. Das Schreiben ging unter dem Titel «Das stinkt zum Himmel!» an den Regierungsrat, ans AUE und an die Schweizerischen Rheinhäfen, auf deren Areal sich das Unglück abgespielt hat.

Die Kritik richtet sich besonders ans AUE, das als Zulassungsbehörde dafür zuständig ist, der Rhenus im Geschäft mit den Sonderabfällen auf die Finger zu schauen. Mück und Brändle stören sich daran, dass die kontaminierten Bahnschwellen seit über einem Jahr im Hafen gelagert und umgeschlagen werden, dabei Gestank und Staub verursachen und das AUE dennoch nicht tätig geworden sei.

«Das AUE hätte sich darum kümmern und den sofortigen Abtransport der Schwellen verlangen müssen – so wäre uns dieser Brand erspart geblieben», heisst es im Brief.

Erinnerungen an Schweizerhalle

Es ist nicht der Bahnschwellenbrand alleine, der die Briefschreiber umtreibt. Mück und Brändle zählen weitere Fälle auf, in denen das AUE in ihren Augen versagt hat. 2012 lagerte ebenfalls die Rhenus giftigen Chemiemüll aus dem Wallis in einer ungeschützten, offenen Halle. Das AUE reagierte erst, als Aktivisten eigene Messungen vornahmen.

Dann gab es 2013 den Fall mit der Lindan-Deponie am französischen Rheinufer, wo die Novartis seit Jahren eine Sanierung betreibt. Diese erfolgte zunächst unter ungenügenden Sicherheitsvorkehrungen, giftiger Lindan-Staub wurde bis ins Klybeck verweht, Geruchsbelästigung inklusive. Wiederum waren private Messungen nötig, welche die Belastung auf Basler Seite belegten, damit das AUE aktiv wurde.

Heute wird die Lindan-Sanierung vom AUE gerne als Vorzeigeprojekt bezeichnet. Wo früher weisse Zelte mit flatternden Planen die Grube abdeckten, stehen nun Hallen mit Unterdruck. Der Verlad des kontaminierten Materials auf Schiffe wurde modernisiert.

Die Novartis gebe dort freiwillig mehr als 200 Millionen Franken aus. Und man habe, obwohl sich die Deponie auf französischem Boden befinde, die konservativeren Schweizer Grenzwerte durchsetzen können, erzählt Paul Svoboda. Das AUE habe zusammen mit dem Lufthygieneamt ausserdem Informationsveranstaltungen im Quartier durchgeführt, nur seien diese nach der ersten Durchführung kaum mehr besucht worden.

Die Fortschritte in diesem einen Fall reichen den Briefeschreibern Brändle und Mück nicht aus.

«Wir verlangen, dass das AUE präventiv tätig wird und seine Aufgabe wahrnimmt, die Bevölkerung vor Risiken durch Giftstoffe zu schützen.»

Diese Sorgen teilten nicht nur Quartierbewohner aus dem Klybeck und Kleinhüningen, sondern Menschen aus der ganzen Stadt. Einer davon ist der ehemalige Regierungs- und Nationalrat Remo Gysin (SP). Weshalb hat er den offenen Brief unterschrieben?

«Bei solchen Ereignissen (dem Schwellenbrand, die Red.) frage ich mich, wo die Selbstverantwortung der Unternehmen geblieben ist. Diese scheint gerade bei Umweltthemen oft ungenügend vorhanden zu sein. Deshalb müssten die Behörden besonders wachsam sein. Dieser Brand hätte sich mit adäquaten präventiven Massnahmen verhindern lassen», sagt Gysin.

Und auch er stellt Fragen: «Weshalb lagen diese belasteten Schwellen monatelang im Hafen? Weshalb wurden der Rhenus immer neue Fristen gewährt, um die Schwellen zu entsorgen? Ich hoffe, dass die zuständigen privaten und öffentlichen Stellen, das AUE eingeschlossen, etwas aus diesem Brand lernen.»

«Ich sehe nicht, dass das AUE die Interessen der Bevölkerung vertritt.»


