So ganz ist der Wandel noch nicht angekommen im Reich von Messechef René Kamm. Im Kongresszentrum steht eine golden glitzernde Armada von Hostessen, um die Journalisten in den Saal Montreal hinein zu lächeln. Während selbst am Genfer Autosalon die Hostessen angesichts der Sexismusdebatte seltener geworden sind, gehören sie an der Baselworld 2018 zum fixen Interieur.
Dabei wird Kamm an der Abschlusspressekonferenz eigentlich nur davon reden, dass man sich ändern müsse und werde. Wie viel davon Lippenbekenntnis ist, wie viel dann wirklich passiert und was das alles noch nützt – das bleibt freilich offen.
Die erfreulichen Nachrichten aus Sicht des Messebetreiber und des Kantons Basel-Stadt als Hauptaktionär der MCH Group: Trotz stark reduzierter Verkaufsfläche, der Hälfte der Anbieter und der Reduktion der Baselworld von acht auf sechs Tage blieb die Besucherzahl im Vergleich zum Vorjahr stabil.
«Die Zeiten, als man fünf oder zehn Jahre im Voraus planen konnte, sind vorbei.»
René Kamm erklärt, man spüre wieder Rückenwind. «Wir wollen nicht um jeden Preis die alte Grösse halten. Wir wollen die Qualität halten», sagt er. Die Frage sei aber, wo die ideale Grösse der Baselworld liege. Kamm beantwortet die Frage gleich selber: «Jetzt haben wir eine vernünftige Grösse – hoffentlich werden nun auch die Preise in der Stadt günstiger.» Die hohen Hotelleriepreise sind ein Dauerthema an der Uhren- und Schmuckmesse. Diese dürften künftig unter Druck geraten.
Die zweite, noch viel bessere Nachricht: Alle wichtigen Uhrenfirmen bis auf Raymond Weil haben bereits zugesagt, auch 2019 an der Baselworld präsent zu sein. Darüber hinaus ist alles unklar. «Die Zeiten, als man fünf oder zehn Jahre im Voraus planen konnte, sind vorbei. Wir sind froh, wissen wir, was in zwölf Monaten passiert», sagt Messechef René Kamm, der sich auch sonst demütig gab.
Vorbei sind die Zeiten, als die Messe Preise und Modalitäten diktieren konnte. Als sich milliardenschwere Konzerne jede Kritik verkniffen, um ja nicht in der Gunst des Messe-Managements zu fallen und die Top-Plätze in der Halle zu verlieren.
Weitere Formatanpassungen sind geplant, «aber nur solche, die den Ausstellern helfen», so Kamm. Baselworld-Chefin Sylvie Ritter kündigt an, auch kleineren Anbietern entgegenzukommen: «Die Reduktion der Flächenpreise reicht nicht aus für einige Aussteller, sie können sich die Baselworld nicht mehr leisten und nicht mehr ausstellen.» Solche Aussagen hat man in den letzten zehn Jahren nie gehört. Künftig sollen etwa die teuren Pflichtleistungen, die alle Standbetreiber bezahlen müssen, gekürzt werden. Im Herbst will man die Änderungen kommunizieren.
Schon für die Ausgabe 2018 hat die Baselworld die Platzmieten um zehn Prozent gesenkt. Weitere generelle Preissenkungen sind nicht geplant, Kamm will die Abwärtsspirale im Pricing nicht weiter antreiben. Er will verhindern, dass die Messe in eine Rolle rutscht, in der sie sich von den Anbietern erpressen lassen muss.
Eine Lösung mit «Kollateraleffekten»
Doch die Konzessionen an grosse Uhrenmarken wie Swatch, Patek Philippe, Chopard und Konsorten sind auch so beachtlich. So dürfen die Premiumhändler die ganze Halle 1.0, das Prunkstück des Neubaus, bis zur nächsten Baselworld als Lagerraum für ihre Stände nutzen. Die Uhrenkonzerne hatten sich zuvor über die hohen Kosten für Auf- und Abbau der aufwendig gestalteten Stände beklagt. Finanziert wurde der Neubau, daran sei erinnert, zu beachtlichen Teilen vom Steuerzahler.
