Als Gigi Andrej eines Abends in die Hebelstrasse kam, war ihr Velo einfach weg. Ihr erster Gedanke: Es wurde gestohlen. Dann rief sie die Polizei an, vielleicht hatte die es ja mitgenommen, weil ihr Velo auf einem Motorrad-Parkplatz stand – so interpretierte Andrej die mit gelben Linien markierte Fläche.
Von der Polizei erhielt sie einen Rüffel. Ihr Velo sei im Parkverbot gestanden und deshalb abgeschleppt worden. Am Tag darauf konnte Andrej das Rad wieder abholen – gegen eine Gebühr von 55 Franken.
Andrej arbeitet gleich nebenan und stellt ihr Velo seit sieben Jahren an dieser Stelle ab. Warum sollte das plötzlich nicht mehr möglich sein?
Wer weiss, was es bedeutet?
Das Bau- und Verkehrsdepartement (BVD) zeigt sich über die Anfrage der TagesWoche erstaunt. Die gelben Linien existierten an dieser Stelle schon sehr lange – mindestens seit zehn Jahren. Sie markieren einen Gehweg. Fussgänger sollen damit von der Strasse ferngehalten werden – und auf der Markierung am Strassenrand laufen. Ein Augenschein vor Ort zeigt: Niemand tut das.
Peter Gysin, der in dieser Ecke ein Geschäft für Bilderrahmen führt, findet die gelben Striche «biireweich». Die Fussgänger würden allesamt auf der Strasse gehen und nicht auf der Markierung. «Wahrscheinlich wissen nicht einmal fünfzig Prozent der Polizisten, was das hier ist», sagt Gysin mit einem Grinsen.
Erst kürzlich wurden die gelben Striche frisch nachgezogen. Und plötzlich kam auch die Polizei auf die Idee, bei den Wildparkierern an dieser Stelle durchzugreifen. Warum gerade jetzt, kann Polizeisprecher Toprak Yerguz nicht erklären.
Jedenfalls hängte die Polizei im August Flyer an die dort abgestellten Räder und schleppte daraufhin acht Velos ab – darunter auch das von Gigi Andrej.
Einen Schilderwald will auch keiner
Das Missverständnis zwischen Behörden und Bevölkerung ist anscheinend gross. Andrej sagt: «Ich hätte nie im Leben gedacht, dass diese Markierung ein Verbot zum Abstellen von Velos bedeutet.» Vielmehr würden die Linien wie Abstellfelder für Velos und Motorräder aussehen. Sie fragt sich, warum nicht einfach ein Schild aufgestellt wurde: Velo abstellen verboten. Das wäre immerhin eindeutig.
Nicole Stocker vom BVD erklärt: «Wir können nicht überall Zusatzschilder und Plakate aufhängen – sonst heisst es dann wieder: Wozu der übertriebene Schilderwald? Wir müssen davon ausgehen, dass Verkehrsteilnehmer die Strassenregeln und Markierungen kennen.»
Immerhin: Ein Velofahrer, der von der Hebelstrasse in den Petersgraben einbiegt, kann fehlerfrei erklären, was die Markierung bedeutet. Die Zeichen, die auf den Asphalt gemalt sind, lösen also nicht bei allen Kopfschütteln aus.
Aber Hand aufs Herz: Auch Fussgänger, die mit der Strassen-Semiotik näher vertraut sind, gehen an dieser Ecke wohl lieber auf der Strasse, als sich zwischen Hauswand, Strassenschildpfosten und Poller durchzuzwängen.