Kopfschmerzen, Herzrhythmusstörungen, schlaflose Nächte, physische und psychische Zusammenbrüche: Ein tiefer Brummton raubt Bewohnerinnnen und Bewohnern im Basler St.-Johann-Quartier den letzten Nerv, wie die «Basler Zeitung» berichtete. Einige Menschen ziehen gar aus ihren geliebten Wohnungen aus, weil an Schlaf – oder ein normales Leben im Wachzustand – wegen des Lärms nicht mehr zu denken ist.
Die Betroffenen im BaZ-Artikel wohnten östlich des neuen Biozentrums an der Wilhelm His-Strasse, nur wenige Schritte vom Rheinufer entfernt. Nun haben sich bei der TagesWoche weitere Betroffene gemeldet. Sie wohnen westlich des Biozentrums – ein Mann an der Hebelstrasse, ein Leidender mit seiner Frau am St.-Johanns-Ring. Luftlinie zu den Brumm-Opfern aus der BaZ: rund 750 Meter. Alle beschreiben exakt dasselbe Phänomen.
«Wie ein Schiffshorn tief unter der Erde»
Es möge vielleicht seltsam klingen, so ein Leser* gegenüber der TagesWoche, «aber ich kann bestätigen: Die Symptome Kopfweh, Schlaflosigkeit und Herzrhythmusprobleme treffen auch auf mich und meine Lebenspartnerin zu». Dafür verantwortlich sei das Brummen. Es mache sie beide «ratlos, weil es dafür kaum rationale Gründe gibt. Wir haben auch nicht den geringsten Hang zu Angstneurosen oder Hypochondrie.»
Wenn es brummt, fühle es sich an, als sei man «radioaktiver Strahlung» ausgesetzt. Deshalb würden auch sie erwägen, wegzuziehen: «Irgendetwas ist hier nicht koscher.»
Doch was? Über die Ursache der Brummtöne können sie ebenfalls nur spekulieren. Im Verdacht steht, wie bei manchen Anwohnern, an erster Stelle die Baustelle beim Biozentrum, die im Quartier für Vibrationen sorgt.
Alles ist möglich, nichts ist sicher
«Es klingt wie ein Schiffshorn, das tief unter der Erde ertönt», sagt ein weiterer vom Brummen geplagter Leser. Die Geräusche seien zum ersten Mal im Jahr 2016 zu hören gewesen. «Wir waren im Haus sicher, dass es etwas mit der Fernheizung zu tun hat.» Nach langem Hin und Her hätten die IWB jemanden vorbeigeschickt. «Der schraubte etwas an den Heizungen herum, liess etwas Druck ab.» Genützt hat es nichts: «Das Geräusch ist noch da. Es kommt aus dem Boden!»
Im Verdacht stehen nicht nur die IWB – auch der Leser an der Hebelstrasse hat das Gefühl, die Baustelle müsse «etwas ausgelöst» haben. Nur was? Die IWB wollen es nicht sein, und das Amt für Umweltschutz und Energie (AUE) hat bis jetzt keine Quelle gefunden, wie die «Basler Zeitung» berichtete. Messungen seien längst im Gange. Aber bisher konnte die Ursache des Brummens nicht gefunden werden.
«The Hum» – Basel brummt nicht allein
Es wird die Leidtragenden im St. Johann nicht trösten, aber sie sind alles andere als allein: Das Brummen ist ein globales Phänomen, hat gar einen Namen. «The Hum», oder auf Deutsch «Brummton-Phänomen», nennt sich die gehäufte Wahrnehmung von tiefen, niederfrequenten Tönen oder Geräuschen. Es kommt laut der BBC immer wieder vor.
In den 1970er-Jahren wurden Brummtöne in Grossbritannien laut und häufig – in den USA ist es der «Taos Hum», in England der «Bristol Hum», in Kanada der «Windsor Hum». Das Phänomen beschäftigt die Menschen immer wieder. In manchen Fällen gehen Experten von Ohrproblemen (Tinnitus) der Brummton-Klagenden aus – oder es werden psychologische Probleme diagnostiziert.
Doch viele Brummton-Phänomene sind keine Einbildung, sondern messbar. So, wie es der Basler Fall ebenfalls sein soll. Den Bewohnern des St. Johann ist zu wünschen, dass es ihnen ergehen wird wie den Menschen, die unter dem «Seattle Hum» gelitten haben. Der ist mittlerweile verstummt: Die verantwortliche Firma, einmal gefunden, hat dem Brummen mit neuen Schalldämpfern auf ihren Maschinen den Garaus gemacht.
*Namen der Redaktion bekannt
Wer sich für eine Arbeit zum Brummton-Phänomen interessiert (Englisch): Deming, David. The Hum: An Anomalous Sound Heard Around the World. Journal of Scientific Exploration, Vol. 18, No. 4, pp. 571–595, 2004.