Urs Müller, früherer BastA!-Grossrat

Gysin ist eine besonders prominente Stimme. Wir haben mit vielen weiteren Personen gesprochen, die den Brief unterschrieben haben. So wünscht sich etwa auch Urs Müller, früherer BastA!-Grossrat, ein proaktiveres AUE. «Ich sehe nicht, dass dieses Amt die Interessen der Bevölkerung vertritt. In zu vielen Fällen wurde man dort erst auf Druck von aussen aktiv.»

Und die Kleinbaslerin Ruth Marx spricht aus, was wohl vielen Menschen durch den Kopf ging, als Ende Juli über Basel eine Rauchsäule aufstieg: «Ich musste sofort an Schweizerhalle denken. Diese Angst vor einem Chemieunfall schwingt in Basel seit dieser Katastrophe immer mit. Auch damals wurden wir nur schlecht informiert. Ich habe keinen Anlass zur Annahme, dass sich in der Kommunikationspolitik seither viel geändert hat. Dazu fehlt mir das Vertrauen.»

Der AUE-Chef fühlt sich missverstanden

Das Unbehagen ist also gross und das Zeichen an Chemiker Paul Svoboda und seine Kollegen überdeutlich.

Doch im AUE fühlt man sich vor allem missverstanden. Für viele der im offenen Brief angesprochenen Probleme sei man gar nicht zuständig, etwa für den Gesundheitsschutz. «Wir müssen uns hier gegen Vorwürfe wehren, die wir überhaupt nicht verantworten», klagt Svoboda. «Dieser Brief stellt einen direkten Angriff gegen uns dar, das hinterlässt Spuren bei den Mitarbeitern.»

Gewässerschützer Paul Svoboda stört sich persönlich auch an den Bahnschwellen, doch ihm sind die Hände gebunden.

Svoboda empfängt uns in seinem Büro. Der Naturwissenschaftler gibt sich grosse Mühe, uns alle erdenklichen Details zu erklären. Er breitet Ordner vor uns aus, historisches Kartenmaterial, komplizierte Grafiken, Datensätze zu den verschiedenen Ereignissen. Er gestikuliert, spricht mit Nachdruck. «Wir arbeiten hier alle mit Herzblut und grossem Einsatz.» So sei etwa der Fischereiaufseher diesen Sommer extra aus den Ferien zurückgekommen, weil die Fische unter der grossen Hitze leiden würden.

Recht schnell wird klar, Svoboda eignet sich für diese Geschichte nicht als Bösewicht. Die Vorwürfe im offenen Brief haben ihn tief getroffen. Er hadert damit, manchmal auch noch nach Feierabend. Die Bahnschwellen beispielsweise stören ihn persönlich auch. «Doch wir haben keine rechtliche Handhabe, der Rhenus dieses Geschäft zu verbieten. Wir machen hier keine Gesetze, wir vollziehen sie bloss.»

Unter Druck kam Svoboda auch in einem anderen Fall. Der Altlastenexperte Martin Forter ging im April 2018 zusammen mit Greenpeace mit einer Information an die Öffentlichkeit, dass sich unter dem Spielplatz neben der Primarschule Ackermätteli eine alte Chemiemülldeponie befinde. Die Forderung wurde laut, das AUE solle beim Ackermätteli eine Bohrprobe vornehmen, um eine Belastung definitiv ausschliessen zu können.

Giftmüll unter einem Kinderspielplatz – diesem Bild ist mit den Argumenten eines Wissenschaftlers kaum beizukommen.

Svoboda kann recht plausibel erklären, weshalb er eine solche Bohrung nicht für nötig hält. So sei etwa beim Bau des Spielplatzes über ein Meter des Bodens abgetragen und durch neues, unbelastetes Material ersetzt worden. Man habe darin aber nichts Auffälliges gefunden. Dort wo die Chemiemülldeponie laut Forter liegt, sei ausserdem mehrfach gebaut und auch Leitungen seien verlegt worden. «Auch zu diesen Bauarbeiten liegen uns keinerlei Hinweise auf Auffälligkeiten im Boden vor», sagt Svoboda.

