In der grünen Oase im Kleinbasel zeigen sich die Probleme und Konflikte der Stadtentwicklung. Wir haben mit den Leuten gesprochen, die das Areal täglich nutzen und wollten von ihnen wissen: Was bedeutet euch der Landhof? Wie soll er in Zukunft sein?


Tom, 10 Jahre alt

Den weisesten Satz in dieser Geschichte wird ein Kind sagen, Tom, zehn Jahre alt, am und auf dem Landhof zu Hause. Hier streifen wir durch dichtes Gebüsch, unsere Mützen verhaken sich an herabhängenden Ästen, unsere Turnschuhe werden schmutzig. Tom geht voraus, er zeigt mir seine Lieblingsplätze auf diesem grossen Areal, das weder richtig Park noch richtig Sportplatz ist, auch kein Hinterhof und keine Gartenanlage.

Was der Landhof aber definitiv ist: Toms liebster Spielplatz. Während er sich routiniert die Äste eines Baumes hochhangelt, erklärt er mir, was gerade diesen Baum speziell macht: «Hier kann man prima klettern und Hütten bauen. Wir haben hier bestimmt schon zehn Hütten gebaut. Die sind meist recht schnell wieder kaputt, aber das ist egal. Dann bauen wir halt neu. Komm, ich zeige dir einen versteckten Raum, den ich einmal zufällig entdeckt habe.»

Auf fast 20’000 Quadratmetern schlummern hier viele Geheimnisse, kein Wunder bei der bewegten Geschichte. Früher war der Landhof ein Fussballstadion, die Gründungsstätte des FC Basel. Die Tribüne bröckelt noch heute als stiller Zeuge dieser sportlichen Ära vor sich hin. Knapp zwanzig Jahre sind vergangen, seit sich der Verein definitiv vom Landhof getrennt hat.

Passenderweise war Tom beim Fussballspielen, als er seine Entdeckung gemacht hat. «Mir ist ein Ball unter eine dicke Schicht Efeu gerollt, dahinter fand ich eine Tür, die man von aussen nicht gesehen hat», erzählt er. «Es ist uns gelungen, die Tür aufzudrücken, und wir fanden dahinter einen alten Abstellraum mit Gartenwerkzeug, kaputten Eimern und einer Autobatterie.» Eine dunkle Kammer voller Gerümpel, für Tom und seine Spielkameraden vom Landhof eine aufregende Entdeckung.

Tom ist mein Führer auf der ersten Etappe einer Expedition, die mir meine Nachbarschaft näher bringen wird – ich bin zwar Landhof-Anwohner, habe bis zu diesem Tag aber kaum einen Fuss auf das dreieckige Areal zwischen Riehenstrasse, Peter Rot-Strasse und Wettsteinallee gesetzt.

Per Klick oder Wischen erscheinen auf den Bildern Zitate von Landhof-Nutzern.

Diese Expedition wird zeigen, wie ein grüner Fleck mitten in einem Wohnquartier zum Kristallisationspunkt werden kann für so ziemlich jedes denkbare Thema, das in einer Stadt immer wieder für hitzige Diskussionen sorgt: Mitwirkung der Bevölkerung, Verkehrsplanung, Parkplätze, Grünraum, Freiräume für Kinder und Jugendliche, Flächen für Vereinssport, Littering und Wohnqualität.

Dafür, dass der Landhof zumeist recht friedlich daliegt, wird um dieses bisschen Stadt ziemlich viel Lärm gemacht. Als sich der FCB 2001 definitiv vom Landhof verabschiedet hatte, sahen die Stadtplaner um die damalige Baudirektorin Barbara Schneider (SP) die Chance zur Verdichtung. Das Areal sollte überbaut werden, in vier Gebäuden würden 120 neue Wohnungen entstehen. Ein Plan, den die Anwohner mit einer Initiative erfolgreich durchkreuzten. Die Überbauung wurde 2010 an der Urne abgelehnt. Das Stimmvolk hatte eine klare Direktive ausgegeben: Der Landhof bleibt grün!

