«Man füttert uns mit Halbwahrheiten» – die Pächter der Blei-Gärten nerven sich über Behörden

Seit Ende März wissen die Behörden um die belasteten Böden bei den Dreispitz-Familiengärten. Informiert haben sie erst Mitte Mai. Und jetzt soll doch alles nur halb so schlimm sein.

Kann ich das essen? Die Pächter der Familiengärten auf dem Dreispitz wissen nicht, wie viel Gift ihr Gemüse aus dem Boden aufnimmt. (Bild: Nils Fisch)

Die Pächterinnen und Pächter der Dreispitz-Familiengärten sind verunsichert. Anfang Juni informierte der Familiengärtner-Verein (FGV) Dreispitz die Pächterschaft über die hohe Bleibelastung der Böden in den Familiengärten.

Wie aus dem nun veröffentlichten Untersuchungsbericht hervorgeht, wusste die Eigentümerin Immobilien Basel-Stadt aber schon länger von den belasteten Böden. Sie hatte im Hinblick auf die künftige Bebauung des Areals Proben entnehmen und analysieren lassen. Das geschah Mitte Februar, das Resultat lag Ende März vor: «Sehr hohe Belastungen des Untergrundes bis unmittelbar unter die Terrainoberfläche.»

Informiert wurde der Vorstand des Familiengärten-Vereins Dreispitz erst Mitte Mai – fast zwei Monate nach der Analyse der Bodenproben. Bis dahin wusste keiner der Hobbygärtner von den Schwermetallen im Untergrund und den sogenannten PAK (Polyzyklische Aromatische Kohlenwasserstoffe) auf der Oberfläche der Gartenparzellen.

«Konkrete Gefährdung» bereits im März bekannt

«Wir mussten uns zunächst verwaltungsintern abstimmen», verteidigt Emanuel Trueb, Leiter der Stadtgärtnerei das lange Zuwarten seitens der Behörden. Ausserdem hätten die Werte in einer Detailuntersuchung im Hinblick auf ihr Gefährdungspotenzial analysiert werden müssen.

Das Gutachten des Geotechnischen Instituts geht aber bereits in der Entwurfsfassung vom 20. März von einer «konkreten Gefährdung durch das Schutzgut Boden» aus. Für vier der Parzellen sprach das Amt für Umwelt und Energie (AUE) Mitte Juni per Verfügung ein Nutzungsverbot aus: Hier wurden die Sanierungswerte überschritten, was «bestimmte Nutzungen ohne Gefährdung von Menschen, Tieren oder Pflanzen nicht möglich» macht, wie es in der Verfügung heisst.

Die Empfehlung der Stadtgärtnerei: Pflanzt das Gemüse lieber in Hochbeeten.

Der Spielplatz und die neun anderen getesteten Parzellen der Dreispitz-Familiengärten werden indes lediglich als «stark belastet» eingestuft, was kein generelles Nutzungsverbot durch den Kanton nach sich zieht. Für die Belastung sind nicht nur die Schwermetalle, sondern auch die PAK verantwortlich. Diese werden nicht durch angepflanztes Gemüse, sondern durch direkten Bodenkontakt aufgenommen, was vor allem für spielende Kinder gefährlich sein kann. Beim Spielplatz muss deshalb der Boden versiegelt werden.

Die Stadtgärtnerei rechne damit, dass auch in weiteren Parzellen der Sanierungswert überschritten werde, sagt Trueb. Man empfehle allen Pächterinnen und Pächtern, ihr Gemüse in Hochbeeten anzupflanzen. Gemäss AUE-Verfügung müsste Immobilien Basel-Stadt umgehend weitere Untersuchungen einleiten.

Im Ungewissen gelassen

Seit der Infoveranstaltung am 29. Juni, als die Stadtgärtnerei und das AUE – in Abwesenheit der Eigentümerin Immobilien Basel-Stadt – alle Pächter über die Lage informierten, habe man von den Behörden nichts mehr gehört, sagt Rudolf Krieg, Präsident des FGV Dreispitz. Er ist genervt. «Man füttert uns mit Halbwahrheiten.»

Das Nutzungsverbot für die vier Parzellen sei schon wieder Schnee von gestern. «Gemäss unseren Informationen darf man unter bestimmten Auflagen dort nun doch wieder Gemüse anpflanzen. Die Werte sind jetzt offenbar nicht mehr so alarmierend.»

Von der Stadtgärtnerei heisst es, man setze die beschlossenen Massnahmen gemeinsam mit den Betroffenen um. Davon weiss Krieg nichts. Man könne und wolle die Einhaltung der Massnahmen der Stadtgärtnerei nicht kontrollieren. «Wenn die Behörden das nicht selber machen, wissen wir, dass von ihrer Seite gar kein Interesse besteht.»

Die Radieschen sind unbedenklich

Einigen Hobby-Gärtnern sei das alles egal, andere seien sehr verunsichert, sagt Krieg. Eine Pächterin habe Radieschen und Salat in Eigeninitiative untersuchen lassen. Ergebnis: unbedenklich geniessbar.

Woran man jetzt genau ist, weiss niemand. «Wir erwarten vom Kanton, dass er uns sagt, was Sache ist», sagt Krieg. Einige hätten sich entschieden, ihre Parzelle aufzugeben. Vor allem für diese, aber auch für alle anderen Schrebergärtner, erwartet Krieg Entschädigungen über das Erlassen des Pachtzinses hinaus: «Um diese Forderungen durchzusetzen stehen wir bereits mit unserem Anwalt in Kontakt.»

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