Bei Exsila hängt der Tauschsegen schief

Mit Shareconomy sollte ein alternatives System geschaffen werden, das unabhängig von der Mechanik der Wirtschaft existiert. Benutzt man jedoch Zwischenhändler, schlägt das System zu. Denn irgendwo steht immer eine Summe in Schweizer Franken. Was auch die Tauschplattform Exsila gerade bemerken muss.

Wer Gebrauchtes nicht wegwirft, sondern es jemand anderem zur Nutzung überlässt, handelt nachhaltig und schont Ressourcen. Tauschen statt Wegwerfen: das klingt erst einmal gut. Aus dem Tauschhandel ist ein eigenes Wirtschaftssystem entstanden, die Shareconomy. Die aber funktioniert wie die konventionelle Wirtschaft auch.

Tauschhandel ist denkbar simpel. Wer auf dem Pausenhof Paninibildchen tauscht, hat bereits einen Handel getätigt, im besten Fall zum beiderseitigen Vorteil. Wer einen grösseren Personenkreis erreichen will, nutzt einen Zwischenhändler. Tauschen, verschenken oder verkaufen kann man fast alles: gebrauchte Kleider, Elektronik, DVDs, handwerkliche Fähigkeiten, Nachbarschaftshilfe. Aus der «Shareconomy» ist bereits ein eigenes Wirtschaftssystem entstanden. Und genau da fängt das Problem an.

Eine der grössten Schweizer Tauschplattformen ist Exsila.ch, die 2008 mit DVDs, Games und Büchern online ging. Dazu kamen bald Kleidung, Elektronik, Tickets und mehr. Einstellen lassen sich viele Artikel denkbar einfach mit Hilfe der darauf angebrachten Barcodes. Zudem bietet Exsila einen Treuhandservice an. Das Anbieten von Produkten ist kostenlos, nur beim Verkauf werden Gebühren fällig.

Der Tauschmotor kommt ins Stottern

«Richtig sympathisch», sagt ein Benutzer, fand er die Plattform zu Beginn. Vor allem wegen der dahinterstehenden Ideologie. Inzwischen ist er sich nicht mehr so sicher. Das Angebot lahmt und die Produkte werden immer teurer, monieren die Kunden. Ge- und verkauft wurde bei Exsila zunächst mit einer Komplementärwährung, den Exsilapunkten. Seit 2011 ist auch der Verkauf in Schweizer Franken erlaubt. Damit fingen nach Ansicht einiger Mitglieder die Probleme an. Eingangs entsprach ein Franken etwa einem Punkt. Inzwischen ist das Verhältnis bei manchen Produkten bis auf 10:1 geklettert. Im Durchschnitt kosten Produkte in Punkten laut Exsila etwa das Dreifache.

«Seit man mit Schweizer Franken bezahlen kann, sind die Preise explodiert», findet ein DVD-Sammler und nennt auch gleich ein Beispiel: «Früher hat eine neue DVD vielleicht 40 Punkte gekostet, jetzt geht das bis in die 100.» Immer mehr Benutzer würden auf die Bezahlung in Franken ausweichen. Die Qualität der angebotenen Ware sei dabei zusehends gesunken. Der Gedanke vom nichtkommerziellen Tausch geht für ihn dabei bachab.

It’s the economy, stupid?

Der Grund für die Misere ist denkbar einfach: Exsila sieht sich zunehmend mit den Problemen der freien Wirtschaft konfrontiert. Damit man nicht jeden Tausch einzeln aushandeln muss, arbeiten viele Tauschplattformen mit einer Komplementärwährung. Was man tauscht, wird gutgeschrieben in Arbeitsstunden oder Punkten.

Komplementärwährungen gibt es auch in der freien Wirtschaft. In Basel gibt es zum Beispiel die WIR-Währung. Einige Länder greifen auf US-Dollar oder Euro zurück, weil die eigene Währung zu instabil oder nicht in ausreichender Menge verfügbar ist. Für Tauschplattformen macht eine Zweitwährung Sinn: Das Tauschgeld bleibt im System und regt weitere Tauschgeschäfte an. Da es keinen wirklichen Wert besitzt, schreckt es ausserdem rein kommerziell orientierte Verkäufer ab.

Grundkurs Wirtschaft: Inflation

Leider hat dieses System bei Exsila zwei kleine Schönheitsfehler. Der erste: Wer sich neu anmeldet und etwas in Punkten ausgezeichnetes kaufen möchte, muss Punkte von Exsila erwerben. Die Plattform agiert dabei wie eine Bank und finanziert sich dadurch selbst. Ein Rücktausch von Punkten gegen «richtiges» Geld ist jedoch nicht möglich. Die Menge der Punkte im System wird so immer grösser. In den letzten sechs Jahren hat sie sich etwa verdoppelt. Dadurch passierte dann das, was auch in der realen Wirtschaft passiert: Wenn der wachsenden Menge von Punkten nicht eine immer grössere Warenmenge gegenübersteht, kommt es zur Inflation. Knappes Gut wird immer teurer.

Der zweite: Das Einstellen von Artikeln ist kostenlos. Beim Verkauf wird eine Verkaufsgebühr fällig, die bis vor kurzem ausschliesslich in CHF zu bezahlen war. Ein Punkt entspricht dabei einem Franken. Auch die Versandkosten trägt der Verkäufer. Am Ende hat er also draufgelegt, wenn er nicht höherwertigere Artikel für Punkte eintauschen kann. Auch das treibt die Preise in die Höhe.

