Ob es die Unzufriedenheit mit der globalen Wirtschaftssituation ist, ein Ausdruck der Krise im Euroraum oder Spass am Experiment: Die Suche nach alternativen Wirtschaftsmodellen hat Konjunktur. Ein Berner Verein hat jetzt Nägel mit Köpfen gemacht und seine eigene Währung gegründet. Ganz ausserhalb des Finanzsystems steht aber auch diese nicht.
Unter dem Motto «Let’s make money» wurde vor drei Wochen in Bern die Alternativwährung Bonobo ins Leben gerufen. Am 22. Januar wurden im Rahmen der Tour de Lorraine die ersten Scheine ausgegeben. Mit Bonobo kann man beispielsweise im Blumenladen einkaufen, Grafikdienstleistungen bezahlen oder einfach Kaffee trinken gehen.
Der einprägsame Name der Komplementärwährung steht für «Bon ohne Boss». Wem das bekannt vorkommt: Eine Zwergschimpansenart gleichen Namens gibt es auch. Bonobos sind in der Verhaltensforschung bekannt für ihr komplexes Sozialleben und den sehr friedfertigen Umgang untereinander. Das sei «in keiner Weise nur Zufall», sagt Olaf Zanger, Mediensprecher des Vereins Alternativwährung Bonobo.
Keine Bank und keine Spekulationen
Wer beim Bonobo-Handel mitmacht, gibt ein Statement zur einer alternativen Art der Ökonomie ab. Zentrales Anliegen des Vereins ist der soziale Umgang miteinander.
Am Bonobo-System teilnehmen können neben Privatverbrauchern alle Unternehmen, die nach bestimmten sozialen, demokratischen und ökologischen Grundsätzen wirtschaften. Der Verein gibt dazu Fragebögen aus, auf denen beispielsweise nach betriebsinternen Entscheidungsprozessen und Gleichstellungsbedingungen gefragt wird.
Die Noten zu 5, 10 und 25 Bonobo können bei allen teilnehmenden Unternehmen 1:1 gegen Franken getauscht und wie Bargeld verwendet werden. Für grössere Beträge hat der Verein eine Wechselstube eingerichtet. Mit Bonobos kann jedoch nicht spekuliert werden. Es gibt keine Bank und keine Bonobo-Konten. Die Verwaltung der Währung wird vom Vereinsvorstand ehrenamtlich erledigt. Gedruckt werden die laut Verein fälschungssicheren Scheine im Berner Kulturzentrum Reitschule.
Gesucht: alternative Wirtschaftsmodelle
Die Idee zu Bonobo ist aus der jährlich stattfindenden Tour de Lorraine entstanden, einer jährlich stattfindenden Anti-WEF Aktion. Die Alternativveranstaltung beschäftigt sich jedes Jahr mit einem bestimmten Thema, zu dem vier Tage lang Workshops, Vorträge, Simulations-Spiele und Filme zusammengestellt werden.
Die Auseinandersetzung mit dem diesjährigen Thema «Geld» begann schon ein halbes Jahr vorher. Wie funktionieren Geld und Währung, wollten die Teilnehmer einer Projektgruppe wissen. Welche Funktion hat Geld im Aussenhandel, als Tausch- und Aufbewahrungsmitttel, als Wertmassstab? Wie könnte Wirtschaft anders funktionieren?
«Nicht diskutieren, ausprobieren», dachten sich die Initianten, gründeten bereits im Dezember den Verein Alternativwährung Bonobo und stellten ein Konzept auf. Ihre Überlegungen wollten die Projektteilnehmer in ein konkretes Projekt umsetzen.
In intensivem Austausch standen die Währungsgründer dabei mit dem Genossenschaft Netz Soziale Ökonomie Basel, der seit zehn Jahren die Währung «Bon Netz Bon» (BNB) herausgibt. Am BNB-System nehmen derzeit mehr als 100 Basler Unternehmen teil. Weitere Kontakte gibt es mit Cooperaxion, welche eine «Nuss-Währung» in Brasilien betreibt und mit dem Verein zur Förderung neuer Arbeitisformen flexibles.ch.
Vom Gutschein zur Währung
Experimente mit Alternativwährungen haben seit Jahren Konjunktur, befördert auch durch die Krisensituation im Euroraum. Die Verwendung lokaler Währungen soll die regionale Wirtschaft ankurbeln, indem das Alternativgeld lokal im Umlauf bleibt und so der Spekulation entzogen wird. Übergänge zu einem reinen Gutscheinsystem sind oft fliessend.
Viele Parallelwährungen sind lokal begrenzt. Ein Beispiel ist der «Donau-Taler», der im schwäbischen Riedlingen ausgegeben wird. Die Riedlinger haben ihrer Währung noch eine Besonderheit mitgegeben: Der Donau-Taler verliert alle drei Monate zwei Prozent an Wert, wenn er nicht ausgegeben wird.
Mehr als Spielerei
Die Einführung einer Alternativwährung ist jedoch weit mehr als ein wirtschaftliches Experiment. Seit 1934 gibt es beispielsweise die vielleicht bekannteste Komplementärwährung, den WIR, der seinen Ursprung in Basel hat.
Gegründet wurde dieser mit dem Ziel, in der Wirtschaftskrise den Geldumlauf zu erhöhen und dadurch die Wirtschaft anzukurbeln. Die WIR-Genossenschaft ist schweizweit aktiv, hat den Status einer Bank und eine Bilanzsumme von mehreren Milliarden Franken. Bekannt ist auch die virtuelle Währung Bitcoin, mit der weltweit gehandelt wird.
Sehr zufrieden mit der bisherigen Entwicklung
Die Tour de Lorraine ging am 25. Januar zu Ende, den Bonobo wird es weiter geben. Nach inzwischen drei Wochen nehmen inzwischen mehr als zwanzig Unternehmen aus dem Bereich Dienstleistungen und Gastronomie am Bonobo-Versuch teil. Die Tendenz ist nach Auskunft von Olaf Zanger steigend. Aktuell sind etwa 15’000 Bonobo im Umlauf.
Der Verein «Alternativwährung Bonobo» ist sehr zufrieden mit der Entwicklung. Selbst anfangs kritische Stimmen liessen sich von der experimentellen Währung überzeugen. «Die Fassbarkeit des Bonobo scheint Überzeugungsarbeit für uns zu leisten», vermutet Olaf Zanger.
Entscheidend für die Zukunft des Bonobo dürfte die Beziehung der Teilnehmer zu Zulieferern sein. Können diese erst einmal in der Alternativwährung bezahlt werden, steht der Verwendung des Bonobo wenig im Wege. Der Verein hat deshalb ein spezielles Akquise-Programm aufgesetzt. Über die weitere Zukunft des Bonobo werden die Teilnehmer gemeinsam entscheiden. In Planung ist beispielsweise, aus den Einnahmen, die zur Deckung des Bonobo bisher gemacht wurden, zinslose Kredite an teilnehmende Unternehmen zu vergeben.
Ganz aus dem Wirtschaftskreislauf entfernt man sich durch die Verwendung des Bonobo aber nicht. «Bonobo-Transaktionen und Bonobo-Guthaben werden in der Buchhaltung wie Schweizer Franken geführt», sagt Olaf Zanger. Das gilt auch für die Steuer.