Das ist auch schon das Einzige, bei dem sich alle einig sind. Wie es mit dem Landhof weitergehen soll, darüber herrschen ganz unterschiedliche Meinungen. Also liegt der Landhof brach, seit vielen Jahren. Zu dem, was er jetzt ist, wurde er, weil er nichts wurde. Hausherrin ist die Stadtgärtnerei, die nur das Nötigste macht.

Doch nun stehen zwei so konkrete wie umstrittene Projekte an. Soll das langsam zuwuchernde Areal neu gestaltet und zur Strasse hin etwas geöffnet werden, damit das ganze Quartier etwas davon hat und nicht mehr nur ein paar Anwohner, Kinder und Vereinssportler? So wollen es Verwaltung und Regierung. Soll unter den Landhof eine Tiefgarage mit 200 Parkplätzen für Anwohner gebaut werden, um des Autochaos im Quartier Herr zu werden? So wollen es private Investoren mit millionenschwerer Unterstützung der Regierung.

Wer Antworten auf diese Fragen sucht, muss mit richtig vielen Menschen reden. Denn Meinungen und Standpunkte zum Landhof gibt es viele. Es ist fast so, als würde jeder in dem grünen Fleck etwas anderes sehen. Mehr als Bäume, wucherndes Gebüsch, eine angejahrte Wiese, eine baufällige Tribüne, einen Gemeinschaftsgarten und einen kleinen Spielplatz. Der Landhof ist nicht nur Kristallisationspunkt, er ist auch Projektionsfläche.

Mirko Ulbl, Kinder- und Jugendarbeiter

Mirko Ulbl nutzt die Brache seit vielen Jahren. Er hat den Landhof mitgestaltet, sein Projekt ist hier fest verwurzelt: Zweimal pro Woche, immer mittwochs und freitags, führt Ulbl für die Kinder- und Jugendarbeit Oberes Kleinbasel Spielnachmittage für Kinder aus dem Quartier durch, die Landhof Kidzz. Sie spielen auf und prägen das Areal seit 16 Jahren. Finanziert wird die Kinder- und Jugendarbeit hauptsächlich durch den Kanton und die Christoph Merian Stiftung.

Ulbl und seine Kidzz sind Landhof-Pioniere und fühlen sich dem Ort verbunden. Dass die frühere Stehtribüne – nicht viel mehr als ein etwa mannshoher Erdwall mit Stufen – sich zu einem wilden Dschungel mit Trampelpfad, Höhlen und vielen Versteckmöglichkeiten entwickelt hat, ist ihr Verdienst. Dass aus dem einstigen Trainingsplatz hinter der Tribüne ein Naturspielplatz mit Lehmhaufen und Hindernis-Parcours aus Baumstämmen geworden ist, ebenfalls. «Der Landhof ist ein Paradies. Die Kinder können sich hier austoben und sich den Raum aneignen», sagt Ulbl.

Um Raum dreht sich auch seine grösste Sorge. Über die Jahre haben sich Verein und Kinderarbeit im alten Tribünengebäude ausgebreitet. Da wurde ein Spielzimmer eingerichtet, dort ein Regal aufgebaut, um Spielmaterial zu lagern. In einer Küche kann für Feste gekocht und gebacken werden, ein weiterer Raum dient als Projektzimmer. Jede Ecke wird genutzt, Miete bezahlen muss Ulbl der Stadt dafür nicht, die wird über Subventionen gedeckt. Wird die Tribüne abgerissen, wie es die Umgestaltungspläne der Stadtgärtnerei vorsehen, fürchtet Ulbl um den Stauraum: «Irgendwo müssen wir ja das ganze Spielzeug, das Bastelmaterial, die Velos und Trottinetts lagern.»

Natürlich wurden Ulbl und auch der Verein Landhof in die Planung miteinbezogen. Nach der Abstimmung 2010 rief die Stadtgärtnerei eine Begleitgruppe ins Leben. Mit deren Hilfe wollte man herausfinden, wie der Landhof in Zukunft aussehen soll, was die Wünsche der Anwohner sind und welche potenziellen Nutzergruppen es gibt. Ein Wettbewerb zur Umgestaltung wurde durchgeführt, der Entwurf eines Winterthurer Landschaftsarchitekturbüros machte das Rennen. Ulbl sass viele Stunden mit dieser Begleitgruppe zusammen, verbrachte ganze Abende damit, sich für die Kinder im Quartier einzusetzen, um deren Freiraum möglichst zu bewahren.