Exsila selbst führt noch ein anderes Argument an, das den Punkteverfall beschleunigt hat. Auch dieses bestens bekannt aus der Wirtschaftstheorie: Massgeblich für den Bestand einer Währung ist das Vertrauen der Verbraucher. Haben die kein Vertrauen mehr in die Währung, bricht im schlimmsten Fall das Wirtschaftssystem zusammen.

Nun kann man bei der Exsila Bank nicht einfach das Konto plündern, um die Punkte unter die Matratze zu legen. Wird die Punktewährung aber nicht mehr benutzt, ist sie faktisch tot. Exsila wäre dann eine Verkaufsplattform wie Ricardo oder Ebay. Vorbei der Traum vom alternativen Wirtschaftssystem.

Siegt am Ende doch der Geiz?

«Ob Geld den Charakter verdirbt, ist natürlich eine eher philosophische Frage», sagt Tobias Baumgartner von Exsila dazu. Für die Betreiber sei der Grundgedanke einer Shareconomy sehr wichtig. Sie würden diese Konstruktionsfehler am liebsten beseitigen und komplett zum Punktesystem zurückkehren. Im Moment sei das aber finanziell nicht möglich. «Wir müssen zwar keine Gewinnerwartung erfüllen, obwohl wir eine AG sind. Finanzieren müssen wir uns aber trotzdem», sagt Baumgartner.

Der Mitarbeiterstamm von Exsila umfasst etwa ein halbes Dutzend Mitarbeiter, die laut Baumgartner «sehr motivierte Arbeit leisten», davon nur drei Vollzeitkräfte. Für den Betrieb der Plattform werden dennoch Kosten fällig, die bezahlt werden müssen. Die meisten für Server, Kundendienst und die Bearbeitung rechtlicher Vorschriften, an die man als Aussenstehender erst mal gar nicht denkt, wie das Geldwäschereigesetz.

Exsila will die Punkte retten

Exsila will Tauschmodell wie Punktewährung retten und hat auf die Probleme reagiert. Die ursprünglich werbefreie Plattform schaltet inzwischen auch Anzeigen. Um die Kasse aufzubessern, vermarktet die Plattform zudem Bonusangebote und verwendet sogenannte Affiliate Links. Gelangt man über einen solchen Link auf die Webpage eines externen Verkäufers und kauft dort etwas, bekommt der Betreiber einen Teils des Verkaufspreises.

Ab dem 01. Dezember wird die Verkaufsgebühr von Punkteverkäufen halbiert: zusätzlich zu 4 Prozent des Verkaufspreises in Schweizer Franken sind noch 4 Prozent Gebühren in Punkten fällig. So können Punkte aus dem System abfliessen. Die Verkaufsgebühr für CHF-Verkäufe bleibt bei 8 Prozent. Exsila verhält sich dabei wie eine Notenbank, die die im Umlauf befindliche Geldmenge reduziert.

Im besten Fall könne man so in kleinen Schritten zum Punktesystem zurückkehren, sagt Baumgartner. Rein theoretisch ist das möglich. Exsila könnte von den Verkaufsgebühren leben, wenn der Umschlag nur gross genug ist. Und wenn nicht, muss man das Modell der Tauschwirtschaft dann begraben? «Nein», sagt Baumgartner. «Aber es ist ein Dilemma.» Das dürfte über kurz oder lang auch für andere Anbieter gelten. 

Tausch- und Gebrauchtplattformen gibt es mittlerweile unzählige und es werden ständig mehr. Die Grundidee: warum nicht etwas jemand anderem zu Verfügung stellen, das man sowieso nicht oder nicht mehr braucht? Shareconomy ist aber mehr. Es gibt unterschiedliche, mehr oder weniger kommerzielle Ansätze:

  • Couchsurfing: Hier bekommt man nicht nur ein Bett, sondern lernt auch den Gastgeber kennen.
  • Ein breites Internetangebot hat neben Exsila auch DerTausch.ch. Auch dort wird in Schweizer Franken gehandelt. Es finden sich aber auch Einträge wie «Tausche schönes Haus am Meer in Spanien gegen Liegenschaft. auch Landwirtschaft, Alp». 
  • Nachbarnet.ch hat sich auf lokale Vermittlung spezialisiert. 
  • Nicht zu verwechseln mit nachbarnetz.ch, das für familien- und kinderfreundliche Angebote bekannt ist. 
  • Auch Gebrauchtkleiderplattformen gibt es viele, zum Beispiel kleiderkorb.ch oder armoireaurevoir.ch (für iPhone).
  • Skillharbour.ch umgeht das lästige Geldproblem ganz: abgerechnet wird in Stunden. Mit Skillhours kann man Fähigkeiten tauschen und beispielsweise einen Kochkurs geben oder Musikunterricht nehmen. 
  • Dem nichtkommerziellen Nachhaltigkeitsgedanken wohl am nächsten kommt wohl Pumpipumpe.ch. Der Gedanke dabei: warum Dinge kaufen, die man nur selten braucht? Pumpipumpe verteilt Aufkleber mit Pictogrammen von Gegenständen, die man am Briefkasten anbringen kann. Wer beispielsweise eine Bohrmaschine braucht, kann sich beim Briefkasteneigentümer eine ausleihen.
  • Wieder anders funktioniert Bring&Nimm, in Basel bekannt durch die quietschgelben Tauschschränke. Wer etwas nicht mehr braucht, kann es an einer Bring&Nimm-Stelle abgeben und kostenlos Gebrauchtes mitnehmen. Nicht abgeholte Dinge müssen allerdings irgendwo entsorgt werden. Zu Lasten des Betreibers.

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