Wer etwas über Basler Machtverhältnisse erfahren will, muss in einen Keller auf dem Dreispitzareal steigen. Dort lagern die Geschenke, die Staatsgäste den Basler Regierungsräten mitbringen. Das «Kabinett der Kuriositäten» nennt es die Staatsschreiberin Barbara Schüpbach, während wir mit dem Warenlift nach unten fahren. Ähnlich sieht es ihr Vorgänger, Robert Heuss, der ebenfalls dabei ist.
Die beiden sollen uns etwas über die Objekte mit der Kennung GE-1 B erzählen. Schnell zeigt sich: Am einzelnen Teller, an den Vasen oder Münzen hängen wenig Erinnerungen. Das Treffen entwickelt sich aber zu einem munteren Gespräch über 23 Jahre Schenktätigkeit an den Kanton.
Die Regierungsräte dürfen per Gesetz nur kleinere Geschenke annehmen. Was einen bestimmten Wert überschreitet, kommt alles in das Lager auf dem Dreispitz.
Zum Beispiel schenkten die Zürcher Regierungsräte ihren Basler Kollegen 2000 einen weiss-blauen «Züri-Leu». Barbara Schüpbach erklärt: «Solche Plastiken erhalten wir mittlerweile nur noch selten. Die Zürcher verschenken heute zum Beispiel Schokoladen-Löwen.»
Gebrauchen statt verstauben, das sei generell der Trend bei Staatsgeschenken. Praktisch soll es also sein. Auch Basel-Stadt macht den Trend mit. Man verschenke Foulards oder Lederetuis von Basler Designern, im Sommer auch Wickelfische, und dazu Pralinen, Läckerli oder Bier-Karaffen, sagt Schüpbach. Aber kaum noch Wappenscheiben.
Jedes Jahr empfängt Basel-Stadt die Regierungsräte aus einem anderen Kanton. Dann wird zusammen gegessen, flaniert und getratscht. Im selben Jahr besuchen die Basler Regierungsräte dann den eingeladenen Kanton. Früher sei man meistens zwei Tage zu Besuch geblieben, weiss Robert Heuss. Heute leistet man sich oft nur noch einen Tag.
Was von den Treffen jeweils übrig bleibt, sind die Mitbringsel. Sofern es sich nicht um Essbares oder Wein handelt. Die Walliser etwa, die verschenken fleissig Wein. Jeder Kanton erhält jedes Jahr mehrere Kisten als Staatsgeschenk, erzählt Schüpbach.
Auch internationale Fussballvereine bringen Basler Regierungsräten etwas mit. Die Club-Funktionäre wurden früher vor Uefa-Cup-Spielen im Rathaus empfangen. Gigi Oeri habe das so gewollt, erklärt Heuss. Heute finden diese Empfänge nicht mehr statt. Der Vorsteher des Erziehungsdepartements werde aber jeweils zum Essen eingeladen, wenn ein Champions-League-Spiel oder andere internationale Spiele stattfinden. Diese Einladungen wird jetzt Conradin Cramer erhalten.
Und, wie war das denn damals, als die grossen Clubs einluden? Heuss: «Die Funktionäre mit ihren goldumrahmten Sonnenbrillen erinnerten häufig an Mafia-Leute. Manchmal sahen wir diesen Verdacht dann später durch Zeitungsmeldungen bestätigt.» Die Essen seien aber immer sehr amüsant gewesen.
Nicht immer so unterhaltsam seien die internationalen Gäste, die zum Beispiel wegen Geschäftsbeziehungen nach Basel kommen. Ranghohe Politiker würden jeweils im Rathaus empfangen – häufig auf Wunsch der Firmen, mit denen sie Geschäftsbeziehungen unterhalten.
Einige Gäste seien auch Botschafter, die ihren Job in Bern antreten und die Schweiz kennenlernen wollen. Andere kommen, weil Basel eine Städtepartnerschaft mit ihnen unterhält. Und wieder andere, weil Basel einfach so schön ist.
Schüpbach sagt: «Anfragen von ausländischen Delegierten erhalten wir viele – so viele, dass wir in manchen Wochen bis zu fünf empfangen könnten.» Das sei aber schlichtweg nicht machbar. Also muss die Staatskanzlei entscheiden, welche Gäste offiziell empfangen werden und welche nicht.
Ein Besuch bleibt Robert Heuss sehr genau in Erinnerung. Als der chinesische Staatspräsident 1999 die Schweiz besuchte, kam es auf dem Bundesplatz zum Eklat. Tibetische Demonstranten hatten an den Fenstern zum Platz hin Transparente ausgerollt. Jiang Zemin war erzürnt und sagte den Bundesräten: «Sie haben einen guten Freund verloren.»
Am Tag danach machte Jiang Zemin einen Abstecher nach Basel. «Drei Bundesräte riefen mich vorher an», erinnert sich Heuss. Sie hätten klargemacht: Es darf unter keinen Umständen einen neuen Zwischenfall geben!
Das Nachtessen im «Trois Rois» sei dann äusserst entspannt verlaufen, Jiang war gut gelaunt. Der Staatspräsident erzählte, dass er bereits in Basel war und Kontakte zu Basler Chemie- und Pharmafirmen hatte.
Die Basler Regierung überreichte Jiang eine Oris-Uhr und einen Schokoladen-Osterhasen – in Anspielung auf das damalige Jahr des Hasen in China. «Daran hatte er riesige Freude.» Der Abend war gerettet.
Am meisten in Erinnerung geblieben ist Schüpbach und Heuss, als der Dalai Lama nach Basel kam. Dieser besuchte die Basler 2001 und 2015. 2001 schenkte er eine Butterlampe aus teilweise vergoldetem Silber. Diese vermachte die damalige Regierungsrätin Barbara Schneider dem Museum der Kulturen.
Bei seinem Besuch 2015 brachte der Dalai Lama allen Regierungsräten Konfekt und einen weissen Schal mit, wie Schüpbach erzählt. Danach habe man mit ihm auch im «Trois Rois» gegessen. Begeistert war Schüpbach von der Fröhlichkeit des Dalai Lama: «Ich habe noch nie jemanden so lachen hören.»
Nicht alle Geschenke bunkern im Lager am Dreispitz. Gerade Nutzgegenstände dürfen die Regierungsräte auch mal behalten. Und die sind offenbar nicht immer nur unnütz.
So hätten zum Beispiel Gäste aus einer chinesischen Stadt für alle Regierungsräte Pyjamas mitgebracht, sagt Heuss. Auch er selbst erhielt eines. «Das Pyjama habe ich fünf Jahre lang getragen. Es war von unglaublicher Qualität!»
Ebenfalls willkommen waren die Geschenke der kolumbianischen Botschafterin, die allen Regierungsräten eine Kiste Zigarren mitbrachte. Auch die Badezusätze aus dem Toten Meer, die der jordanische Botschafter verteilte, seien gut angekommen.
Diese Geschenke durften die Regierungsräte nach Hause nehmen. Die Segelschiffminiaturen aus Kuwait wurden ihnen abgenommen, weil sie zu wertvoll sind.
Weniger nützlich sind die Wappenscheiben, die die Nachbarn aus Lörrach und Weil am Rhein in regelmässigen Abständen nach Basel tragen. Im Depot lagern einige davon. Weitere würden im Keller des Rathauses liegen, erklärt Schüpbach. Der Mitarbeiter des Historischen Museums erwidert darauf lachend: «Die müssen Sie uns nicht bringen.»