«Eine solche Bohrung verursacht Kosten, mindestens 20’000 Franken, wobei eine einzelne Bohrung wohl nicht ausreichen würde. Wir müssen uns ganz genau überlegen, ob dieser Aufwand mit dem jetzigen Wissensstand gerechtfertigt ist.» Schliesslich handle es sich um Steuergelder.

Doch es ist ein ungleicher Kampf. Giftmüll unter einem Kinderspielplatz – diesem Bild ist mit den rationalen Argumenten des Naturwissenschaftlers und kostenbewussten Verwaltungskaders nur schlecht beizukommen. Ängste sind schneller geweckt, als sie mit harten Fakten zerstreut werden können.

Der Wissensvorsprung wird zum Hindernis.

Wem dient das AUE?

Eine kleine Velorundfahrt durchs Quartier mit Martin Brändle. Er wohnt seit 1986 im Klybeck, kennt jede Ecke und praktisch jeder kennt ihn. Brändle ist einer, der sich so richtig ärgern kann.

Wir stehen vor einem grossen Haufen Bahnschwellen auf dem Rhenus-Gelände im Hafen. Es riecht nach Teer und angekohltem Holz. Das macht Brändle sauer: «Das ist doch vollkommen ineffizient, wie hier gearbeitet wird», sagt er.

«Die Dinger werden in Bahnwagen angeliefert und in anderen Bahnwagen oder gar per Lastwagen abtransportiert – nicht etwa per Schiff. Es gibt keinen Grund, das hier im Hafen zu machen. Aber die Rhenus verdient Geld damit und wir müssen mit den giftigen Holzabfällen leben, die hier mitten im Siedlungsgebiet gelagert werden.»

Quartierbewohner Martin Brändle stört sich schon lange an den Schwellen, nach dem Brand ist seine Geduld aufgebraucht.

Brändle kennt noch weitere Beispiele. Bei der Lindan-Geschichte etwa hat er selbst beim AUE angerufen, um sich über den Geruch zu beschweren. «Ein ganzes Jahr lang hats im Quartier gestunken. Doch es ging ewig, bis dieser Gestank im AUE als Fakt anerkannt wurde», erinnert er sich. «Dabei befindet sich doch deren Büro in Kleinhüningen und die Angestellten müssen den Geruch auf ihrem Arbeitsweg wohl auch bemerkt haben. So was will mir nicht in den Kopf.»

«Es hiess, der Rauch sei nicht akut toxisch gewesen. Was soll das bedeuten? Es geht doch um längerfristige Risiken.»

Martin Brändle, Quartiebewohner

Wenig Verständnis hat Brändle auch für die Kommunikation des AUE in der aktuellen Diskussion ums Ackermätteli. «Da liess sich eine Angestellte des AUE mit den Worten zitieren, dass es mit dem Giftmüll nicht so tragisch sein könne, wenn neben dem Spielplatz diese prächtigen Platanen wachsen. Da sagt man lieber gar nichts, als so einen Blödsinn rauszulassen.»

Laut Brändle fehlt es bei den zuständigen Behörden an Sensibilität und Verantwortungsbewusstsein. «Das Amt für Umwelt und Energie sollte doch primär für die Umwelt da sein und nicht für die Wirtschaft. Doch mir scheint, das Gift von Chemie und Pharma wird billigend in Kauf genommen, weil es dem Wohlstand dient.»

Den Entwarnungen nach dem Bahnschwellenbrand kann Brändle denn auch wenig Glauben schenken: «Während des Brandes hiess es, der Rauch sei ungefährlich, später, er sei nicht akut toxisch gewesen. Was soll das überhaupt bedeuten, akut toxisch? Kampfgas? Es geht doch auch um längerfristige Risiken. Vielleicht haben wir nach zwanzig Jahren drei Krebstote hier, als Spätfolge dieses Feuers. Aber das kann man dann natürlich nicht mehr nachweisen.»

Zwei Arten der Risiko-Wahrnehmung

Längerfristige Risiken sind für Martin Roth im Ereignisfall nicht relevant. Als Kommandant der Kantonspolizei und Gesamtverantwortlicher für die Kantonale Krisenorganisation war er zuständig für den Einsatz am 27. Juli, als im Hafen die Schwellen in Flammen standen.

