Die Baselbieter Bauern würden schweizweit am stärksten von der Landwirtschaftsreform profitieren. Trotzdem ist ihr Verband dagegen.
Wäre die Schweizer Landwirtschaft ein Betrieb und das Baselbiet eine Abteilung, dann müsste Bundesrat Johann Schneider-Ammann mit Gästen auf Betriebsbesichtigung in die Nordwestschweiz reisen. Denn in Sachen Landwirtschaft ist das Baselbiet ein Vorzeigekanton.
Geht es nach dem Willen des Bundesrats, sollten sich alle Schweizer Bauern in die gleiche Richtung bewegen wie die Baselbieter Berufskollegen. Weiterhin sollen sie säen und ernten, mästen und melken – gleichzeitig aber auch als Landschaftspfleger für ihren ökologischen Einsatz mit Direktzahlungen entschädigt werden. Und vor allem sollen die Bauern eine vernünftige Anzahl Tiere halten – vorab Kühe. Da ist das Baselbiet vorbildlich: Nur knapp 10 000 Kühe geben im Baselbiet Milch. In der Schweiz sind es 60-mal mehr.
Ökonomischer und ökologischer Unsinn
So viele Kühe zu füttern, ist ein ökologischer und ökonomischer Unsinn. Ökologisch deshalb, weil die Kühe längst nicht mehr nur Gras fressen, das in der Schweiz wächst, sondern in rauen Mengen importiertes Getreide oder Soja vertilgen. Zudem drückt die Überproduktion von Milch und Fleisch auf den Preis. Dass die Bauern trotzdem auf Masse setzen, auch wenn sie darauf sitzen bleiben, daran ist die Verfassung schuld: Jeder Grasfresser wird subventioniert. Im Baselbiet zum Beispiel gibt es – je nach Hanglage und Betriebsgrösse – zwischen 450 und 1420 Franken pro Kuh.
Diesen Fehlanreiz möchte der Bundesrat jetzt korrigieren und die Direktzahlungen von der Anzahl Tiere lösen. Neu sollen die sogenannten Tierhalterbeiträge abgeschafft und durch Zahlungen an die Flächen abgelöst werden. Was Fachleute als Schritt in die richtige Richtung feiern, ist politisch umstritten. Am vergangenen Mittwoch sprach sich der Nationalrat als Erstrat mit 1oo zu 80 Stimmen für die Reform aus.
Der Bauernverband wehrt sich im Baselbiet für ein paar Ausnahmebetriebe
Den hartnäckigsten Widerstand leistet dabei der Bauernverband. «Leidtragende wären die Milchwirtschaftsbetriebe, die Verlierer wären Höfe mit intensiver Produktion», sagt Gregor Gschwind, Präsident des Bauernverbands beider Basel. Das stimmt.
Trotzdem überrascht der Widerstand des lokalen Bauernverbands, sind doch gerade solche Betriebe im Baselbiet die grosse Ausnahme, die allenfalls die Regel bestätigen. Die grüne Nationalrätin und Bäuerin Maya Graf kann diese Haltung nicht verstehen: «Der Bauernverband setzt sich bei dieser Reform nur für Talbetriebe mit intensiver Fleisch- und Milch-produktion ein. Dabei haben wir im Baselbiet eine Hügellandschaft und betreiben keine solch intensive Landwirtschaft.»
Für die meisten ändert sich wenig
Genau solche nicht intensiv produzierende Betriebe zählen bei der Agrarreform zu den Gewinnern. Zu diesem Schluss kommt auch das Bundesamt für Landwirtschaft in einem internen Papier: In einem Vergleich zwischen allen Kantonen würden die Baselbieter Bauern prozentual am stärksten von der geplanten Reform profitieren.
Die Rechnung gemacht hat auch Bauer Christian Schürch vom Neuhof in Reinach. Mit 75 Hektaren Ackerland liegt er weit über dem Baselbieter Durchschnitt von 22. Trotzdem begrüsst der IP-Bauer die geplante Reform. Schliesslich werden die Direktzahlungen, rund 52 Millionen Franken im Baselbiet, ja nicht gekürzt, sondern nur anders verteilt. Abgefedert wird die Umstellung zudem noch mit Übergangs- und Umstellungsbeitägen.
