Da sitzt er auf «seiner» Tribüne: Skateboard-Legende Oliver Bürgin. Mit der selben unzähmbare Löwenmähne wie immer hockt er da, auf der Holzbank in der «Kunsti» Margarethen, mit der unendlich entspannten Haltung des ewigen Skaterboys.
Aber Bürgin ist nicht entspannt. Das verraten seine blauen Augen. Rastlos wandern die über die Baustelle auf dem Margarethenhügel, als führen sie auf dem Skateboard einen Parkour ab. Bürgins Parkour. In wenigen Tagen kommt es hier zum Stelldichein der erweiterten europäischen Skaterelite, die Bürgin 2001, damals 28 Jahre jung, erstmals nach Basel gelockt hatte.
Jetzt ist Bürgin 44. Und der European Skate Contest (ESC) erlebt mit seinem Urheber ein Revival.
Wie es dazu kam? Teil eins der Antwort steht im Strategiekonzept des Basler Standortmarketings. Auf der Suche nach Events, die Basel über seine Grenzen hinaus bei neuen Zielgruppen populär machen könnten, erinnerten sich die Verantwortlichen an Bürgin und Konsorten. Wie sie Basel mit den European Skate Championships zwischen 2001 und 2010 zum europäischen Fixpunkt im Skaterkalender gemacht hatten. Damals kam die Crème de la Crème der Szene auf die umgebaute «Kunsti» Margarethen.
Solange die Bretter am Stadtrand rollten, war das allen recht. Innerorts sah die Sache anders aus. Vom Theaterplatz wurden die Skater vertrieben wie lästige Fliegen, noch heute machen Bremsstreifen den Platz unbefahrbar.
Jetzt soll Skaten also zum Touristenmagnet umfunktioniert werden. Bürgin ist bei dieser Sache nicht ganz wohl. Er will nicht als Promo-Zampano gelten, der sich von der Stadt für eine Marketing-Aktion vor den Karren spannen lässt.
Trotzdem hat er sich auf den Deal eingelassen. Der Swisslos Sportfonds investiert 60’000 der insgesamt 100’000 Franken in den Event. Den Rest berappen Sponsoren – die Antrittsgelder der Fahrerinnen und Fahrer sowie das Eintrittsgeld.
Bürgin reaktiviert für den Anlass seine alten Kontakte und organisiert einen Event, den er als «Trojanisches Pferd» bezeichnet. Was es mit dem «Trojanischen Pferd» auf sich hat, ist Teil zwei der Antwort darauf, warum es den ESC wieder gibt. Und warum es der ewige Oli Bürgin sein muss, der ihn auf die Beine stellt.
Mit einem Event die Kommerzialisierung austricksen
Der Skate-Sport und seine Szene haben sich verändert. 2020 wird Skateboarden erstmals olympische Disziplin, und wer einen Blick in die Foren der Szene-Magazine wirft, sieht gespaltene Meinungen.
Hier die Befürworter, die sich einen Popularitätsaufschwung für ihren Sport erhoffen. Dort die Nostalgiker, die im Mega-Event einen Verrat am «Spirit» wittern. Der Kommerz zerschlägt in ihren Augen den Do-it-yourself-Drive früherer Tage. Und wie immer, wenn einstmalige Subkulturen vom Mainstream eingemeindet werden, stehen die Pioniere auf und sagen: «So nicht!»
Also sattelt Bürgin das «Trojanische Pferd»: Er gibt dem Stadtmarketing seinen Event, baut mit seinen Kumpels aber einen eigenen Parkour und setzt auch sonst alles daran, den «Spirit» zu erhalten. «Früher haben wir die Ramps und Rails gemietet, die mussten dann durch halb Europa transportiert werden», sagt Bürgin. «Jetzt machen wir alles selber, die Teile können danach zerlegt und in der Nähe gelagert werden.»
DIY und Nostalgie – das hat einen trotzigen Touch. Manchmal macht sich Bürgin darüber selber lustig. In einem Interview mit der «bz Basel» sagte er 2013, es sei «ein Witz», dass er mit seinen damals 40 Jahren immer wieder als Beispiel für initiative Jugenkultur genannt werde.
Die Jugendkultur ist mit Bürgin erwachsen geworden. Und ein bisschen merkt man dem Skatboarder die späte Genugtuung an, die ihm das Revival «seines Babys» eben auch bereitet. Was Bürgin und Freunde damals auf die Beine gestellt hatten, war ein europäischer Top-Event.
Als Bürgin kürzlich aber als Berater des Schweizer Planungsteam für die Skateboard-Olympiakampagne 2020 fungieren sollte, sprach man dort nur von jener Tortenschlacht bei der Siegerehrung des ESC 2010:
Dass der höchste Schweizer Sportverband den ESC als Kindergeburtstag auf Rädern betrachtete, war für Bürgin ein Affront. Die Swiss Olympic Assossiation muss ihre olympische Skateboard-Mission deshalb ohne ihn planen.
Denn Bürgin ist einer, der sich so etwas nicht gefallen lässt. Auch nicht von den olympischen Verbandsheiligen. Bürgin ist einer, der auch noch mit 44 Jahren bis zu fünfmal in der Woche auf dem Brett steht und durch seine selbstgemachte Betonschüssel «Portland» rauscht. Bürgin ist einer – auch das ist Teil der Geschichte hinter dem ESC-Revival –, der einfach verdammt viel Spass hat am Skatboarden.
Er denkt nicht ans Aufhören. Nicht weil er nicht loslassen könnte. Sondern weil ihn das Skateboarden nicht loslässt.
ESC: Keine Europameisterschaft mehr
Das C in ESC Basel steht unterdessen nicht mehr für «Championships», den Stellenwert einer Europameisterschaft hat der Event in den Pausejahren verloren. «Man könnte es jetzt eher als European Skateboarding Contest, Community oder Culture bezeichnen», sagt Bürgin dem Magazin «Solo».
Eine Rückkehr zu dieser Skate-Kultur sieht Bürgin auch auf der Strasse. «Ich beobachte, dass die Crews wieder Freude an banalen Hindernissen entwickeln, an Trottoirkanten und Parkbänken.» Bürgin freut sich darüber, auf seiner Homepage hat er eine Stadtkarte aufgeschaltet, auf der er den Skateboard-Gästen die Basler Hotspots zum Skaten empfiehlt.
Dass die Stadt diese Karte naserümpfend zur Kenntnis nehmen könnte, wird Bürgin egal sein. Seine Stadt ist ein Spielplatz, seine Mission der gemeinsame Spass am Skaten. Um die Vermarktung der Stadt als Konsumtempel werden sich die anderen schon kümmern.
Lasst die Bretter rollen: Bürgins Skaterkarte zum Anklicken. Hier gehts zur Homepage des ESC Basel.