Es ist laut bei der Grenzacherstrasse rund um den Hauptsitz der F. Hoffmann-La Roche AG, die seit ihrer Gründung im Jahr 1896 hier ansässig ist.
Der Lärm ist ein Zeichen dafür, dass der Weltkonzern derzeit keine grösseren räumlichen Verschiebungen plant. Ausser solche vor Ort, in die Höhe, Tiefe und Breite: Derzeit entstehen das Fundament für Bau 2, das 205-Meter-Bürogebäude für 3’000 Mitarbeiter, sowie das Fundament für das neue Forschungszentrum, das ab Fertigstellung im Jahr 2023 Platz für bis zu 1900 Mitarbeiter bieten soll.
Im Erdgeschoss von Bau 1, dem mit 178 Metern Höhe bald kleineren der zwei Roche-Türme, hört man den Baulärm zwar, doch die Roche präsentiert sich hier im besten Licht: Die neuen Gebäude sind schon fertig gebaut. Jedenfalls im Modell: Ein neues Informationszentrum hat seit einigen Wochen geöffnet. Besucherinnen und Besucher können sich – kostenlos, und auch am Wochenende – in Film, Ton, Virtual-Reality und eben anhand von Modellen über Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der Roche informieren.
Standort Schweiz
Das Informationszentrum stehe auch für «Offenheit und Transparenz», sagte Roche-Mediensprecher Nicolas Dunant am Donnerstag vor rund zwanzig Journalisten. Das Unternehmen finde in der Schweiz gute Rahmenbedingungen vor: Dunant nannte die unkomplizierten Beziehungen zu den Behörden, zum Ausland sowie die Präsenz hervorragender Universitäten. Deswegen sei auch Roche in der Pflicht, zu diesen Rahmenbedingungen Sorge zu tragen – und dazu gehöre eben auch Offenheit und Transparenz.
In den vergangenen zehn Jahren habe Roche 5 Milliarden Franken in den Standort Basel investiert, bis 2023 sollen es weitere 3 Milliarden sein. Es sind die grössten Investitionen in einen Roche-Standort weltweit. Mehr als die Hälfte der 3 Milliarden werde für die Forschungs-Infrastruktur verwendet. «Ein starkes Bekenntnis» zu Basel und der Schweiz, sagte Dunant.
Acht Prozent der Schweizer Exportwirtschaft
Die präsentierten Zahlen untermauerten das Gesagte. Dr. Annette Luther, Leiterin Standort Rotkreuz und General Manager Roche Diagnostics International, stellte ihren Bereich vor. Im Kanton Zug wurde Roche mit mittlerweile 2300 Mitarbeitenden zum grössten privaten Arbeitgeber. Forschung, Entwicklung und Produktion finden mehrheitlich vor Ort statt.
Insgesamt arbeiten 14’000 Menschen bei Roche in der Schweiz – eine Zunahme um 3000 Personen innert 6 Jahren, wie Nicolas Dunant aufzeigte. Weitere Aufwärtsbewegungen sind nicht in Sicht: Die Zahl der Mitarbeitenden in der Schweiz sei «im Moment stabil».
Mit Zahlen unterstrich das Unternehmen auch seine wirtschaftliche Bedeutung für die Schweiz: Es exportiert Waren im Wert von 23 Milliarden Franken pro Jahr. Das sind acht Prozent der gesamten Schweizer Exportwirtschaft.
Mehr EU-Bürger als Schweizer bei Roche
Jürg Erismann, Leiter Standort Basel/Kaiseraugst, betonte, wie sehr die Roche auf gute bilaterale Verträge mit Europa angewiesen ist. Nicht nur, weil der Konzern jährlich Waren im Wert von zehn Milliarden Franken an die EU-Länder exportiert, oder weil die bilateralen Verträge die Zulassungsverfahren für einzelne Länder überflüssig machen.
Ein Grund liegt auch in der Mitarbeiterstruktur von Roche in der Schweiz: 38 Prozent der Angestellten sind Schweizer. Acht Prozent kommen aus Nicht-EU-Ländern. Die Mehrheit der Roche-Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter – 54 Prozent – stammen aus EU-Ländern.
Trend der individualisierten Behandlung
Über aktuelle Entwicklungen in der personalisierten Medizin sprach Oliver Bleck, Leiter Pharma Schweiz. Der Trend bei Behandlung und Medikamentenentwicklung gehe klar in Richtung individualisierte Behandlung. Als Beispiel nannte er die diagnostische Analyse: mittels der individuellen Gen- und Proteinstruktur kann bereits heute – etwa bei Krebspatienten – festgestellt werden, ob ein Patient auf eine entsprechende Behandlung ansprechen wird oder nicht.
«Die Fortschritte auf dem Gebiet bringen neue Herausforderungen für die Zulassungsbehörden», sagte Bleck. Die Geschwindigkeit, mit der bei individualisierter Medizin Neues ausprobiert werden könne, erhöhe sich mit der Individualisierung der Behandlung massiv. Es bestehe daher die Sorge, die Resultate der Forschung nicht rasch genug den Patienten zur Verfügung stellen zu dürfen, so Bleck. Schon heute sei die Schweizerische Zulassungs- und Aufsichtsbehörde für Arzneimittel und Medizinprodukte Swissmedic im Standardverfahren langsamer als die EU und die USA. «Da besteht aus unserer Sicht Handlungsbedarf», sagte Bleck zur TagesWoche.
Zwangslizenzen «sehr schädlich für den Standort»
Zur aktuellen Kritik seitens der Organisation Public Eye äusserte sich Roche auf Anfrage der TagesWoche. Die Organisation kritisiert, dass einige Medikamente von Roche unerschwinglich teuer seien und fordert, dass der Bundesrat durch das Mittel der Zwangslizenz den Vertrieb günstigerer Generika trotz Patentschutz ermöglicht. «Sogar das Schweizer Gesundheitssystem ist kaum mehr in der Lage, für die überrissenen Preise insbesondere von neuen Krebstherapien aufzukommen», schrieb Public Eye am 22. Mai.
Im dazugehörigen «Report» widmet Public Eye mehrere Seiten dem Roche-Medikament Perjeta. Die jährlichen Kosten des Medikaments schätzt sie auf «über 130 Millionen Franken, oder 22 Prozent der jährlichen Ausgaben für alle Krebsmedikamente».
Roche betont auf Nachfrage der TagesWoche, das Medikament sei in der Schweiz in dem von Public Eye bemängelten Zusammenhang nur für eine ganz bestimmte Patientengruppe mit hochspezifischer Tumorform zugelassen. Es stehe aber auf der sogenannten Spezialitätenliste, sprich, alle Versicherten bei einer Schweizer Krankenkasse hätten im Bedarfsfall problemlos Zugang zum Medikament.
Der Anteil der Ausgaben für Krebsmedikamente in der Schweiz mache nur rund zwei Prozent der Gesamtausgaben für Medikamente aus, sagt Roche-Sprecher Nicolas Dunant. Zur Public-Eye-Kostenschätzung über das Medikament Perjeta, das laut dem Bericht «substantielle finanzielle Implikationen für das Schweizer Gesundheitswesen» hat (Gesamtkosten 2015: 77,8 Milliarden Franken), sagt er: «Der Jahresumsatz von Perjeta in der Schweiz betrug im vergangenen Jahr 15 Millionen Franken».
Für die Roche steht jedenfalls fest: Mit Forderungen nach Zwangslizenzen «kann man sehr viel verlieren». Die Idee sei «sehr schädlich für den Standort», sagt Nicolas Dunant.