Drei Länder, drei Märkte: Die Basler haben gegen ihre elsässische und badische Konkurrenz keine Chance

Wer früh aufsteht, kann an einem Tag drei völlig unterschiedliche Marktkulturen in drei Ländern erleben. In Saint-Louis, Lörrach und Basel bieten Händler samstags ihre Waren feil. Die Kunden haben die Wahl, Basel die Qual.

Madame und Monsieur Utzmann aus Saint-Louis: Sie machen auch im Pensionsalter weiter – der Stammkundschaft zuliebe.

Elsässer Markthändler sind Gourmets. Denis Bugeaud verkauft nicht einfach Käse, nein, es sind wahre Kunstwerke. Mit Mirabellengeist verfeinerter Kuhmilchkäse, in korsischen Wildkräutern gereifter Schafskäse, in Kastanienblätter eingewickelter Ziegenkäse. «Es gibt so viele Käsesorten in Frankreich, ich liebe sie alle», sagt der Händler.

Es ist sieben Uhr morgens. Wir haben eine halbstündige Velofahrt von Basel nach Saint-Louis hinter uns, holen uns zuerst an einem Marktstand einen «petit café» für 1.50 Euro und ein echtes französisches knuspriges Croissant dazu.

Weisswein zum Zmorge

In der Frühe haben die Händler noch Zeit für einen Schwatz. Monsieur und Madame Utzmann sind traditionelle Maîtres Charcuterie. Während Madame den «Presskopf» selber herstellt, eine Art Brühwurst mit Gelée, mit Senf, Weisswein und Petersilie verfeinert, macht Monsieur Braten und Pâté.

Eigentlich wären die beiden schon lange pensioniert, der Arzt hat Christian Utzmann nach einer Hüft-OP untersagt weiterzumachen. «Aber ich habe zu viel Liebe für meine Produkte und meine Kunden», sagt er. Die Stammkunden weinten, als er sie sechs Wochen lang nicht mit Wurst und Fleisch versorgte. Also machen die beiden weiter.

Louis Rodriguez verkauft den besten Reis Frankreichs, von Hand geerntet in der Camargue. Seine Sardinen wurden mit kleinen Netzen auf kleinen Booten gefangen, dazu verkauft er Meersalz aus der Camargue, das er aus einer grossen Schüssel schöpft. Die Spezialitäten haben ihren Preis, der Markt in Saint-Louis ist nicht billig. Nur die vielen Nordafrikaner, die chinesische Klamotten anbieten, veräussern ihre Ware zum Spottpreis.

Im Restaurant de la Poste neben dem Markt sitzen die Kunden und halten ihr Marktschwätzchen, hier wird schon um neun Uhr morgens genüsslich Weisswein getrunken. Französisches Flair, ein bisschen wie Urlaub. Leicht angeheitert fahren wir weiter, nach Lörrach. 40 Minuten dauert die Velofahrt, über den Rhein und der Wiese entlang.

Viel Schweizerdeutsch auf dem Markt in Lörrach

Badische Bauern sind bodenständige Chrampfer. Sie ringen der Erde ab, was der Mensch zum Leben braucht. Kistenweise Kartoffeln, Berge von Kürbissen, Körbe voller Äpfel, hier gibts keinen Schnickschnack. Es sind Familienbetriebe, die samstags verkaufen, was sie wochentags geerntet haben.

Gertrud Probst klaubt die schönsten Bohnen aus der Kiste, wägt sie mit alten Eisengewichten ab. Sie kommt seit 50 Jahren auf den Markt, macht alles selbst. Ihren rauen, breiten Händen ist die jahrzehntelange Arbeit anzusehen. «Niemer weiss, wie viel mir schaffe», sagt sie in badischem Dialekt.

Alles, was die Erde hergibt: Kürbisse, Äpfel und Kartoffeln in Lörrach.

Sie steht um fünf Uhr auf und arbeitet bis elf Uhr nachts. Freie Tage gibt es nicht. Zwei Tage lang bereitet sie sich auf den Markt vor, sortiert, putzt und rüstet das Gemüse. «Langsam merke ich das Alter», sagt die 77-Jährige. «Hoffentlich gehts noch ein paar Jahre.» Dann wendet sie sich wieder den Kunden zu, die geduldig Schlange stehen.

Der Marktplatz ist ein Farbenmeer.  Blumensträusse, Kürbisberge, Tomaten in allen Schattierungen. Der Platz ist zum Bersten voll, die Leute drängen sich zwischen den Ständen. Mindestens die Hälfte sind Schweizer. Sie lieben die frischen Produkte – und die Preise. Manche Waren sind hier nicht einmal halb so teuer wie in der Migros.