Von diesem Prozess ist er allerdings enttäuscht: «Man hat uns versprochen, dass wir Einfluss nehmen können auf die Umgestaltung. In Tat und Wahrheit aber wusste die Stadtgärtnerei von Anfang an, welches Projekt sie umsetzen will. Auch der Architekt zeigte keinerlei Entgegenkommen. Unsere Wünsche und unsere Expertise als jahrelange Nutzer und Kinderarbeiter wurden nicht ernst genommen.»

Nachdem die Mitwirkung durch die Begleitgruppe aus der Sicht des Vereins Landhof gescheitert war, griff dieser Ende 2014 zu einem anderen Mittel. Mit einer Petition wehrt er sich gegen die Umgestaltung und fordert unter anderem die Bewahrung der heute genutzten Fläche, ausserdem solle auf dem Landhof weiterhin die «Begegnung und Naturerfahrung» für Kinder im Zentrum stehen.

Knapp 760 Unterschriften kamen in rund drei Jahren zusammen, die Petition wurde vergangenen März eingereicht. Die dringliche Botschaft: «Mit dem aktuellen Bauprojekt ist die Kinder- und Jugendarbeit in ihrer heutigen Form nicht mehr möglich.» Sollte die Petition im Grossen Rat keine Reaktion hervorrufen, kann sich der Verein auch vorstellen, ein Referendum zu ergreifen gegen das Projekt der Stadtgärtnerei.

Miriam Riegger, Präsidentin Freespeed Basel

Jeweils am Abend wird der Landhof wieder zu dem, was er einst war: eine Sportstätte. Nur rollt jetzt nicht mehr ein Fussball über den Rasen, sondern es fliegt eine Plastikscheibe durch die Luft. Ultimate Frisbee heisst die Sportart, Freespeed Basel der Verein, der den Landhof heute seine Heimstätte nennt. «Wir sind sicher die intensivsten Nutzer», sagt Miriam Riegger, die früher als Captain das Freespeed-Frauenteam anführte und heute im Verein als Präsidentin wirkt. Bis zu hundert Personen nehmen an den insgesamt 14 Trainings teil, die Freespeed an vier Abenden pro Woche durchführt. Der Verein kam 2006 auf den Landhof, als die Sportler ihren Platz auf der Pruntrutermatte im Gundeli räumen mussten.

«In dieser langen Zeit hat sich der Landhof als Ultimate-Standort in Basel etabliert, wir haben hier neben nationalen Turnieren auch schon Spiele auf internationalem Niveau durchgeführt», sagt Riegger. Trotz dieser langen Tradition herrscht bei Freespeed heute Unsicherheit. «Wir wissen nicht, ob wir nach der Umgestaltung noch Platz haben, um hier zu trainieren.» 

Der Grund: Ein Ultimate-Feld hat nicht die gleichen Masse wie ein Fussballfeld, es ist mit 100 mal 37 Meter etwas schmaler. «Das Spielfeld heute entspricht ungefähr eineinhalb Ultimate-Feldern. So können wir mit einem Feld in Originalgrösse sowie einem verkleinerten für die Junioren zwei Trainings parallel durchführen», sagt Riegger. «Auf der aktuell geplanten Rasenfläche wird das nicht mehr möglich sein. Das wäre fatal, denn unser Verein wird immer grösser.»

Dieses Detail entging den Planern der Stadtgärtnerei, die im Spielfeld wohl immer noch primär einen Fussballplatz sehen. Das ist historisch akkurat, entspricht jedoch nicht mehr der Realität. Einschleichen konnte sich dieser Fehler wohl vor allem deshalb, weil der Verein Freespeed als eine der wenigen Nutzergruppen nicht in der Begleitgruppe sass. Ein Versäumnis, das sich Präsidentin Riegger aus heutiger Sicht nicht richtig erklären kann, sie hat ihr Amt erst seit zwei Jahren inne.

