Auf dem Bauch gelandet

Intensive Kundenbeziehungen zu «steueroptimierenden» reichen Personen in aller Welt waren ­während vieler Jahre das unter dem Schutz des Bankgeheimnisses praktizierte Geschäftsmodell des Schweizer Finanzplatzes. Dieses Geschäftsmodell ist offenkundig überholt. Seltsamerweise fanden nämlich die Herkunftsländer der Steueroptimierer dieses Modell auf Dauer nicht lustig. Für sie war das eher Beihilfe zum Steuerbetrug. Lange foutierten sich die Schweizer […]

Intensive Kundenbeziehungen zu «steueroptimierenden» reichen Personen in aller Welt waren ­während vieler Jahre das unter dem Schutz des Bankgeheimnisses praktizierte Geschäftsmodell des Schweizer Finanzplatzes. Dieses Geschäftsmodell ist offenkundig überholt.

Seltsamerweise fanden nämlich die Herkunftsländer der Steueroptimierer dieses Modell auf Dauer nicht lustig. Für sie war das eher Beihilfe zum Steuerbetrug. Lange foutierten sich die Schweizer Banken um die Beschwerden. Wer sie auf die Risiken hinwies oder gar moralische Fragezeichen setzte, wurde ausgelacht und ­ausgegrenzt.

Erst als die USA begannen, die Daumenschrauben anzuziehen, setzte Wehklagen ein – eine ­Weltmacht kann man ja nicht ­einfach auslachen. Dann kam der eilfertige Gehorsam – mit Ablasszahlungen in Sachen herrenlose Vermögen, staatlich bewilligter Durchlöcherung des Bank­geheimnisses, Lieferung von ­Kundendaten an ausländische Steuerbehörden. Sogar monetär nicht fassbare «Werte» und ethische Prinzipien wurden plötzlich höher gehängt.

Mittlerweile ist, wie die im nebenstehenden Beitrag beschriebenen Erfahrungen meines Kollegen Karl Kränzle mit der Credit Suisse zeigen, offenbar sogar vorauseilender Gehorsam angesagt. Kunden, selbst solche schweizerischer Nationalität, die in den USA leben, werden kurzerhand aus der Kundenliste gestrichen, nur auf die vage Vorstellung hin, dass die amerikanische Steuerbehörde eventuell auch solche Kunden­beziehungen gelegentlich einmal unter die Lupe zu nehmen wünschen könnte.

Nachdem man mit dem grossen Risiko, Steuerhinterzieher vor ihren eigenen Behörden zu schützen, auf dem Bauch gelandet ist, meidet man jetzt auch das aller­geringste Restrisiko. Und schüttet dabei das Kind mit dem Bade aus, indem man unbescholtene, redlich ihre Steuern zahlende Kunden ihrer langjährigen Bankverbindung beraubt. Und ihnen womöglich mit dem Abgang auch noch einen wirtschaftlichen Schaden zufügt.

So etwas nennt sich dann «strategische Überlegungen zur Marktsituation». Ich nenne es einfach unredlich.

Ein Kommentar

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Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 18/11/11

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