Seit 25 Jahren fährt Rita Hochstrasser in Basel Taxi. Wie sich ihre Berufskollegen zum Teil benehmen, findet die 54-Jährige schlimm. Ein Gespräch mit ihr, geführt vom Congress Center zum Bahnhof SBB und zurück.
Während der Kunstmesse Art am Barfüsserplatz oder Claraplatz ein Taxi zu finden, ist kein leichtes Unterfangen – erst recht, wenn man ein Interview mit einem Taxifahrer führen möchte. Anders präsentiert sich die Situation vor dem Congress Center Basel. Hier reihen sich die Taxis aneinander. Hier treffen wir auch die 54-jährige Rita Hochstrasser, die seit 25 Jahren Taxi fährt, gerade zwei Art-Besucher aus Russland in ihrem Wagen begrüsst, und uns mitfahren lässt. Ein 20-minütiges Gespräch vom Congress Center Basel zum Bahnhof SBB und zurück – über die «Art», ihre «unanständigen» Berufskollegen und die Krise in der Taxibranche.
Frau Hochstrasser, wie läuft das Geschäft während der Art, haben Sie ausnahmsweise sehr viel zu tun?
Viel ist relativ. Seit die Messe VIP-Limousinen anbietet, sind wir als Taxifahrer nicht mehr so gefragt. Zudem gibt es in Basel ja auch 480 Taxis, der Konkurrenzkampf ist gross. So wahnsinnig viel läuft also momentan trotz Art nicht. Früher gab es den ganzen Tag keine Taxis auf den Standplätzen zu finden, heute schon.
Ihre wie vielte Fahrt ist das heute?
Ich bin seit 9 Uhr früh unterwegs, das hier ist meine elfte Fahrt. Ich gehe jedoch davon aus, dass ich während der Art täglich 20 Fahrten machen werde – doppelt so viele wie normal. Immerhin. Ich hoffe sehr, dass ich auf diese Zahl komme, sonst bin ich unzufrieden.
Wo wollen die Leute hauptsächlich hin?
Zum Bahnhof, an den Flughafen, an die Liste, Scope oder Voltashow.
Bei der Liste dürfen Taxis nicht auf Kundschaft warten. Ist das nicht mühsam?
Ja, wir müssen ausladen und sofort wieder wegfahren – Warten ist nicht erlaubt. Dasselbe gilt für die Voltashow. Wieso das so ist, kann ich nicht nachvollziehen, zumal die Besucher der Liste oder der Voltashow ja immer wieder ein Taxi benötigen.
Gibt es sonstige Schwierigkeiten während der Art?
Der Verkehr natürlich und die vielen Baustellen. Wir stehen mit der Kundschaft nur noch im Stau. Aber die Situation mit der Polizei während den Messen hat sich inzwischen beruhigt. Das ist sehr gut.
«Die Polizisten sind toleranter und diskussionsfreudiger geworden.»
Inwiefern beruhigt?
Die Polizei schaut auf uns. Früher wurde man umgehend bei einem Fehler von den Polizisten gebüsst. Wir waren immer im Krieg mit der Polizei. Das ist heute nicht mehr der Fall. Die Polizisten sind toleranter und diskussionsfreudiger geworden. Man redet mittlerweile miteinander – und das bringt sehr viel.
Fahren Sie immer nur in der Stadt rum während der Art?
Ja, hauptsächlich schon. Es gibt schon Auswärtsfahrten nach Zürich – nur hatte ich bis jetzt kein Glück.
Wie viel kostet eigentlich eine Fahrt nach Zürich?
Etwa 400 Franken.
Wie ein Flugticket nach Stockholm.
Früher hatte ich mal an einem Tag während der Art drei Fahrten nach Zürich-Kloten. Diese Zeiten sind leider vorbei.
Was sind das für Leute, die die Art besuchen und in Ihrem Taxi landen?