Verschiedene Kantone haben denn auch Modellrechnungen durchgeführt. Fazit: Für die meisten Bauern ändert sich wenig. Auch wenn noch lange nicht alle Details entschieden oder geregelt sind, ist Bauer Schürch überzeugt, dass grössere, extensive Betriebe wie der von ihm gepachtete Neuhof gewinnen werden. Auf seinen Kiesböden, die wenig Ertrag abwerfen, pflanzt er schon heute sogenannte Buntbrachen. Dafür entschädigt ihn das landwirtschaftliche Zentrum Ebenrain mit Ökobeiträgen.
Es gibt zu viel Kühe
Solche ökologischen Massnahmen will der Bundesrat mit der Reform weiter fördern. Deshalb begrüsst auch Urs Chrétien, Geschäftsführer von Pro Natura Baselland, diese Reform. Er ist soeben von einer Alp oberhalb von Savognin (GR) zurückgekehrt, wo er zwei Mutterkuhherden inklusive Muni und über hundert Tiere betreute. «In der Schweiz gibt es einfach zu viele Kühe», sagt er.
Die überzähligen Tiere, dazu zählen neben Kühen auch Schweine, müssten mit importiertem Kraftfutter, etwa Soja gefüttert werden, so Chrétien. Und zwar mit so viel Kraftfutter, das auf einer Fläche angepflanzt wird, die noch einmal so gross ist wie das gesamte Schweizer Ackerland. Die so gemästeten Kühe sorgen für eine Milchschwemme und damit für noch stärker sinkende Milchpreise. «Eine Sackgasse: Die Landwirtschaft muss wieder produzieren, ohne den Boden auszubeuten», sagt Chrétien. Also genauso wie auf der Alp: Bauern sollten nur so viele Tiere halten, wie die Landschaft an Futter hergibt.
Auch Urs Chrétien kann den Widerstand des Bauernverbands nicht nachvollziehen: «Die Bauern verlieren mit dieser Reform nichts. Aber viele sind immer noch drauf getrimmt, möglichst viel zu produzieren. Sie tun sich deshalb schwer damit, dass sie plötzlich Direktzahlungen erhalten, weil sie stattdessen die Artenvielfalt fördern.»
Bauernsterben wird trotzdem weiter gehen
Der Basler SP-Nationalrat Beat Jans, selbst ein gelernter Bauer, betont: «Bauern, die sich in die richtige Richtung bewegen, werden dank der Reform gewinnen.» Und die richtige Richtung heisst: noch ökologischer bauern. Die Baselbieter Bauern würden auch deshalb zu diesen Gewinnern gehören, weil sich viele bereits an vorbildlichen Programmen zur Förderung der Artenvielfalt beteiligen, so Jans. In Zukunft solle der Kanton auch festlegen können, welche Landschaftsqualität er mit Direktzahlungen fördern wolle. «Im Baselbiet liegt es zum Beispiel auf der Hand, die heute schon geförderten Hochstammbäume noch stärker zu unterstützen.» Gregor Gschwind dagegen warnt, dass damit bloss der administrative Aufwand noch weiter zunehmen würde.
Viel prägender als diese Reform ist allerdings das Bauernsterben, das weitergehen wird. Im Baselbiet etwa gibt es heute nur noch knapp 1000 Betriebe. Vor 25 Jahren waren es noch fast doppelt so viel.
Doch diese Entwicklung ist volkswirtschaftlich erwünscht: Die verbleibenden Betriebe können freigewordenes Land dazukaufen oder pachten und als grössere Betriebe effizienter produzieren. Aber das funktioniert nur, wenn kein Landwirtschaftsland verloren geht.
Genau das macht Christian Schürch die grössten Sorgen. Er wird bald zehn Hektaren weniger beackern können, weil das Land überbaut wird. «Damit Konsumenten, Steuerzahler und Bauunternehmer sich wegen des Landverschleisses kein schlechtes Gewissen machen müssen», sagt der Reinacher Bauer zynisch, «sorgen wir Bauern für etwas mehr Ökologie und ermuntern sie so zugleich, weiterzumachen wie bisher.»
Artikelgeschichte
Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 28.09.12