Der Brand im Basler Hafen wirft Fragen auf

Der Rauch hat sich verzogen. Doch das Grossfeuer im Basler Hafengelände in Kleinhüningen hinterlässt brennende Fragen. Die Antworten lesen Sie hier.

Noch ist vieles unklar nach dem grossen Feuer am Hafen.

Der Rauch von den brennenden Bahnschwellen war nicht zu übersehen. So hoch, so breit stieg er schwarzbraun in den Himmel, dass sogar der Flughafen Basel-Mulhouse eine Piste sperren musste.

https://tageswoche.ch/stadtleben/dicke-rauchwolke-ueber-dem-hafengelaende/

Ansonsten herrschte Verunsicherung. Von dem Zeitpunkt an, als es am Freitag, 27. Juli, auf dem Hafengelände in Kleinhüningen zu brennen begann – um 14.15 Uhr – sollte es 90 Minuten dauern bis zur ersten knappen Mitteilung von Behördenseite. Zu diesem Zeitpunkt waren weite Teile von Klein- und Grossbasel in Rauch gehüllt. Das Statement trug nicht zur Beruhigung bei. Verbreitet wurde es um 15.44 Uhr via Twitter:

Brand mit starker Rauchentwicklung im Basler Hafen. Polizei und Rettung Basel-Stadt empfehlen, das Gebiet zu umfahren und die Fenster zu schliessen. #kapoBS #rettung #brand #hafen

Vor Ort war zu erfahren: Eine Polizeipatrouille fährt durch die Gegend und fordert Quartierbewohner per Lautsprecher auf, nach drinnen zu gehen und die Fenster zu schliessen. Beim Dreiländereck holten Rettungskräfte Personen ab. Die Badi Bachgraben machte dicht. Wenige hundert Meter südlich des Brandes, am Rheinufer, wo Hunderte den Sommer genossen, kam niemand vorbei, um Warnungen auszusprechen. Dort brach Radio X, das von der Marina Bar sendet, wegen des Rauchs seine Zelte ab. Im Quartier: nicht wenige verunsicherte Menschen, die nicht gewarnt wurden.

Quartierbewohner haben nun drängende Anliegen. Der Velomechaniker Martin Brändle und BastA!-Politikerin Heidi Mück fordern den zuständigen Regierungsrat Christoph Brutschin (SP) in einem offenen Brief auf, «die Bevölkerung vor Risiken durch Giftstoffe zu schützen». Man fühlt sich vom Amt für Umwelt und Energie (AUE) schon länger nicht ernst genommen. Auch die Hafenverwaltung müsse einschreiten, fordern die Briefschreiber, und keinen Sondermüll mehr im Hafen lagern lassen.

Kurz: Auch nachdem das grosse Feuer gelöscht ist, bleiben viele offene Fragen. Die TagesWoche hat sie zusammengestellt. Die Antworten, so vorhanden, finden Sie hier.

Berge von Schwellen sind abgebrannt. Doch weitere 2000 Tonnen – etwa hier in der Aufnahme von Montag, 30. Juli – lagern weiterhin auf dem Hafenareal in Kleinhüningen. Sie werden nun eifrig bewässert.

Wie kam es zum Brand?

Die Brandursache ist laut Staatsanwaltschaft noch nicht geklärt und Gegenstand der Ermittlungen.

Welche Vorkehrungen hatte Rhenus Port Logistics getroffen, um einen Brand zu verhindern?

Die Firma will sich dazu angesichts der laufenden Untersuchung nicht äussern. Sie sagt aber, die Bahnschwellen seien regelmässig mit Wasser abgespritzt worden, um eine Staub- und Geruchsentwicklung zu unterbinden.

Warum wurden die Schwellen nicht längst abtransportiert – wie mehrfach zugesagt?

Entfernt wurden nur die Schwellen beim Navis-Gebäude – und zwar freiwillig, wie Rhenus mitteilt. Derzeit lagern nebst den 2000 Tonnen Bahnschwellen auf dem Brandplatz weitere 2000 Tonnen auf dem Gelände der Rhenus. Das entspricht total rund 13’000 Schwellen. Für die Lagerung liegt laut Rhenus eine Bewilligung der Behörden vor.