Ich liebe die Art-Besucher. Die Menschen sind irgendwie anders. Sie sind viel lockerer drauf, lustig und freundlicher. Bei der Baselworld gibt es viel mehr Snobs, das ist anstrengend. Und die Art-Besucher geben auch gut Trinkgeld.
Das heisst?
Etwa fünf Franken. Normalerweise erhalte ich einen oder zwei Franken.
Von wem erhalten Sie am wenigsten Trinkgeld?
Von Menschen aus Ihrem Kontinent (lacht).
«Ich liebe die Art-Besucher. Die Menschen sind irgendwie anders.»
Aha.
Ja, Asiaten geben fast nie Trinkgeld. Grosszügiger sind Amerikaner und Engländer. Am meisten geben aber alte Frauen – vor allem wenn man ihnen behilflich ist. Aber wissen Sie, Trinkgeld ist mir persönlich nicht so wichtig.
Trinkgeld macht aber viel aus.
Natürlich macht es Freude, wenn man es erhält. Mir ist ein Lächeln der Kunden jedoch wichtiger.
Sie fahren seit 25 Jahren Taxi. Wie schwierig ist die Situation momentan?
Das Problem ist, dass es in Basel so viele Taxis gibt.
Wie war es denn früher?
Früher lief halt einfach viel mehr. Die Leute geben nicht mehr so viel aus wie auch schon. Ich machte früher monatlich im Handumdrehen 12’000 bis 13’000 Franken Umsatz.
Und jetzt?
Jetzt sind es bei 40 Prozent 900 Franken im Monat Verdienst. Wäre ich alleinstehend, wäre es unmöglich, damit zu überleben. Ein Familienvater kann mit dem Taxifahren nur schwierig seine Kinder ernähren – ausser er arbeitet 15 Stunden am Tag, was aber verboten ist.
Die Taxifahrer haben einen schlechten Ruf. Zu unrecht?
Nein, der Ruf ist berechtigt. Früher hatten Taxichauffeure noch Kultur und Anstand.
Wie meinen Sie das?
Man war noch freundlich und wusste sich gepflegt anzuziehen. Heute laufen viele Chauffeure mit zerrissenen Jeans und dreckigen T-Shirts rum. Das trägt zum schlechten Ruf bei. Auch finde ich es schlimm, wie die Taxichauffeure nachts wie Säue durch die Stadt fahren – oder wie die günstigen Chauffeure in ihren kleinen Taxis, den Mädels nachpfeifen.
Sie meinen die 77er-Taxis?
Ich nenn jetzt keine Namen. Aber das ist anstandslos. Und früher war der Chauffeur noch zuvorkommend, er stieg aus dem Taxi aus und öffnete der Kundschaft die Türen.
«Es ist schlimm, wie die kleinen, günstigen Taxichauffeure, den Mädels nachpfeifen.»
Sie bereuen also, diesen Beruf ausgewählt zu haben?
Nein, kein bisschen. Ich bin Taxifahrerin mit Leib und Seele und würde mich immer wieder für diesen Job entscheiden.
Trotz den miesen Bedingungen? Die Gewerkschaft Unia hat vor wenigen Tagen dem Arbeitgeberverband ASTAG mitgeteilt, dass sie den
Gesamtarbeitsvertrag für das Taxigewerbe per Ende Jahr kündigt.
Die Bedingungen sind mies, deshalb muss man für bessere kämpfen – was ich immer wieder mache. Aber mehr Lohn wird schwierig. Denn mein Chef sitzt im selben Boot wie ich. Er verdient ja auch nicht mehr – weil halt nun mal nicht mehr reinkommt.
Halten Sie die Kündigung des GAV denn für falsch?
Nein, denn der GAV hat uns nichts mehr gebracht, zumal die Bedingungen in der Branche schwieriger geworden sind. Ich glaube aber nicht, dass es so schnell eine Einigung geben wird. Meine Meinung ist, dass die Politiker mehr für uns tun müssen, damit wir von dieser Arbeit auch leben können. Wir arbeiten ja schliesslich auch für diese Stadt, die einfach auf Taxis angewiesen ist.