Der Abend kommt ohne Smartphones aus. Dafür liegen Bleistifte, Frageblätter und Bücher auf den Tischen. Zwischen den Seiten jede Menge Klebezettel. Und schon kommt im gemütlichen Café Smilla die Diskussion in Fahrt:
«Also der Titel geht gar nicht – ich finde ihn so kitschig.»
«Nein, ich finde ihn sehr poetisch.»
Der Roman heisst «Ein Leben mehr». Geschrieben hat ihn die kanadische Schriftstellerin Jocelyne Saucier. Heute will sich eine von drei Lesegruppen des Basler Buchclubs damit beschäftigen. Klar bilden sich da Lager. Das ist auch bei den anderen beiden Gruppen nicht anders.
«Die Erzählerstimme in kursiver Schrift finde ich etwas altmodisch.»
«Genau das ist mir aber sympathisch.»
Lydia Zimmer stösst dazu. Sie ist Kulturmanagerin und Gründerin des Basler Buchclubs. «Das liebe ich an solchen Abenden», sagt sie, als sie an unserem Tisch vorbeischaut. Dass es hier ohne falsche Hemmungen zur Sache geht, ob das Buch nun eine literarische Delikatesse ist oder ein Tiefflug.
«Der schwarze Humor hat mir gefallen.»
«Den Schreibstil finde ich aber eher flach.»
Nicht-Experten willkommen
Die anwesenden 15 Leseratten duzen sich, das Ambiente ist familiär. Genau so, wie es sich Lydia Zimmer vorgestellt hat, als sie Anfang Jahr den Buchclub ins Leben rief. Einen öffentlichen Lesezirkel in Café-Atmosphäre wollte sie. Keinen privaten Kreis, keine Uni-Lesegruppe. Das gibt es schon genug.
«Man braucht hier nicht das Gefühl zu bekommen, man hätte studieren müssen», sagt Lydia Zimmer. Es trete auch kein Experte auf. Die einzigen zwei Teilnahme-Bedingungen sind: sich vorab anmelden – und das Buch lesen. Zeit dafür gibt es genug, die Teilnehmenden wählen schon mehrere Wochen vorher aus drei Vorschlägen der Organisatorin den nächsten Titel aus.
«Öffentliche Buchclubs sind vor allem im angelsächsischen Raum sehr verbreitet», erzählt Lydia Zimmer. Mit der Aktion «One Book, one New York» etwa sei im Big Apple ein riesiger Lesezirkel aus dem Boden gestampft worden. Im deutschsprachigen Raum seien zwar Autorenlesungen verbreitet. Aber Buchclubs?
Dieses Gefäss erlebe gerade in Zeiten digitaler Netzwerke eine Renaissance, beobachtet Lydia Zimmer. Auch wenn sich die Welt verändere: Das Gespräch über Lektüre wie im Literatursalon des 18. Jahrhunderts sei nach wie vor gefragt, auch in Basel. In wenigen Monaten haben sich über 80 Leserinnen und Leser in Zimmers Buchclub angemeldet – weit mehr, als sie in dieser kurzen Zeit erwartet hätte.
Der Club ist eines von mehreren Projekten in Lydia Zimmers «Ein-Frau-Unternehmen» Literaturecho. Seit zwölf Jahren lebt sie in Basel, geboren ist sie in Weimar. Immer wieder hat sie Literaturreisen in die Stadt von Goethe und Schiller organisiert, wo sie auch Werke zeitgenössischer Schriftsteller diskutierte. Dazu Touren nach Lübeck, Touren in die Toskana – Literatur und Reisen, das ist eigentlich seit der Kindheit ihr Ding. Auch wenn es manchmal nur Kopfreisen durch unbekannte Länder sind. Deshalb kommt in ihrem Buchclub jedesmal ein anderes Land an die Reihe.
Beliebt in England und den USA
Aber wer kommt da eigentlich hin? Das ist sehr individuell. Die eine fühlte sich angesprochen, weil der Club «Die Welt lesen» heisst und sie selbst gerne beim Reisen liest. Eine andere Teilnehmerin hat seit einem Englandaufenthalt geradezu auf einen Buchclub in Basel gewartet. Eine dritte studiert Literaturwissenschaften und findet hier eine willkommene Abwechslung. Auch Männer sind da. Einer führt sogar selbst eine Buchhandlung und möchte das Konzept gerne mit Lydia Zimmer zusammen in seine Stadt Baden tragen.
Und alle mögen die Diskussion.
«Ich fand die Geschichte einfach zu bemüht.»
«Von der ersten Seite an hat es mich gefesselt.»
Nach 90 Minuten ist dann jeweils Schluss. Eine Glocke beendet die Debatten, bevor sie ausufern. Dann gehts darum, das Buch für das nächste Land auszuwählen.
Es geht nach Südafrika.
Programm studieren oder sich anmelden? Hier gehts zur Website des Basler Buchclubs «Die Welt lesen».