Bei Babsi Leser backt am Freitag die ganze Familie. Mann, Kinder und Schwiegermutter kneten den Teig, formen die Bauernbrote, flechten Zöpfe, schieben sie in den Steinofen. Den Weizen baut die Bauersfamilie selbst an, gemahlt wird auf dem Hof. Babsi ist gelernte Konditorin, Kuchen und Torten sind ihre Leidenschaft. Das Geschäft läuft gut, die Brote gehen weg wie, ja,  warme Weggli.

Der Wochenmarkt findet in Lörrach jeweils am Dienstag, Donnerstag und Samstag von 7–13 Uhr auf dem Alten Marktplatz statt. In Saint-Louis ist am Samstag von 6–13 Uhr «marché pubulic» auf dem Place de l’Europe. Den Basler Stadtmarkt gibts von Dienstag bis Donnerstag von 7–14 Uhr und am Freitag und Samstag von 7–18 Uhr auf dem Marktplatz.

Daniel Sütterlin grüsst seine Stammkunden. Er plaudert und schenkt einem Kind einen Apfel, während er Gemüse einpackt und abwägt. Er ist mit seinen 33 Jahren schon ein alter Hase am Lörracher Markt, seit 26 Jahren kommt er her. Sütterlin führt den Betrieb in dritter Generation und ist damit einer der wenigen Jungen, die den Hof übernehmen.

«Ich will nüt anders, ich bi Buur mit Liib und Seel», sagt er. Eine Zeitlang seien nur noch die alten Kunden gekommen, heute zieht der Markt viel junges Publikum an. Die Leute interessieren sich wieder für die Herkunft der Lebensmittel. Die Marktkommission in Lörrach hat entschieden, keine weiteren nicht-bäuerlichen Händler zuzulassen. Sie will einen Bauernmarkt mit lokalen Produzenten, die ihre eigenen Erzeugnisse verkaufen.

Velofahren und Gemüsekaufen macht hungrig. Das Restaurant 1456 Arber serviert ab 11.30 Uhr leckere Burger, mit saftigen Pommes und Salat für 9,90 Euro.

Einpacken in Basel

Einige Händler packen bereits ein, als wir um 14 Uhr beim Basler Marktplatz ankommen. Und die Basler Händler können auch im übertragenen Sinn einpacken, wenn es so weitergeht wie in den letzten Jahren. «Die Leute kommen nicht mehr», sagt Renato Steinwandt. Der Blumenhändler steht jeden Tag hier, seit zehn Jahren. Seine Existenz ist bedroht.

Die älteren Stammkunden sterben aus, die anderen gehen nach Deutschland. «Chasch jo diräkt in 8er stiege und landisch im Dütsche», sagt er. Anders als auf dem Bauernmarkt in Lörrach stammen seine Blumen nicht aus dem eigenen Garten. Er kauft sie zu, aus der Schweiz, aus Holland, aus Afrika. «Wir sind global.»

Auf dem Basler Marktplatz nimmt die Verpflegung immer mehr Raum ein: Kaffeemobil, Piadinastand, Eiche-Metzgerei.

Abdullah Körük ist Türke und verkauft italienische Spezialitäten. Er habe früher mit einem Italiener gearbeitet und sich danach selbstständig gemacht. Samstags arbeitet er 17 Stunden lang, bereitet frühmorgens alles vor, steht stundenlang auf dem Marktplatz und packt dann fast alles wieder ein. «Für ganz kleine Lohn», sagt er.

Auch er weiss nicht, wie es weitergehen soll. Seit zwei Jahren läuft das Geschäft nicht mehr. «Die Finanzkrise und der Euro.» Körük überlegt sich, Buschauffeur zu werden statt Markthändler. «Ich habe Angst vor Arbeitslosigkeit. Ohne Arbeit Katastrophe», sagt er.

Rolf Marti verkauft seit 40 Jahren Gemüse auf dem Basler Marktplatz. Er kauft sein Gemüse von anderen Händlern, immer seltener direkt vom Produzenten. «Die sterben weg», sagt er. Er schaue, dass die Produkte einigermassen aus der Nähe kämen. Aus Italien, Frankreich oder Deutschland. Der Markt habe sich enorm verändert, sagt er. Früher habe es ausschliesslich Gemüse und Pflanzen gegeben, heute nimmt die Verpflegung immer mehr Raum ein. Das Kaffeemobil, ein Piadinastand, die Eiche-Metzgerei mit ihren Würsten.

«S het abgäh», sagt Marti. Die Kunden bleiben aus. Einmal sei er an einem Samstag krank gewesen und nach Lörrach gefahren. Um zu sehen, was die Konkurrenz macht. «Und da habe ich ganz viele meiner ehemaligen Stammkunden gesehen», sagt Rolf Marti und zuckt mit den Schultern.

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