Der Tofu-Gigant

Vor einem Vierteljahrhundert wurde Taifun als Kellerbude gegründet. Heute zählt die Freiburger Firma zu Europas gösstem Produzenten von Bio-Tofu.

Taifun-Produkte entwickeln sich auf dem Markt wie ein Wirbelwind. Heute stellen 200 Mitarbeiter 90 Tonnen Tofu pro Woche her. (Bild: Katja Krause)

Vor einem Vierteljahrhundert wurde Taifun als Kellerbude gegründet. Heute zählt die Freiburger Firma zu Europas gösstem Produzenten von Bio-Tofu.

Schon von Weitem ist das bunte Taifun-Logo an der weissen Hauswand auszumachen: grüner Acker, gelb-rote Sonne und ein schwarzer Schriftzug wie mit dem breiten Kalligrafiepinsel gemalt. Es fällt auf ­inmitten der Spiegelfassaden im Industriegebiet im Norden von Freiburg im Breisgau.

Beim Durchschreiten der Fabriktore wird noch deutlicher, dass hier ein Betrieb Wert darauf legt, nicht allein auf Umsatz und Gewinn reduziert zu werden: Auf einer Steinstele bläst eine bronzene Skulptur des «Firmengottes» Taifun die Backen auf, in einem Brunnen nebenan badet eine Wassergöttin, ein Feuergott steht gegenüber und dahinter ist ein kleiner Zen-Garten mit Teehaus angelegt. Ein mit Steinplatten im Rasen ausgelegtes 100 Meter langes Labyrinth führt zu einer stilisierten Sojabohne. «Die vier Elemente – Luft, Wasser, Feuer, Erde – sind wichtig für unsere Firmenphilosophie», sagt Katja Günther, die durch die Firma führt.

Taifun stellt Tofu her, jene weisse, weichkäseähnliche Masse, die aus der Milch der Sojabohne gewonnen wird. Tofu ist, davon ist die Firmenleitung überzeugt, nicht einfach nur ein Lebensmittel: Tofu ist Teil einer Lebenseinstellung.

Tofu ist nicht bloss ein Lebensmittel, sondern Teil einer Lebenseinstellung.

Wer regelmässig Tofu isst, muss nicht Vegetarier sein, er ist aber zur Einsicht gelangt, dass täglicher Fleischkonsum nicht nur ungesund ist, sondern auch die Umwelt belastet und in manchen Weltgegenden Hunger verursacht, weil die Äcker nur noch für Viehfutter genutzt werden.

Dass Taifun ausschliesslich bio­logisch angebaute, gentechnikfreie Sojabohnen verarbeitet, ist da nur konsequent. In mittlerweile 26 Jahren hat sich Taifun von einer kleinen Kellerbude zu Europas grösstem Produzenten von Bio-Tofu emporge­arbeitet. Waren im Wert von 23 Mil­lionen Euro hat Taifun 2012 um­gesetzt, knapp 4,5 Prozent davon in der Schweiz.

Tofu kommt aus Asien, ist in China und Japan seit Jahrhunderten Teil der traditionellen Ernährung. Aus Ostasien haben auch die Gründer von Taifun, Klaus Kempff und Wolfgang Rainer Heck, die Idee und die Philosophie übernommen. Taifun ist vom chinesischen Tai fung abgeleitet, was grosser Wind bedeutet. «Die damit verbundene Energie einerseits und die Verknüpfung mit den asiatischen Wurzeln andererseits waren damit der passende Name für die Taifun-Produkte», erklärt Lina Cuypers, die bei Taifun für die Öffentlichkeitsarbeit verantwortlich ist. «Heute symbolisiert Taifun ausserdem unsere Verbundenheit mit der Natur und die Wandlungsfähigkeit und stete Bewegung in unserem Unternehmen.»

Gesucht: Gentech-freie Bohnen

Anfangs verkaufte Taifun die Wochenproduktion von zwölf Kilogramm auf dem Freiburger Markt, doch bald überstieg die Nachfrage die Kapazitäten. Schnell wuchs die Firma, zog in grössere Räume, die ebenfalls bald wieder zu klein waren. Der Zeitgeist half, das Umweltbewusstsein stieg und mit ihm das Bewusstsein für gesunde Ernährung. Heute fertigt Taifun mit 200 Mitarbeitern 90 Tonnen Tofu pro Woche. «Unsere Produkte entwickeln sich auf dem Markt so rasant wie ein Wirbelwind», sagt Firmengründer Heck.

In den Fabrikhallen selbst ist vom theoretischen Überbau wenig zu spüren. Konzentriert gehen die Mitarbeiter zu Werke, überall peinlich auf Sauberkeit bedacht, so wie es sich für einen Lebensmittelbetrieb gehört. Über den Köpfen sirren die Sojabohnen durch die grossen Rohrleitungen, die Bohnen werden mit Luftdruck vom Silowagen in die Waschbottiche gepumpt.