Roth erklärt: «Im Einsatz müssen wir in kürzester Zeit folgenreiche Entscheidungen treffen. Das geht nur mit einem absolut objektiven Blick. Wenn es brennt, müssen wir entscheiden, was jetzt, in diesem Moment das dringlichste Problem ist. Eine akute Gefahr hat höhere Priorität als ein allfälliges langfristig wirksames Risiko.»

Kommandant Martin Roth darf sich im Einsatz nicht von allfälligen, in der Bevölkerung subjektiv wahrgenommenen Risiken leiten lassen.

Polizist Roth hat das gleiche Problem wie Chemiker Svoboda: Seine Sicht auf ein Ereignis ist nicht die gleiche wie diejenige der Bevölkerung. Stinkt es in der ganzen Stadt nach Rauch, wird das möglicherweise als Risiko wahrgenommen. Doch solche subjektiven Risiken dürfen Roth in seinen Einschätzungen vor Ort nicht beeinflussen.

«Wir haben das allergrösste Interesse daran, dass es Basel gut geht. Wir wohnen hier mit unseren Familien.»

Martin Roth, Polizeikommandant

Wenn Roth verkünden lässt, es bestehe keine akute Gefährdung, redet er an den Leuten vorbei, die sich darum sorgen, dass sie und ihr Wohnquartier langfristig unter den Folgen dieses Bahnschwellenbrandes leiden könnten. Die Entwarnung wirkt nicht glaubhaft, weil sie nur einen Teil der Ängste ernst nimmt. Weil sie Fragen offen lässt und damit Raum für Spekulationen und diffuses Misstrauen.

Roth appelliert dennoch an das Vertrauen der Bevölkerung. «Meine Mitarbeiter und ich haben das allergrösste Interesse daran, dass es Basel gut geht. Wir sind Teil dieses Lebensraumes, wir wohnen hier mit unseren Familien.» Er habe im Sinne der Vertrauensbildung auch kein Problem damit, Transparenz zu schaffen, wo ihm das möglich sei. «Wir können nicht über laufende Ermittlungen sprechen, aber alles andere ist kein Geheimnis.»

Die Entschuldigung von Rhenus

Während die Staatsanwaltschaft weiterhin damit beschäftigt ist, den Brand und seine Ursachen aufzuklären, übt sich die verantwortliche Firma Rhenus in Demut. Ihr CEO Andreas Stöckli entschuldigte sich im «Telebasel-Talk» bei der Basler Bevölkerung: «Wir bedauern es sehr, dass es zu diesem Brand gekommen ist, und sind froh, ist dabei niemand zu Schaden gekommen. Dieser Rauch und die Flammen, das waren schreckliche Bilder, und wir hoffen, dass so etwas nie mehr passiert.»

Auch gab die Rhenus bekannt, ihre Schwellenbestände im Hafen Kleinhüningen zu halbieren und Sicherheitsvorkehrungen zu treffen, um so die Brandgefahr auf ihrem Areal zu minimieren. So sollen etwa Schneekanonen eingesetzt werden, um die Staubentwicklung zu dämpfen.

Für das Geschäft der Rhenus mit den Bahnschwellen ist vor Ort Bruno Imhof verantwortlich. Er erklärt, wie es möglich ist, die Bestände in so kurzer Zeit zu halbieren, wenn die Schwellen zuvor über ein Jahr lang im Hafen lagen: «Da wir von den SBB nun längerfristig mit der Entsorgung dieser Schwellen betraut sind, konnten wir ein grösseres Netz von Abnehmern aufbauen. Ausserdem verladen wir die Schwellen neu auch direkt per Bahn.»

«Der Zugang zum Hafengelände müsste viel stärker kontrolliert sein. Industrie und Spaziergänger, das verträgt sich schlecht.»

