Gefährliches Geld aus dem Nichts

Neunzig Prozent des Geldes, das hierzulande im Umlauf ist, wird von den Banken digital erzeugt. Die Schaffung von immer neuem Geld aus dem Nichts ist die Hauptursache für Finanzblasen.

Symbolträchtige Lancierung: Das Komittee der Vollgeldinitiave posiert zum Start der Unterschriftensammlung mit Nationalhelden vor der Nationalbank.

Neunzig Prozent des Geldes, das hierzulande im Umlauf ist, wird von den Banken digital erzeugt. Die Schaffung von immer neuem Geld aus dem Nichts ist die Hauptursache für Finanzblasen.

«Krisensicheres Geld im Interesse aller: Geldschöpfung allein durch die Nationalbank» – unter diesem Titel lancierte nach dreijähriger Vorarbeit der überparteiliche Verein Monetäre Modernisierung (MoMo) am 3. Juni seine eidgenössische Volks­initiative.

Die Vollgeld-Initiative will das einführen, von dem die grosse Mehrheit der ­Befragten meint, es sei schon Realität: Nur die Schweizerische Nationalbank (SNB) kann zum Papiergeld auch das elektro­nische Buchgeld erzeugen. Heute wird dieses von den Banken bei jedem Kredit durch blossen Computereintrag auf un­seren ­Giralgeld-Konten als digitales Geld geschaffen.

Dieses sogenannte Sichtgeld, das rund 90 Prozent der gesamten sich im Umlauf befindlichen Geldmenge ausmacht, gilt aber nicht als gesetzliches Zahlungsmittel, was einer gravierenden Gesetzeslücke entspricht. Diese will die Vollgeld-Initiative schliessen. In einer Online-Umfrage des «Tages-Anzeigers» vom 6. Juni unterstützten dies 58 Prozent der Teilnehmerinnen und Teilnehmer.

Öffentliche Aufgabe

Die Geldherstellung war und ist eine zentrale öffentliche Aufgabe und staat­liche Einnahmequelle. Über Jahrhunderte hinweg besassen die Fürsten respektive die alten eidgenössischen Orte ihr eigenes Münzmonopol. Mit der Gründung der Eidgenossenschaft ging dieses Münzprägerecht 1848 an den Bund über – der Schweizer Franken wurde geschaffen.

Danach entdeckten die Banken die profitable Geldschöpfung und druckten immer mehr Banknoten. 1891 wurde diesem Wildwuchs Einhalt geboten: Die Stimmbürger verboten den Banken das Drucken von Geldscheinen und übergaben dem Bund auch das Recht zum Notendruck.

Seit 1907 verleiht die SNB das Papiergeld an die Banken. Aus diesem Seigniorage genannten Geldschöpfungsgewinn flossen seither jährlich 1 bis 2,5 Milliarden Franken in den Staatshaushalt von Bund und Kantonen.

Vor 100 Jahren dachte noch niemand daran, dass das Buchgeld der Banken mit der Zeit immer wichtiger werden sollte. Bei den Revisionen des Notenbank- respektive des Währungs- und Zahlungsmittelgesetzes verhinderten die Bankenvertreter, dass die gewinnträchtige Geldschöpfung über das Buchgeld auch zu einem gesetzlichen Zahlungsmittel wurde – was konsequenterweise nur dem Bund und seiner Nationalbank zustehen sollte.

Die freiwilligen 
Banken­regulierungen haben bisher keine Finanzkrisen verhindert, und sie werden das auch künftig nicht tun.

Die Vollgeldreform würde dem Staat ­einen einmaligen Geldschöpfungsgewinn aus der Differenz zwischen Herstellungskosten und Nominalwert in der Grössenordnung eines halben Jahresproduktes und jährliche Geldschöpfungsgewinne von mehreren Milliarden Franken bringen, was zugunsten aller verwendet werden könnte.

Die neu von der SNB festgelegte Geldmenge sollte dabei idealerweise nur dem jeweiligen Bruttosozialprodukt beziehungsweise dem Bruttonationaleinkommen entsprechen. So könnte auch dem geldbedingten Wachstumszwang sinn­volle Grenzen gesetzt werden.

Geldreformen stossen immer auf Kritik und Widerstand. Ein Blick auf folgende drei Zitate zeigt uns warum: «Eigentlich ist es gut, dass Menschen unser Banken- und Währungssystem nicht begreifen. Würden sie es nämlich, so hätten wir eine Revolu­tion vor morgen früh», sagte der US-Autofabrikant Henry Ford. Der Ökonom und Systemtheoretiker Kenneth Boulding meinte: «Jeder, der glaubt, exponentielles Wachstum könne ewiglich in einer end­lichen Welt fortschreiten, ist entweder ein Verrückter oder ein Ökonom.» Und Konrad Hummler, Banker und Präsident der einstigen Privatbank Wegelin & Co., sagt: «Wir erleben die Demaskierung eines Geldsystems, das den Pfad der Tugend längst verlassen hat. Geld sollte Spiegelbild des realen Lebens sein, es soll den Austausch von Waren oder die Wertaufbewahrung erleichtern. Ich fürchte, wir sind in eine Situation hineingeraten, in der Geld nur noch eine verselbstständigte Grösse ist, losgelöst von den realen Gegebenheiten.»

Die buchgeldproduzierte Geldflut der Banken übertraf in den Jahren von 1992 bis 2008 in der Schweiz wachstumsmässig das Bruttoinlandprodukt (BIP) um beinahe das Vierfache. In Deutschland stieg das Wachstum der für die Vollgeld-Initiative relevanten Geldmenge im gleichen Zeitraum um 189 Prozent, wogegen das nominale BIP nur um 51 Prozent anstieg.

Keine «unnötige Reform»

Weltweit betrug das globale Brutto­sozialprodukt im Jahr 2008 zirka 70 Billionen Dollar, wogegen nach den Ökonomen Matthias Weik und Marc Friedrich («Der grösste Raubzug der Geschichte») die globale Geldmenge auf rund 700 Billionen Dollar geschätzt wurde.

Gemäss den Recherchen von Professor Joseph Huber, dem geistigen Vater der Vollgeldreform, kam es im Zeitraum von 1970 bis 2007 weltweit zu 425 systemischen Finanzkrisen. Wenn heute selbst Finanz­experten, Zentralbanker und Politiker von einer notwendigen Systemstabilisierung sprechen, kann die Vollgeld-Initiative nicht ernsthaft als «unnötige Reform» abqualifiziert werden, wie dies manche ­Gegner tun. Die bisherigen freiwilligen Bankenregulierungen haben jedenfalls bisher keine Finanzkrisen verhindert, und sie werden das auch inskünftig nicht tun können.

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