De mortuis nil nisi bene, von den Toten soll man nur Gutes sagen. Das war dem alten Lateiner wichtig.
Bekanntlich ist der längst ausgestorben. Und mit ihm offenbar auch ein gutes Stück Respekt gegenüber denen, die nicht mehr auf, sondern unter der Erde weilen. Das zeigt exemplarisch eine aktuelle Medienmitteilung des Basler Bau- und Verkehrsdepartements (BVD).
«Normalerweise zeichnet jeweils Ende Oktober eine durch die Friedhofkommission eingesetzte Jury die schönsten Grabmale auf dem Friedhof am Hörnli aus», teilt das BVD mit. Die Suche nach den Gräbern des Jahres verlief seit 21 Jahren in Folge durchwegs erfolgreich. Bis zu fünf Grabmale wurden jeweils als besonders schön ausgezeichnet, nach Inspektion sämtlicher Reihengräber für Erd- und Urnenbestattungen.
Todernste Sache
Dieses Jahr hätte der Jahrgang 2015 gefeiert werden sollen. Doch nichts da: «Aufgrund der zu geringen Anzahl prämierungswürdiger Objekte wird die 22. Grabmalauszeichnung auf nächstes Jahr verschoben», heisst es knochentrocken in der Medienmitteilung.
Das vierköpfige Experten-Gremium, bestehend aus Rebekka Brandenberger (Architektin), Sonja Feldmeier (Künstlerin), Stefan Mesmer (Bildhauer, Friedhofskommission) und Pawel Ferus (Künstler), nimmt seinen Auftrag todernst. Es konnte nur ein einziges schönes Grab finden. Im Wortlaut:
«Von den insgesamt 440 neuen Grabmalen vermochte jedoch nur gerade eine Arbeit durch ihre künstlerische und handwerkliche Qualität die Jury zu überzeugen.»
Die Friedhofskommission will deshalb die Jahrgänge 2015 und 2016 einfach «zusammenlegen» und dann prämieren, wenn es wieder genügend schöne Gräber zu prämieren gibt. Der Bildhauer des einzig schönen Grabmals 2015 werde ebenfalls erst nächstes Jahr bekannt gegeben. Das wird ihn sicher freuen – falls er dann noch unter uns weilt.
Diese «Massenproduktion» soll aufhören
Die Prämierung hat selbstverständlich einen tieferliegenden Zweck. Sie setzt sich für eine individuelle «Grabmalkultur» ein. Diese sieht die Friedhofkommission duch «Massenproduktion» bedroht.
Ein schönes Grabmal muss gar nichts Verrücktes sein. Innerhalb der vorgegebenen Normen sei aber «eine Vielzahl von Ausdrucksformen möglich». Angehörige werden deshalb ermuntert, «im Dialog mit dem Bildhauer respektive der Bildhauerin, eine der verstorbenen Person entsprechende Gestaltung zu finden».
«Demzufolge», heisst es weiter, «zeigten sich die Friedhofkommission und die Leitung der Stadtgärtnerei enttäuscht, dass dieses Jahr nur gerade ein Grabmal als beispielhaft herausstach.»
Die TagesWoche hat sich auf dem Friedhof Hörnli umgehört. Auch hier scheint die Enttäuschung gross zu sein – das betretene Schweigen der betroffenen 439 Verstorbenen mit den künstlerisch und handwerklich minderwertigen Grabmalen schreit zum Himmel.
Auch das noch – die TagesWoche-Rubrik fürs Schöne, Schräge und Fiese. Immer mit einem 😉 zu verstehen.