Doch sie bleibt bei aller Unsicherheit zuversichtlich: «Als wir den Fehler realisierten, nahmen wir sogleich Kontakt auf mit der Stadtgärtnerei. Bei einer Begehung erklärten wir das Problem. Sie nahmen unser Anliegen ernst, vielleicht können in der Detailplanung die Masse des Rasenfeldes noch angepasst werden.»

Info-Veranstaltung der Stadtgärtnerei, Gare du Nord

Der Konzertsaal im Gare du Nord ist bis auf den letzten Platz besetzt. Die Stadtgärtnerei hat zu einem Informationsabend geladen, um den Anwohnern die Umgestaltungspläne vorzustellen. Seit elf Jahren beschäftige dieses Projekt die Stadtgärtnerei inzwischen, erzählt deren Leiter Emanuel Trueb zur Eröffnung. Das politische Auf und Ab habe die Planung nicht unbedingt einfacher gemacht. «Umso grösser ist unsere Freude, Ihnen heute die Umgestaltung zu präsentieren. Wir sind der Meinung, dass der neue Landhof die heutigen Nutzungen respektiert und auch weiterhin ermöglichen wird.»

Und das sehen die Pläne vor: Das Tribünengebäude soll abgerissen und durch einen einstöckigen Pavillon mit Buvettenbetrieb im Sommer ersetzt werden. Das heutige Spielfeld wird weitestgehend belassen, der zerschlissene Rasen durch einen widerstandsfähigen Sportrasen mit Entwässerungssystem ersetzt. Der wild gewachsene, von den Landhof Kidzz geprägte Spielplatz wird aufgehoben und an seiner Stelle ein ganzjährig nutzbarer sogenannter Naturspielplatz errichtet. Das Ziel sei eine Öffnung zum Quartier und eine generelle Belebung, erklären die Planer der Stadtgärtnerei.

Es wird schnell klar, dass kaum jemand etwas gegen diese Absichten hat. Weder die Bedenken von Kinder- und Jugendarbeiter Mirko Ulbl noch die Sorgen der Frisbee-Spieler werden an diesem Abend thematisiert. In das Lob für die Pläne mischen sich zwar auch kritische Fragen, doch beziehen sich diese alle auf die Tiefgarage und nicht auf die Umgestaltung der Park- und Sportanlage. 

Trueb erhebt sich von seinem Sitz, signalisiert mit den Händen ein Time-out und versucht klarzustellen: «Meine Damen und Herren, ich bitte Sie, diese beiden Projekte auseinanderzuhalten. Beim Parking handelt es sich um das Projekt eines privaten Investors. Mit der Stadtgärtnerei hat das nichts zu tun, wir können Ihnen auch keine Fragen dazu beantworten.»

Sein Einwurf zeigt wenig Erfolg. Weiterhin hagelt es Fragen und Voten zum Parking, die Stimmung heizt sich auf, der Ton wird bisweilen gehässig.

Bernhard Glanzmann, Investor

Bernhard Glanzmann wirkt wie jemand, den kaum etwas aus der Ruhe bringen kann. Auch nicht die teilweise scharfe Kritik an seinem Plan, mit der Bau- und Finanzgesellschaft Zum Greifen AG ein Parkhaus für 200 Autos unter den Landhof zu bauen. Wir sitzen in der Sonne vor einer italienischen Kaffeebar im Wettsteinquartier. Glanzmann weiss, was er tut, denn er tut es seit vielen Jahrzehnten. Er sagt: «Ich lebe seit 66 Jahren vom Bauen.»

Er sagt auch: «Bis heute habe ich kein vernünftiges Argument gegen dieses Parking gehört. Die Basler Bevölkerung wächst und es werden viele neue Arbeitsplätze geschaffen. Das ist eine schöne Entwicklung, doch sie führt auch dazu, dass die Zahl der Autos in dieser Stadt zunimmt.»