Auch nach dem Brand bleibt ein riesiger Scheiterhaufen zurück.


Wie lange dauerte es bis zum Eintreffen der Feuerwehr?

11 Minuten. Bei der Einsatzzentrale der Berufsfeuerwehr der Rettung Basel-Stadt ging eine erste Meldung um 14.19 Uhr ein, bei jener der Kantonspolizei Basel-Stadt um 14.21 Uhr. Um 14.22 Uhr war die interne Alarmierung bei der Berufsfeuerwehr abgeschlossen, um 14.23  Uhr rückte der erste Löschzug aus. Um 14.30 Uhr waren mehrere «Löschelemente» und Polizeikräfte vor Ort.

Wohin floss das Löschwasser ab?

Das Löschwasser sei zu einem grossen Teil aufgrund der starken Hitzeentwicklung verdunstet, erklärt das Amt für Umwelt und Energie. Der Rest wurde über den Lagerplatz ins Hafenbecken 1 entwässert, wo die Feuerwehr einen Teil der Schadstoffe mittels einer Ölsperre zurückhielt.

Also gelangten keine Giftstoffe in den Rhein?

«Trotz den Massnahmen ist mit Sicherheit Löschwasser mit Brandrückständen via Hafenbecken 1 in den Rhein gelangt», räumt AUE-Chef Matthias Nabholz ein. Welche Stoffe und in welchen Konzentrationen wird zur Zeit noch im kantonseigenen Umweltlabor analysiert. Ergebnisse sollen am Dienstag vorliegen. Die TagesWoche informiert, sobald die Ergebnisse bekanntgegeben werden.

Laut Medienmitteilung der Staatsanwaltschaft von Freitag, 17.20 Uhr, «konnte festgestellt werden, dass keine Gefahr für die Bevölkerung bestand». Laut SBB entsteht beim offenen Verbrennen alter Bahnschwellen hochgiftiger Rauch. Was wurde genau gemessen?

Mit den verwendeten Messgeräten können während Einsätzen «leichtflüchtige akut toxische Schadstoffe» gemessen werden, teilen die Behörden mit. Für die Feststellung der Schadstoffe waren sechs Messteams der Industriefeuerwehr (IFRB) und der Roche vor Ort. Konkret wurden «Kohlenmonoxid 10 ppm und Stickoxide 1 ppm» (ppm = parts per million, oder Teile pro Million Teile) gemessen – Werte, die «deutlich unter der maximalen Arbeitsplatzkonzentration» liegen. Doch die Rettung räumt in ihrer Antwort an die TagesWoche ein, dass während eines Einsatzes nicht alles gemessen werden kann. «Für weitere Stoffe müssen Proben analysiert werden», heisst es.

Welche Auflagen hatten die Behörden der Firma Rhenus für die Lagerung und den Brandschutz gemacht?

Die Dauer der Lagerung ist nicht speziell befristet. Es bestehen Auflagen, die zum Beispiel regeln, dass von Umschlagsorten und Zwischenlagern von Abfällen keine schädlichen oder lästigen Emissionen ausgehen dürfen, welche Boden, Wasser, Luft oder den Menschen und seine natürliche Umwelt gefährden können.

Allerdings wird die Betriebsbewilligung nun nach dem Feuer überprüft. Es werden Massnahmen diskutiert, um weitere Brände zu verhindern.

Warum wurden einige Bewohner vor Ort gewarnt, aber längst nicht alle?

Laut den Behörden fordert die Kantonspolizei Basel-Stadt bei Grossbränden mit starker Rauchentwicklung jeweils standardmässig die betroffene Quartierbevölkerung via Lautsprecher auf, Fenster und Türen geschlossen zu halten. Rauch sei immer belästigend und könne beispielsweise Unwohlsein auslösen, unabhängig ob sich noch weitere Stoffe in der Luft befinden. Zu den üblichen Vorgehensweisen zähle – je nach Lage – auch die Direktinformation von besonders exponierten, lokal ansässigen Institutionen (beispielsweise Spitäler, Ambulatorien, Altersheime, Schulen, Freizeiteinrichtungen etc).

