Jahr für Jahr gehen in den beiden Basel rund 1900 Lebensjahre verloren. Schuld daran: die Schadstoffe in der Luft. Das hat das Schweizer Tropen- und Public-Health-Institut (TPH) für den Luftreinhalteplan 2016 vorgerechnet.
Es ist keine Neuigkeit, dass die Basler Luft mit einer Vielzahl von Schadstoffen belastet ist. Seit Jahren, wenn nicht Jahrzehnten warnen Experten vor Stickstoffdioxid, jenem Verbrennungsgas, das von Motoren in die Luft gepustet wird. Und auch wenn die Schadstoffwerte jedes Jahr sinken, bleiben sie über den gesetzlich festgelegten Grenzwerten.
Die Folgen: Herz-Kreislauf- und Atemwegserkrankungen, Asthma, Spitalaufenthalte und – eben – ein verkürztes Leben. Für Basel-Stadt und Baselland ergibt das laut TPH Gesundheitskosten von rund 242 Millionen Franken pro Jahr wegen mangelnder Luftqualität – das sind 500 Franken pro Person.
Und nicht nur die Gesundheit leidet unter den Schadstoffen in der Luft: 363 Millionen Franken Schaden entstünden den beiden Basel jährlich durch Gebäudeschäden, Ernteausfälle und Klimafolgeschäden, rechnet Grünen-Grossrat Raphael Fuhrer in einer Interpellation vor.
Trotz Gesundheitsbelastung und hohen Kosten: In der Diskussion über Luftqualität, Grenzwerte und Schadstoffe scheiden sich die Geister. Sei es auf kantonalem, nationalem oder gar internationalem Parkett. Das treibt auch exotische Blüten, etwa wenn Ulrich Giezendanner, Transportunternehmer und SVP-Nationalrat, lieber EU-Normen für Grenzwerte möchte, als bei der strengeren Schweizer Variante zu bleiben.
Verbotsabsichten gibt es nicht nur in Deutschland, auch in der Schweiz liebäugeln einige Politiker immer wieder damit.
Er will damit verhindern, dass die Schweizer Städte einen triftigen Grund haben, Dieselverbote in den Innenstädten auszusprechen, wie es in Deutschland derzeit diskutiert wird. Nach einem Bundesgerichtsurteil von Ende Februar will Hamburg als erste Stadt noch im Frühling Fahrverbote aussprechen, Stuttgart plant gar ein beinahe komplettes Fahrverbot für Dieselautos.
Das Lufthygieneamt wurde Opfer des eigenen Erfolgs
Verbotsabsichten gibt es nicht nur in Deutschland, auch in der Schweiz liebäugeln einige Politiker immer wieder damit. 2010 war es der damalige Bundesrat Moritz Leuenberger, der sie auf den Tisch brachte. Das Anliegen scheiterte an der Mehrheit der Kantone, während sich die Städte für die Möglichkeit eines Fahrverbots ausgesprochen hatten. Bis heute ist dies ein ungelöstes Problem.
«Wir können die Dieselmotoren nicht einfach aus den Städten verbannen, dafür brauchen wir ein Bundesgesetz», erklärt der zuständige Basler Regierungsrat Christoph Brutschin im Interview mit der TagesWoche.
Ihm seien die Hände gebunden, ganz egal, welche Schadstoffmengen Basel verzeichnet, sagt er. Forscher ist da sein Genfer Amtskollege Luc Barthassat, der Anfang März ankündigte, an Tagen mit starker Luftverschmutzung temporäre Fahrverbote auszusprechen.
Auch Andrea von Känel, der Leiter des Lufthygieneamts beider Basel, würde sich ein solches Fahrverbot wünschen. Allerdings forciert er dieses Anliegen nicht mehr. «Weil die Luftqualität in den vergangenen Jahren immer besser wurde, haben wir kein wirkliches Argument mehr für solche Umweltzonen», sagt von Känel. Das Lufthygieneamt wurde quasi Opfer seines eigenen Erfolges.
Dafür verfolgt das Amt andere Ansätze. «Wir wollen die Leute für die Probleme sensibilisieren», sagt von Känel. Und etwa die Pendler in der Innenstadt dazu motivieren, mit emissionsarmen Fahrzeugen zu fahren oder auf den öffentlichen Verkehr umzusteigen.
Der Skandal um die gefälschten Abgaswerte von Dieselmotoren, dessen Aufdeckung die deutsche Autoindustrie durchschüttelte, hat auch in Basel Auswirkungen. «Der Dieselskandal hat uns mehrere Jahre zurückgeworfen», sagt von Känel. Denn auch sein Amt glaubte den Abgaswerten, stufte Dieselautos als umweltfreundliche Fahrzeuge ein und hat in seine Prognosen einberechnet, dass die Schadstoffmengen dank der Verwendung von «sauberen» Dieselmotoren geringer werden. Zu Unrecht, wie von Känel heute weiss.
Schadstofffalle Feldbergstrasse
Auch darunter leidet heute die Feldbergstrasse, jener Strassenabschnitt, welcher eine der höchsten Stickstoff-Konzentrationen in der ganzen Schweiz aufweist. Von Känel betont wiederholt, dass sich die Luftqualität in den vergangenen dreissig Jahren spürbar verbessert hat. Dennoch ist für ihn klar: Seine Arbeit ist noch lange nicht beendet.
80 Mikrogramm Stickstoffdioxid dürfen pro Tag und Kubikmeter maximal gemessen werden. Ein Tagesgrenzwert, der in der Feldbergstrasse 2017 erstmals nicht überschritten wurde. Das bedeutet allerdings noch nicht, dass die Luft in der stark befahrenen Strasse jetzt gut ist: Noch immer wird das erlaubte Jahresmittel von 30 Mikrogramm pro Kubikmeter dauerhaft überschritten.
Die Feldbergstrasse und die Nauenstrasse werden immer ein Luftproblem haben wegen ihrer Bauweise.
Stickstoffdioxid sorgt vor allem kurzfristig für gesundheitliche Beschwerden, kann aber auch zu chronischen Krankheiten führen. Noch gefährlicher ist der mikroskopisch kleine Feinstaub: Dieser feine Russ setzt sich in den Lungen ab und kann gar die Blut-Hirn-Schranke durchbrechen. Und er ist stark krebserregend. Auch der Tagesgrenzwert für Feinstaub wurde 2017 mehrmals überschritten.
Von Känel ist dennoch überzeugt, dass sich die Situation weiter verbessern wird. «Bis in spätestens zehn Jahren werden wir die Stickstoffdioxid-Ausstosse so weit im Griff haben, dass es in der Region nur noch wenige Hotspots geben wird.» Allerdings werden gerade die Feldbergstrasse oder auch die Nauenstrasse wohl auch weiter zu diesen gehören – wegen der städtebaulichen Anordnung, die eine gute Durchlüftung beinahe verunmöglicht. Von Känel will in Zukunft aus diesen Fehlern lernen: «Bei zukünftigen Planungen muss die Lüftung ein Kriterium sein.»
Die grösste Arbeit bleibt für von Känel auch in Zukunft, die Bevölkerung für das Problem zu sensibilisieren. Denn Stickstoffdioxid, Feinstaub oder Ozon sieht und spürt man nicht. Und realisiert deshalb nicht, dass sie da sind.
«Die meisten Beschwerden erhalten wir noch immer, wenn beispielsweise die Bauern güllern und es stinkt oder weil man in der Stadt die Abluft aus einem Restaurant riecht», sagt von Känel. «Über zu viele Schadstoffe von der Autobahn beschweren sich die Leute nicht.»