Glanzmann hat mit den Parkings an der Claramatte und beim Badischen Bahnhof schon zwei viel grössere derartige Objekte in seinem Portfolio. «Parkplätze sind ein knappes und begehrtes Gut», sagt er, «beim Badischen Bahnhof haben wir eine lange Warteliste an Interessenten.» Die Nachfrage stimme auch beim Landhof, bereits seien mehr als die Hälfte der insgesamt 200 Parkplätze reserviert. Alleine die Wohngenossenschaft Landhof will für ihre Bewohner 50 Plätze mieten.

Der Regierungsrat sieht im Wettsteinquartier denn auch einen «erhöhten Parkdruck», insbesondere weil mit dem von der Roche geplanten Ausbau zusätzliche Arbeitsplätze und mit dem Claraturm neue Wohnungen entstehen. So wurde 2016 der Bau eines unterirdischen Quartierparkhauses mit bis zu 250 Parkplätzen ausgeschrieben. Den Zuschlag erhielt Bernhard Glanzmanns Zum Greifen AG, einen anderen Interessenten gab es nicht, wie er offen zugibt.

Seine Gesellschaft erhielt nicht nur das Baurecht der Stadt, die Regierung unterstützt das private Bauvorhaben zusätzlich mit 1,7 Millionen Franken aus dem Pendlerfonds. Eine satte Geldspritze, die der Regierungsrat damit rechtfertigt, dass die neuen Parkplätze ausschliesslich den Anwohnern zur Verfügung stehen werden. Eine Investition auch, die nicht durch den Grossen Rat abgesegnet werden muss, so sehen es die Regeln für den Pendlerfonds vor.

Staatlicher Unterstützung und langer Reservationsliste zum Trotz: Glanzmann weiss, dass ihm aus dem Quartier ein scharfer Wind entgegenweht. Er ist vorbereitet und hat die juristischen Kosten wohl längst einkalkuliert. «Wir werden sehr bald ein erstes generelles Baugesuch einreichen. Daraufhin werden wohl zahlreiche Einsprachen eingehen. Spätestens in eineinhalb Jahren wissen wir dann, ob wir loslegen können.»

Roberto Rivetti, Parking-Gegner

Bei einer Einsprache will es Roberto Rivetti nicht belassen, das ist jetzt schon klar. Der Anwohner hat in Rekordzeit die «IG Quartierparking Landhof – Nein!» auf die Beine gestellt, die sich vehement gegen das Parkhaus wehrt. Bereits hat die Gruppe eine Petition eingereicht. Rivetti hat offenbar den Puls im Quartier getroffen. Binnen weniger Monate ist es ihm und seinen Mitstreitern gelungen, mehr als doppelt so viele Unterschriften zu sammeln, wie der Verein Landhof für seine Petition gegen die Umgestaltung während drei Jahren zusammenbekam.

«Ich bin jemand, der sich für seine Umgebung interessiert. Deshalb engagiere ich mich im Quartier», sagt Rivetti. Seiner Meinung nach fehlt es an stichhaltigen Gründen für dieses Parking. «Wenn eine der letzten Grünflächen im Quartier versiegelt werden soll, muss es zwingende Gründe dafür geben. Solche sehe ich hier nicht.» So hält er etwa den von der Regierung ins Feld geführten Parkdruck für nicht erwiesen. «Diese Aussage beruht auf einer zweimaligen Begehung durch Verwaltungsangestellte im Sommer 2015. So eine Stichprobe kann doch nicht die Grundlage für einen derart gravierenden Baueingriff darstellen.»

Rivetti, der als freischaffender Projektmanager arbeitet, hat seinen Kampf gründlich vorbereitet. Er kennt die Fakten, hat in der Verwaltung mit Verweis auf das Öffentlichkeitsgesetz Dokumente angefordert und die Früchte seiner Recherchen in dicke Ordner gepackt. Auch die Vernetzung ist gelungen. So konnte er mit der IG im Quartier breit Flugblätter streuen und auch für Veranstaltungen immer wieder eine eloquente Gegnerschaft mobilisieren.