Diese Lösung hat «Kollateraleffekte», wie Kamm sagt. So muss die Art Unlimited, eine Unter-Ausstellung der Kunstmesse Art Basel, auf den ersten Stock im Neubau ausweichen. Zwei grosse Kunst-Installationen können deshalb nicht verwirklicht werden. Zudem werden die Termine von zwei grossen Messen, darunter die Swisstech, verschoben.
Ein weiterer Effekt: Die ganze Dienstleistungsindustrie rund um die Baselworld, darunter Standbauer, erhält weniger Aufträge. Wurde der ökonomische Fussabdruck der Messe in der Vergangenheit auf 2,5 Milliarden Franken Wertschöpfung geschätzt, fällt dieser künftig deutlich tiefer aus. «Natürlich wird der Fussabdruck kleiner», sagt Kamm.
An der Baselworld wird geraunt, die Grossen blieben nur so lange, bis ihre Stände amortisiert seien.
Nach der Baselworld 2019 müssen die Luxusfirmen ihre Stände dann wieder abbauen, ansonsten wären die Beeinträchtigungen für die MCH Group zu gross, sagt Kamm. Ob sich die Hersteller dann aber 2020 die Mühe machen, nochmals kräftig zu investieren?
An der Baselworld wird geraunt, die Grossen blieben nur so lange, bis ihre Stände amortisiert seien. An der Pressekonferenz sagt ein Journalist, der mit sämtlichen CEOs der Konzerne gesprochen haben will, Swatch und andere blieben nur noch aus Solidarität mit der Branche und kleineren Herstellern.
Klar ist: Fallen die grossen Ankerfirmen weg, hat die Baselworld keine Zukunft. Im «Blick» erklärte Kamm, dass die Baselworld am Ende sei, wenn auch nur eine der drei grössten Firmen aussteige. Und das Murren in der Branche bleibt trotz aller Zugeständnisse besorgniserregend laut. Im «Blick» sagte Nayla Hayek, Verwaltungsratspräsidentin von Swatch: «Wir haben den Eindruck, dass es hier nicht mehr um die Uhrenindustrie geht. Wir können auch ohne Messe überleben. Die Messe braucht uns, nicht wir sie.»
Und der Schweizer Luxusuhrenproduzent Raymond Weil, der mit seiner Zusage noch zögert, erklärt der Nachrichtenagentur SDA, das Modell der Baselworld sei überholt: «Deshalb muss sich die Baselworld technisch und digital weiterentwickeln.»
Digitalisierung der Vertriebswege
Das versucht sie laut Kamm und Baselworld-Chefin Ritter mit aller Kraft. 2,8 Millionen Personen habe man während der diesjährigen Messe über Facebook erreicht, sagt Ritter. Das klingt verzweifelt: Die Digitalisierung der Vertriebswege in der Luxusindustrie wird kaum mit besserer Facebook-Präsenz aufzufangen sein.
2019 wird zum Schicksalsjahr der Baselworld und damit auch von der MCH Group und Messe-CEO René Kamm. Die Uhren- und Schmuckmesse ist mit Abstand die wichtigste Cashmaschine der MCH. Geht die Baselworld ein, stürzt der Basler Messekonzern in eine existenzielle Krise. Auch der Messe-Neubau, der bereits 2018 teilweise leerstand, wird dann zur Investitionsruine.
Noch beschwichtigt Kamm, man habe die Lehren aus der Vergangenheit gezogen: Der Transformationsprozess sei in vollem Gang nach dem Absturz bei den Ausstellern. Man höre auf die Aussteller, stehe in konstantem Dialog.
Ein Journalist will wissen, weshalb man das nicht schon vorher getan habe. Eine Antwort darauf haben Kamm und Ritter nicht.