Aussteller an der Baselworld klagen über zu hohe Standpreise – und lokale Gewerbetreibende über willkürliche Geschäftsbedingungen für «Partnerfirmen».
An der Baselworld ist immer das Glamouröse das Elementare: die prominenten Besucher, die eleganten Damen, die beeindruckenden Zahlen. 3000 Journalisten, so und so viele Gäste und Aussteller aus so und so vielen Herkunftsländern … Darüber wird geschrieben – was regelmässig in opulenten Stimmungsberichten endet. Selbstredend wird auch die Baselworld 2012 als Glanznummer in die Annalen eingehen. Von der Erfolgsstory verdeckt, spielt sich indes eine andere, weniger glänzende Geschichte ab: wie die Messebetreiberin MCH Group versucht, noch mehr Geld aus der Baselworld zu ziehen.
Für sie ist die Baselworld die mit Abstand wichtigste Branchenschau. Ein Drittel der Wertschöpfung holt sie hier rein. Nur bei der Baselworld ist der Andrang derart gross, dass die Messe nicht der Bittsteller ist, der die Aussteller umgarnen muss, damit sie kommen. «Die Baselworld ist – leider — unverzichtbar», sagt der Chef einer Schweizer Uhrenfirma, der wie alle anderen Informanten in dieser Geschichte nicht genannt werden will. Zu viel steht auf dem Spiel, und mehr als einmal ist zu hören, dass die Messe unangenehm wird bei öffentlich geäusserter Kritik an ihrem System, von dem noch die Rede sein wird.
Happige Preisaufschläge
2013 wird die Baselworld noch einmal eine Nummer grösser. Dann spielt sie im 430 Millionen Franken teuren Neubau von Herzog & de Meuron. Im Bewusstsein ihrer Stärke hat die Messe die Preise für die Aussteller kräftig angehoben. Die TagesWoche hat darüber berichtet: Die Standpreise steigen um 20 Prozent, ein Drittel der Rechnung muss im Voraus beglichen werden. Zusätzlich müssen die Aussteller in einem sogenannten Brand Book Werbung schalten. 15 000 Franken kostet das pro Marke, was vielen Ausstellern masslos scheint.
«Machen kann man dagegen gar nichts», sagt ein Uhrenhersteller. «Es heisst dann einfach ‹take it or leave it›. Die Preise sind im internationalen Vergleich überteuert, doch noch ist die Baselworld konkurrenzlos.» Manche Hersteller generieren 90 Prozent ihres Umsatzes an der Messe.
Man braucht mit den Uhren- und Schmuckherstellern natürlich kein Mitleid zu haben: Sie rechnen – und wenn es sich für sie lohnt, kommen sie wieder. Doch risikolos ist die Zurschaustellung der eigenen Stärke für die Baselworld nicht. «Die Messe muss aufpassen, dass sie in ihrer Arroganz nicht überbordet», warnt ein Hersteller.
Der Luxuskonzern Richemont (Cartier) ist aus Ärger über die Baselworld bereits nach Genf abgewandert. Der Uhrensalon dort ist noch weit davon entfernt, Basel als Standort zu gefährden. Die Baselworld zieht mit 100 000 Besuchern das Siebenfache der Genfer Ausstellung an. Aber bei den angefragten Uhrenfirmen ist unüberhörbar, dass sie auf den Zeitpunkt hoffen, an dem die Dynamik umschlägt.
Die Marktmacht der Messe spüren indes nicht nur die Aussteller. Sie belastet auch die Zudiener, die Caterer und Blumenhändler, die Putzfirmen und Standbauer. Die Messe wolle die «ganze Wertschöpfungskette kontrollieren», umschreibt es ein Zulieferer. Firmen, die nicht Teil ihres Systems sind, würden aus dem Geschäft bugsiert. Es sind ernste Vorwürfe.
Knallhartes System
Das System funktioniert demnach so: Sämtliche Dienstleister der Baselworld werden in «Partner» und «Nicht-Partner» unterteilt – vom Kopiergeschäft bis zum Teppichverleger. Nach welchem Verfahren, ist nicht nachvollziehbar. Baselworld-Sprecher Bernard Keller sagt: «Es gibt keinen Anforderungskatalog. Wenn eine Firma unsere Ansprüche erfüllt, können wir sie als Partner auswählen.» Es gibt keine Ausschreibungen und keine Rekursmöglichkeiten: Das Auswahlverfahren ist willkürlich.
Wer es in den Partnerstand schafft, erhält privilegierten Zugang zu den Ausstellern. «Er wird ihnen empfohlen», wie es im Duktus der Messe heisst. Zwei Quellen bestätigen, dass es nicht immer bei der Empfehlung bleibt: In den Vertragsverhandlungen wurde zumindest in einem der TagesWoche geschilderten Fall Druck auf den Aussteller ausgeübt, einen bestimmten Dienstleister fallen zu lassen. «Wählst du nicht unseren Partner, kannst du einen guten Standort vergessen», hiess es. Die MCH Group bestreitet das. Konzernsprecher Christian Jecker sagt: «Die Aussteller sind in der Wahl der Dienstleister frei. Einen Zusammenhang mit der Platzierung gibt es nicht.»
Ein Vertragsdokument, das der TagesWoche vorliegt, zeigt allerdings: In den Bereichen Reinigung, Standpersonal und Security müssen sich Aussteller dazu verpflichten, die offiziellen Partnerfirmen zu engagieren. Baselworld-Sprecher Bernard Keller, mit dem Vertrag konfrontiert, behauptet, anders als Jecker, das sei «aus Sicherheitsgründen» so.
Vieles deutet darauf hin, dass die Messe an ihren Partnerfirmen kräftig mitverdient. Wie viel diese abliefern müssen für die freundliche Empfehlung, wird nicht verraten. Die Kommunikationslinie der Messe changiert zwischen «in der Regel gar nichts» (Jecker) und «dazu geben wir keine Auskunft» (Keller). Laut Auskunft zweier Partnerfirmen ist die Messe mit 10 bis 15 Prozent am Umsatz beteiligt.
In zumindest einem Fall zog sich ein Basler KMU-Patron, der nicht genannt werden will, aufgrund dieser Abgeltung aus dem Geschäft zurück. Als Partner habe es nicht mehr rentiert, und als Nicht-Partner habe er keine Aufträge mehr erhalten. Bei den Standbauern mischt die Messe zudem mit einer eigenen Firma mit, der 2007 erworbenen Expomobilia.
Kanton Basel-Stadt verdient mit
Die Messe Schweiz ist zwar seit 2001 an der Börse kotiert, 49 Prozent der Anteile sind aber in Besitz der Trägerkantone. Hauptaktionär ist der Kanton Basel-Stadt mit 33,5 Prozent, entsprechend ist er auch im Verwaltungsrat vertreten. Die Kantone begründen ihre Beteiligung in erster Linie damit, dass sie den hohen volkswirtschaftlichen Nutzen für die jeweiligen Regionen garantieren wollen.
«Das ist reiner Hohn», sagt ein Zulieferer aus dem Cateringbereich, wo die Messe mit deutschen und französischen Firmen zusammenarbeitet. «Das lokale Gewerbe wird von der Messe aus dem Markt gedrückt – und der Verwaltungsrat hat keine Ahnung davon.»
Dabei war das zentrale Abstimmungsargument, als es seinerzeit darum ging, dem Basler Volk einen Multimillionen-Zustupf an den Neubau schmackhaft zu machen, dass viel vom Glanz der Baselworld für die kleinen Zudiener in der Region abfalle.
Artikelgeschichte
Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 16.03.12