Eine benachbarte Mühle liefert die Rohwaren, 80 Prozent der Bohnen stammen aus Europa, aus der Rhein­ebene bei Freiburg, aus dem Elsass, dem Burgund und aus Österreich. 20 Prozent kommen aus Kanada und Brasilien. Vor wenigen Jahren noch kamen rund 50 Prozent der Bohnen aus Südamerika.

Doch seit Brasilien offiziell den Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen zugelassen hat, wird es immer schwieriger, gentechnikfreie Ware zu liefern, denn allein durch Genstäube in der Umwelt, so heisst es bei Taifun, könne es zu minimalen Verunreinigungen kommen. Diese sind jedoch sehr selten und liegen dann unter 0,1 Prozent. Damit ist dieser von Taifun garantierte Wert weit niedriger als die Grenze in der EU-Verordnung: Hiernach gelten Lebensmittel, die gentechnisch veränderte Spuren von unter 0,9 Prozent enthalten, als gentechnikfrei.

Der Geruch gekochter Eier

Nach dem Waschen dürfen die Bohnen über Nacht quellen, dann werden sie gemahlen. Der Brei wird gekocht und dann gepresst, wobei sich die Sojamilch von den Pflanzenfasern, dem sogenannten Okara absetzt. Taifun gibt das Okara an Biobauern ab, die damit ihre Tiere füttern. Man kann es aber auch zum Beispiel in Müsliriegeln verwenden, weiss Katja Günther. Eine Idee, die Taifun gegenwärtig nicht verfolgt, hier konzentriert man sich auf das Kerngeschäft, die Produktion von Tofu.

Die Sojamilch steht am Anfang der Verarbeitungslinie. Ihr wird, ähnlich wie bei der Käseherstellung, ein Gerinnungsmittel zugesetzt. In China hat man dafür traditionell Calciumsulfat genommen, gereinigten Gips, womit der Tofu etwas fester wird. In Japan wird der Meerwasserauszug Nigari (Magnesiumchlorid) verwendet, was den Tofu weicher macht.

Taifun hat den europäischen Gaumen erforscht und benutzt eine eigene Mischung aus beiden Gerinnungsmitteln. Mit reinem Nigari wird nur der quarkähnliche Seidentofu hergestellt.Taifun hat mittlerweile eine eigene Forschungsabteilung, die sich mit der Weiterentwicklung der Tofu-Produktion beschäftigt, sowie eine landwirtschaftliche Forschungsanstalt, die sich um die Züchtung der richtigen Soja-Sorten bemüht.

Eigene Forscher kümmern sich um die Züchtung der richtigen Sorten.

Der Tofu wird nach der Gerinnung gepresst, die sich dabei absondernde Molke unter anderem in die Schweiz zur Getränkeherstellung verkauft. Die Pressung geschieht automatisch, flache Kisten laufen über ein Förderband.

Es ist laut hier, es zischt und rattert aus allen Richtungen. Am Ende des Bandes stehen die starken Männer von Taifun: Acht Stunden am Tag ­heben sie die 15 Kilogramm schweren Kisten auf ihre Arbeitsplattform, schneiden den Tofu und kippen die Stücke zum Kühlen in grosse was-sergefüllte Becken. Das Wasser schwappt, der Boden ist nass. Die Arbeiter tragen Gummistiefel und lange Schürzen. Es riecht feucht und ein bisschen nach gekochten Eiern. Sechs Tage pro ­Woche wird im Dreischichtbetrieb gearbeitet.

Der Naturtofu muss jetzt nur noch portioniert, verpackt und pasteurisiert werden. Alle anderen Tofuprodukte, die man im Kühlregal findet, werden in der sogenannten Küche zusammengemixt. Es duftet nach Gewürzen, der Geruch von Buchenholzrauch sickert aus grossen Stahl-schränken. Tofu-Wienerle schiessen aus einer Wurstmaschine, am Ende einer Bratstrasse stapeln Mitarbeiter Bratlinge auf grosse Bleche: Bratfilets mit Oregano, Bärlauch oder Curry-Ananas.

In einer Wurstfabrik sieht es nicht viel anders aus und tatsächlich sind auch viele der Taifun-Mitarbeiter gelernte Metzger. Weniger als zehn ­Prozent der 200 Angestellten sind Vegetarier. Die Burger werden in Folie verpackt, anschliessend pasteurisiert und gekühlt. Dann sind sie bereit für den Kunden – ob Vegi oder nicht.

Es ist nicht ganz einfach, Lebensmittelbetriebe zu besichtigen. Taifun macht da eine Ausnahme: Die Firma bietet regelmässig Besuchstermine, zu denen man sich anmelden kann; www.taifun-tofu.de

Artikelgeschichte

Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 12.07.13

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