Wie die Parkhaus-Befürworter, darunter etwa der Neutrale Quartierverein Oberes Kleinbasel, glaubt Rivetti das Quartier hinter sich: Beide argumentieren, im Interesse der Mehrheit zu handeln. Die Frage nach den Mehrheitsverhältnissen definitiv klären könnte einzig eine Abstimmung. Doch genau diesen Weg hat die Regierung umgangen, indem sie das Parkhaus aus dem Pendlerfonds unterstützt. Weder eine Mitwirkung der Anwohner noch eine parlamentarische Debatte sind vorgesehen. 

Diesen Entscheid hält Rivetti für hoch problematisch. «Wir prüfen derzeit, ob wir die Finanzspritze über 1,7 Millionen aus dem Pendlerfonds juristisch anfechten können. Unserer Meinung nach handelt es sich dabei um eine unzweckmässige Verwendung dieser Gelder, die doch dazu dienen sollten, den motorisierten Individualverkehr auf den öffentlichen Verkehr umzulagern.»

Sollte dies nicht gelingen, ruht die Hoffnung der Parking-Gegner auf der Politik. «Unsere Petition wird hoffentlich dafür sorgen, dass der eine oder andere Grossrat beginnt, sich Fragen zu stellen», sagt Rivetti. «Vielleicht können wir auf diesem Weg die von der Regierung vermiedene, breite politische Diskussion doch noch führen.»

Thomas Grossenbacher, Grossrat der Grünen

Unterstützung erhält Quartieraktivist Rivetti von Thomas Grossenbacher. Der Grossrat (Grünes Bündnis) lebt zwar im Hirzbrunnen, hat sich aber in seiner politischen Karriere immer wieder für den Landhof eingesetzt. Seine erste Interpellation dazu datiert aus dem Jahr 2009, die letzte vom vergangenen November. 

Als Mitinitiant der Initiative «Der Landhof bleibt grün» hat er damals auch den Kampf gegen die Überbauung aktiv unterstützt. «Am Landhof lässt sich das Thema Verdichtung in all seinen Facetten exemplarisch diskutieren. Als Grüner interessiert mich das natürlich. Auch handelt es sich beim Landhof um eine der letzten grösseren Grünflächen im Kleinbasel. Damit müssen wir besonders sorgsam umgehen», sagt Grossenbacher.

Am geplanten Untergrund-Parkhaus stört sich Grossenbacher aus mehreren Gründen. So verhindere die zweispurige Einfahrt die vielfach gewünschte Öffnung des Landhofs zum Quartier. Sie soll nämlich ausgerechnet beim Kreisel an der Wettsteinallee zu liegen kommen, von wo auch die meisten Quartierbewohner den Landhof betreten. Grossenbacher ist nicht der Einzige, der befürchtet, dass Autos und Landhofnutzer dort nur schlecht aneinander vorbeikommen.

Noch mehr als über die Einfahrt ärgert sich Grossenbacher aber darüber, dass die Regierung das Parkhaus am politischen Prozess vorbeilotsen will. «Der Regierungsrat macht es sich sehr einfach, dabei wollen Bevölkerung und Politik bei diesem Parking mitreden. Das wird an den Informationsveranstaltungen zum Thema sehr deutlich.»

Der Grossrat überlegt sich nun, wo er und seine Fraktion den Hebel ansetzen können, um gegen den Willen der Regierung eine politische Diskussion zu erzwingen. So hält er etwa den Fakt, dass trotz 200 zusätzlichen unterirdischen Parkplätzen keine oberirdischen aufgehoben werden sollen, für einen Verstoss gegen das Umweltgesetz: «Wir haben eine klare Vorgabe, den Verkehr in Basel um zehn Prozent zu senken. Mit zusätzlichen Parkplätzen geschieht das Gegenteil.» Absurd finde er zudem die Idee der Regierung, die Anwohner teure unterirdische Parkplätze mieten zu lassen, um damit deutlich billigere oberirdische Plätze für Pendler freizugeben.