Bruno Imhof, Rhenus AG

Mit dem Brand habe diese Massnahme nicht viel zu tun, räumt Imhof ein. «Wir haben das auch ein wenig so verkauft, die Reduktion unserer Bestände hatten wir aber ohnehin so geplant.» Er sehe ein, dass es von aussen nicht gerade gut aussehe, wenn es erst brennen musste, bis die Rhenus diese Schwellen aus dem Hafen entferne. «Doch dieser Eindruck ist falsch.»

Die Öffentlichkeit, die der Rhenus seit diesem Bahnschwellengeschäft zuteil komme, erschwere die Arbeit, sagt Imhof. «Die Behörden schauen uns jetzt schon genauer auf die Finger.» Eine zusätzliche Sicherheitsmassnahme würde Imhof aber begrüssen: «Der Zugang zum Hafengelände müsste viel stärker kontrolliert sein. Oder dann müsste man den Hafen ganz der Bevölkerung überlassen. Aber Industrie und Spaziergänger nebeneinander, das verträgt sich schlecht.»

Schadstoffe im Rhein können zurückverfolgt werden

Weniger als einen Kilometer rheinabwärts vom Brandplatz steht die binationale Rheinüberwachungsstation (RÜS), die das AUE im Auftrag des Bundes und Baden-Württembergs betreibt. Fünf über die ganze Breite des Rheins verteilte Probennehmer kontrollieren hier die Wasserqualität und überprüfen das Wasser auf mehrere Hundert Substanzen. Es ist ein guter Ort, um sich anzusehen, wie Svoboda und seine Kollegen arbeiten. Die RÜS kann auf Anmeldung besichtigt werden.

Chemiker Reto Dolf leitet die Rheinüberwachungsstation, wo täglich die Wasserqualität untersucht wird.

Dank einem ausgeklügelten System von verschiedenen Messpunkten, Kenntnissen über die Strömungsverhältnisse und enger Zusammenarbeit mit anderen Wasserkontrolleuren können die Chemiker der RÜS die Herkunft der verschiedenen Substanzen im Rhein genau nachvollziehen. So ist es etwa 2013 gelungen, nachzuweisen, dass jemand 80 Kilogramm des Heroin-Ersatzstoffes Methadon in die Aare gekippt hat.

Mehrere Tage nach dem Brand wurden in der RÜS Rheinwasserproben entnommen und auf PAK untersucht, Polyzyklische Aromatische Kohlenwasserstoffe, mit denen die Bahnschwellen belastet sind. Es konnte keine erhöhte Belastung festgestellt werden, in den Rhein ist also nichts beziehungsweise keine gefährliche Menge gelangt.

Besuch im Umweltlabor

Dennoch, beim AUE ist die Rhenus nach dem Brand endgültig in den Fokus gerückt. Auch wenn sich im Rhein kaum Emissionen der Bahnschwellen nachweisen liessen, will es Paul Svoboda jetzt genau wissen. Als mitten in der Hitzewelle endlich Regen angekündigt wurde, schickte er einen Mitarbeiter raus in den Hafen. Dieser nahm Proben des Abwassers von den verschiedenen Lagerplätzen.

Abwasserproben von den verschiedenen Lagerplätzen der Rhenus werden beim AUE untersucht.

In grossen Glasflaschen steht die trübe Flüssigkeit nun auf dem Tisch im Umweltlabor des AUE. Chemiker sind damit beschäftigt, die Proben so vorzubereiten, dass sie auf die kritischen Stoffe untersucht werden können.

Ein paar Tage nachdem sie ihren offenen Brief verschickt haben, waren auch Heidi Mück und Martin Brändle zu Besuch im AUE. Die Begegnung hat Eindruck hinterlassen, zumindest bei Brändle. «Die Experten haben viel geredet, wir kamen kaum zu Wort. An unserer Kritik halten wir inhaltlich fest. Doch ich würde sie heute vielleicht etwas weniger scharf formulieren.»

Im persönlichen Gespräch kann eine Annäherung in kleinen Schritten also gelingen. Doch Paul Svoboda kann schlecht jeden empfangen, bei dem Ereignisse wie der Schwellenbrand oder der angebliche Giftmüll unter dem Ackermätteli Unbehagen auslösen. Und so bleiben die meisten Baslerinnen und Basler mit ihrem Unbehagen allein.

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