Beim Schwellenbrand schätzte die Einsatzleitung der Berufsfeuerwehr und der Kantonspolizei einen Sirenenalarm sowie andere Sofortmassnahmen zum Schutz der Bevölkerung als unverhältnismässig respektive nicht notwendig ein. Dies aufgrund einer ersten Lagebeurteilung und möglicher Gefährdungen, die sich durch den Brand ergeben könnten. Sie kam zum Schluss, dass sich das Ereignis mit den vorhandenen Mitteln bewältigen lässt.

Warum wurden Besucher des Dreiländerecks evakuiert und ebenso die Badi Bachgraben, während an anderen Orten – Spielplätzen, oder beim Rheinufer (Marina) – niemand kam, um die Menschen zu warnen?

Antwort der Kantonspolizei Basel-Stadt: «Weder die Rettung Basel-Stadt noch die Kantonspolizei Basel-Stadt haben solche Evakuationen vorgenommen oder veranlasst. Allerdings: Unmittelbar nach dem Eintreffen der Polizei konnte der Kontakt zu den anwesenden Mitarbeitern der betroffenen Firma hergestellt (der Rhenus, d. Red.) werden. Zudem befand sich bereits ein Mitarbeiter der Schifffahrtspolizei vor Ort. Diese Personen wurden durch die Polizei aus dem Gefahrenbereich begleitet. Weitere Personen, welche sich im Bereich Dreiländereck/Sandoase aufhielten, konnten um 17.30 Uhr mit dem Schiff (Christoph Merian) oder zu Fuss (begleitet durch die Polizei) das Gebiet verlassen. Zudem hätte das Polizeiboot Basilea 09 für rasche Evakuationen zur Verfügung gestanden. Es kann festgehalten werden, dass für die vorgenannten Personen zu keinem Zeitpunkt eine Gefährdung bestand.»

Die Kommunikation der Behörden beim Ereignisfall wurde scharf kritisiert. Hätte man nicht deutlicher, flächendeckender vor dem Rauch warnen sollen?

Die Medienstellen des Justiz- und Sicherheitsdepartements sowie der Staatsanwaltschaft halten zu dieser Frage grundsätzlich Folgendes fest: «Die Behörden können bei solchen Ereignissen anfänglich nur eine Sachverhaltsbestätigung geben, bis gesicherte Informationen vorliegen. Sie können nur gesicherte Informationen verbreiten, was in Zeiten von ‹Leserreportern› und Sozialen Medien namentlich punkto Geschwindigkeit eine Herausforderung darstellt. Hinzu kommt, dass die Behörden in ihrer Informationstätigkeit immer wieder auch die Wirkungsweisen ihrer Kommunikation und die Folgen (beispielsweise Panik bei einem unverhältnismässigen Sirenenalarm) bedenken und beachten müssen. Es gilt mithin, die Kommunikationsbedürfnisse von Bevölkerung und Medien, die bekannten Fakten, konkrete Gefährdung sowie die Wirkung und Verhältnismässigkeit von Kommunikationsmassnahmen zu beurteilen.»

Trotzdem hätten sich manche eine schnellere Kommunikation gewünscht. Zumal das Ereignis nach kurzer Zeit in der ganzen Stadt zu sehen und zu riechen war. Der Brand wurde um 14.19 Uhr bei der Feuerwehr gemeldet. Erst um 15.53 Uhr wurde die erste ICARO-Meldung (Information Catastrophe Alarme Radio Organisation; dort sind die Schweizerische Radio- und Fernsehgesellschaft, aber auch diverse Lokalradios angeschlossen) zur Direktinformation der Bevölkerung versandt. Um 15.50 Uhr fand eine erste mündliche Information zum Brandfall durch den Mediensprecher der Staatsanwaltschaft vor Ort statt.

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