Theres Wernli, Stadtteilsekretariat Kleinbasel

In diesem Gewirr aus Einzelmeinungen, Partikularinteressen, Vereinsaktivitäten und Ansprüchen von Nutzern des Landhofs muss eine Frau die Übersicht bewahren. Theres Wernli ist Co-Leiterin im Stadtteilsekretariat Kleinbasel und hat eine schier unmögliche Aufgabe: Sie muss vermitteln. Zwischen der Verwaltung, die den Landhof endlich aus seinem Dasein als unternutzte grüne Brache holen will, und den jetzigen Nutzern, die am liebsten hätten, dass alles bleibt, wie es ist. Auch zwischen denjenigen, für die jedes Auto in einer Stadt eins zu viel ist, und denjenigen, die jeden Abend verzweifelt nach einem Ort suchen, wo sie ihr Fahrzeug abstellen können.

Wer vermitteln will, braucht Geduld, und gerade beim Landhof ist davon sehr viel gefragt. 2005 war es, als im Stadtteilsekretariat zum ersten Mal ein Ordner dazu angelegt wurde, damals noch unter Wernlis Vorgänger. Der Fall hat derartige Ausmasse angenommen, dass Wernli ihn als Beispiel benutzt, um Studenten an der Fachhochschule das Prinzip der Mitwirkung näherzubringen: «Ich habe eine eigene Präsentation erstellt, nur über den Landhof.»

Was macht den Landhof denn so besonders? Weshalb ist er Kristallisationspunkt, weshalb Projektionsfläche? «Wir haben hier im Quartier eine stark politisierte Bewohnerschaft. Man muss sich vergegenwärtigen, dass ganz am Anfang dieser Geschichte die Initiative gegen die Überbauung stand», sagt Wernli. Die Anwohner haben damals den Kampf gegen die Verwaltung und den Grossen Rat aufgenommen und sind aus der Volksabstimmung «Landhof bleibt grün» als Sieger hervorgegangen. Dieser Erfolg blieb nicht ohne Folgen: «Die Mentalität, dass der Gewinner bestimmen darf, nehme ich noch heute manchmal wahr.»

Diese Anspruchshaltung habe auch dazu geführt, dass in der von der Stadtgärtnerei ins Leben gerufenen Begleitgruppe zuweilen wenig Kompromissbereitschaft herrschte. «Oft wollten die Teilnehmer vor allem wissen, zu welchem Zeitpunkt sie wieder Einspruch erheben können gegen den nächsten Planungsschritt», sagt Wernli. Die Konflikte verschärften sich, irgendwann waren die Fronten so verhärtet, dass eine Mediation, danach der Beizug einer externen Moderation und Protokollführung nötig wurde.

Denn nicht alle können gewinnen: «Mitwirkung bedeutet ein Ringen um die bestmögliche Lösung, nicht das Durchsetzen von Partikularinteressen. Stadt muss verhandelt werden.» Wernli ist überzeugt, dass die ständigen Konflikte dem Quartier nicht guttun. «Dieses ewige Warten, dieser Schwebezustand belastet doch alle Beteiligten.»

Tom, 10 Jahre alt

Mit Kompromissen kennt Tom sich bestens aus. Wir sind auf dem Weg zu seinem absoluten Lieblingsplatz. «Jetzt zeige ich dir mein Geheimversteck, das leider nicht mehr besonders geheim ist.» Wir zwängen uns durch eine enge Lücke im Gebüsch. Unter einem struppigen Baum steht ein Metallstuhl, zwischen den dicht gewachsenen Ästen hindurch lässt sich der gesamte Landhof überblicken. Tom klettert am Stamm entlang hoch, setzt seine Füsse auf dicke Efeustränge.

«Diesen Platz haben wir uns freigeschlagen, wir mussten einige Äste und Unterholz beseitigen, um überhaupt hineinzukommen. Wir haben auch mal mit Brettern eine Sitzfläche gebaut.»

«Und wo sind die Bretter jetzt?»

«Die hat wohl jemand geklaut oder kaputtgemacht.»

«Stört dich das nicht?»

«Ach was. Weisst du, auf dem Landhof verändert sich alles ständig.»

Nächster Artikel