Die neue Joggelihalle ist TV-tauglich (und besser als das Zürcher Hallenstadion, imfall)

Nach dreijährigem Bau-Chrampf und einer durchgemogelten Kostenerhöhung wurde am Montag die neue St. Jakobshalle offiziell eröffnet. Ein Abend voller Bonmots und Schulterklopfen.

Pressholz-Platten und Kabelleisten liegen am Boden, Techniker fummeln an einer Steckdose. «Alle Arbeiten, die jetzt noch im Gang sind, sind für die Swiss Indoors. Die Halle ist fertiggestellt», erklärt Beat Grossglauser ins Mikrofon. Zügig treibt der Projektleiter des Hochbauamts das gute Dutzend Medienschaffende durch die Gänge der neuen St. Jakobshalle.

Das Bau- und das Erziehungsdepartement haben am Montagabend zum Rundgang geladen durch «eine der modernsten Eventhallen auf unserem Kontinent», wie Erziehungsdirektor Conradin Cramer später frohgemut ins Foyer rufen wird. Zusammen mit Ratskollege Hans-Peter Wessels, den verantwortlichen Architekten und Leitern vom Hochbauamt begleitet Cramer die Presse auf dem Besichtigungstermin der runderneuerten Joggelihalle.

«VIP-Corner» statt Fressecke

In der Halle wird gerade der Boden aufgetragen für die am 20. Oktober startenden Swiss Indoors. Auf diesen Termin hatte die Regierung hingearbeitet. Und eine Kostenerhöhung von zehn Millionen Franken am Basler Parlament vorbeigeschmuggelt.

Beat Grossglauser steht in den Zuschauerrängen und erzählt Bekanntes: Neu fasse die für 117 Millionen Franken renovierte Halle dank zusätzlichen Fluchtwegen 12’400 statt 9000 Besucher. Man beachte die «edle Gestaltung der Sitze» aus dunkel lackiertem Holz. Dies schaffe ein «viel eleganteres Interieur», das Schwarz mache die Halle zudem «fernsehtauglich».

Etwas unbequem vielleicht, so ganz ohne Sitzkissen? «Polster kannst du vergessen, das machen dir die Leute kaputt», erwidert Hochbauamt-Leiter Thomas Blanckarts auf einen entsprechenden Kommentar.

Nächste Station ist die Fressecke. Oder wie es offiziell heisst: «VIP-Corner». Grossglauser holt aus: «Ich bin überzeugt, das hier ist eine dicke Sache.» Die «Ambiance-Beleuchtung» sorge für Stimmung, eine verglaste Küche für das Erlebnis. «Es gibt keinen festen Pächter. Equipment und Küchencrew werden jeweils vom Veranstalter gestellt», klärt Grossglauser auf Nachfrage, diesmal nicht ins Mikrofon. Es hatte zwischenzeitlich den Geist aufgegeben.

Über dem «VIP-Corner» sitzt die «VIP-Lounge». Ein in warmen Brautönen gehalterner Saal, mit der grossen Fensterfront zur Halle perfekt für «gediegene Anlässe».  Gediegen – dieses Wort hatte man im Zusammenhang mit der 43 Jahre alten Halle lange nicht mehr gehört.

https://tageswoche.ch/politik/kostenexplosion-bei-der-joggelihalle-diskret-bewilligt/

Wobei auch an der neuen Joggelihalle nicht alles schön zu sein scheint. Der Steinboden im Foyer zum Beispiel wurde laut Putzpersonal während der provisorischen Nutzung zu schnell dreckig und sei nur schwer zu reinigen. Blanckarts vom Hochbauamt stellt sich aber weiterhin hinter die Bodenwahl, die unter anderen vom Hochbauamt getroffen wurde.

Man habe Essen darauf verteilt, sei mit Hubstaplern drübergekurvt. «Nutzer, Eigentümer und die Leiter vom Bau sind davon überzeugt.» Hallen-Chef Thomas Kastl, in bayerischer Trachtenjacke, legt nach: «Der Boden ist sehr gut geeignet.»

Hinterfragt wurde vor der offiziellen Eröffnung auch, wie behindertengerecht der Neubau tatsächlich sei. «Wir haben ja selber einen Test mit einem jungen Mann im Rollstuhl gemacht», so Blanckarts. Ob man nachbessern müsse, könne man erst nach dem Winter beantworten. «Spätestens bei den Para-Badminton-Weltmeisterschaften werden wir genügend Erfahrungen sammeln», kommentiert Thomas Kastl.

Im Foyer endet der Rungang. Baudirektor Hans-Peter Wessels tritt unter Applaus zwischen eintrudelnden Gästen auf die Treppe. Er bedankt sich bei allen Arbeitern. Zum Grossratspräsidenten Remo Gallacchi sagt er: «Dir bin ich vor allem dankbar. Es sind nämlich kaum Grossräte da – heute sind ja  Fraktionssitzungen.» Lachen im Publikum.

Zurück zum Thema: Der Umbau sei «bitter nötig» gewesen, sagt Wessels. Mit den Jahren habe man zunehmend an Komfort und Sicherheit eingebüsst. «So eine Halle altert nicht gut.» Dabei habe man vor allem in Dinge investiert, die man nicht sehe. Aber auch die, die man sehe, seien «imposant» geworden und «viel attraktiver für Veranstalter».

Hurra, besser als das Zürcher Hallenstadion

Es folgt die «Schlüsselübergabe» der Halle vom Bau- ans Erziehungsdepartement. Wessels lüftet einen roten Vorhang, darunter eine Collage aus Fotos, geschossen in besseren Zeiten. Elton John 1982, Boris Becker 1992, Roger Federer 2000 in der Halle. Conradin Cramer sagt danach: «Wir dürfen uns auf ganz tolle, neue Projekte in der Halle freuen. Mit ihr sind wir besser als das Zürcher Hallenstadion.»

Beim Apéro relativiert Hallen-Chef Thomas Kastl: «Man muss realistisch bleiben.» Einige richtig grosse Acts pro Jahr in die Halle zu holen, zum Beispiel Lady Gaga, wäre toll. Aber Zürich den Rang ablaufen? Schwierig. Zuerst einmal müsse man den strippenziehenden Agenten in London aufzeigen, was man neu zu bieten habe. Zeigen, dass die Schweiz nicht nur Zürich ist. «Das braucht Zeit», so Kastl.

Im Moment klaffen im Veranstaltungskalender noch grosse Löcher. Eine international ziemlich erfolgreiche Band wird im Mai in der Halle einlaufen: die britische Folk-Rock-Truppe Mumford and Sons. Was noch in Planung ist, will Kastl nicht verraten. «Da bin ich, wie so viele in meiner Branche, abergläubisch.»

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